philosophischen Vortrags selbst vermehrt, und verringert werden können. Die Darstellung muss, der Einsicht in die Natur des Speculati- ven getreu, die dialektische Form behalten und nichts hereinnehmen, als in so fern es begriffen wird und der Begriff ist.
So sehr als das räsonnirende Verhalten, ist dem Studium der Philosophie die nicht rä- sonnirende Einbildung auf ausgemachte Wahr- heiten hinderlich, auf welche der Besitzer es nicht nöthig zu haben meynt zurückzukommen, sondern sie zu Grunde legt und sie aussprechen zu können glaubt, so wie durch sie richten und absprechen. Von dieser Seite thut es beson- ders Noth, dass wieder ein ernsthafftes Ge- schäffte aus dem Philosophiren gemacht werde. Von allen Wissenschaften, Künsten, Geschick- lichkeiten, Handwerken gilt die Ueberzeugung, dass, um sie zu besitzen, eine vielfache Be- mühung des Erlernens und Uebens derselben nöthig ist. In Ansehung der Philosophie dage- gen scheint itzt das Vorurtheil zu herrschen, dass, wenn zwar jeder Augen und Finger hat, und wenn er Leder und Werkzeug bekommt, er darum nicht im Stande sey, Schuhe zu ma- chen, -- jeder doch unmittelbar zu philofo- phiren, und die Philosophie zu beurtheilen ver-
philoſophiſchen Vortrags ſelbſt vermehrt, und verringert werden können. Die Darſtellung muſs, der Einſicht in die Natur des Speculati- ven getreu, die dialektiſche Form behalten und nichts hereinnehmen, als in ſo fern es begriffen wird und der Begriff iſt.
So ſehr als das räſonnirende Verhalten, iſt dem Studium der Philoſophie die nicht rä- ſonnirende Einbildung auf ausgemachte Wahr- heiten hinderlich, auf welche der Beſitzer es nicht nöthig zu haben meynt zurückzukommen, ſondern ſie zu Grunde legt und ſie ausſprechen zu können glaubt, ſo wie durch ſie richten und abſprechen. Von dieſer Seite thut es beſon- ders Noth, daſs wieder ein ernſthafftes Ge- ſchäffte aus dem Philoſophiren gemacht werde. Von allen Wiſſenſchaften, Künſten, Geſchick- lichkeiten, Handwerken gilt die Ueberzeugung, daſs, um ſie zu beſitzen, eine vielfache Be- mühung des Erlernens und Uebens derſelben nöthig iſt. In Anſehung der Philoſophie dage- gen ſcheint itzt das Vorurtheil zu herrſchen, daſs, wenn zwar jeder Augen und Finger hat, und wenn er Leder und Werkzeug bekommt, er darum nicht im Stande ſey, Schuhe zu ma- chen, — jeder doch unmittelbar zu philofo- phiren, und die Philoſophie zu beurtheilen ver-
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[LXXXIII/0098]
philoſophiſchen Vortrags ſelbſt vermehrt, und
verringert werden können. Die Darſtellung
muſs, der Einſicht in die Natur des Speculati-
ven getreu, die dialektiſche Form behalten und
nichts hereinnehmen, als in ſo fern es begriffen
wird und der Begriff iſt.
So ſehr als das räſonnirende Verhalten,
iſt dem Studium der Philoſophie die nicht rä-
ſonnirende Einbildung auf ausgemachte Wahr-
heiten hinderlich, auf welche der Beſitzer es
nicht nöthig zu haben meynt zurückzukommen,
ſondern ſie zu Grunde legt und ſie ausſprechen
zu können glaubt, ſo wie durch ſie richten und
abſprechen. Von dieſer Seite thut es beſon-
ders Noth, daſs wieder ein ernſthafftes Ge-
ſchäffte aus dem Philoſophiren gemacht werde.
Von allen Wiſſenſchaften, Künſten, Geſchick-
lichkeiten, Handwerken gilt die Ueberzeugung,
daſs, um ſie zu beſitzen, eine vielfache Be-
mühung des Erlernens und Uebens derſelben
nöthig iſt. In Anſehung der Philoſophie dage-
gen ſcheint itzt das Vorurtheil zu herrſchen,
daſs, wenn zwar jeder Augen und Finger hat,
und wenn er Leder und Werkzeug bekommt,
er darum nicht im Stande ſey, Schuhe zu ma-
chen, — jeder doch unmittelbar zu philofo-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXXXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/98>, abgerufen am 22.11.2024.
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