halte auch nicht ärmer. Die reinen Begriffe der Wis- senschaft in dieser Form von Gestalten des Bewusst- seyns zu erkennen, macht die Seite ihrer Realität aus, nach welcher ihr Wesen, der Begriff, der in ihr in seiner einfachen Vermittlung als Denken gesetzt ist, die Momente dieser Vermittlung auseinanderschlägt und nach dem innern Gegensatze sich darstellt.
Die Wissenschaft enthält in ihr selbst diese Noth- wendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu ent- äussern und den Uebergang des Begriffes ins Bewusst- seyn. Denn der sich selbst wissende Geist, ebendarum dass er seinen Begriff erfasst, ist er die unmittelbare Gleichheit mit sich selbst, welche in ihrem Unterschie- de die Gewissheit vom Unmittelbaren ist, oder das sinnli- che Bewusstseyn, -- der Anfang, von dem wir ausge- gangen; dieses Entlassen seiner aus der Form seines Selbsts ist die höchste Freyheit und Sicherheit seines Wissens von sich.
Doch ist diese Entäusserung noch unvollkommen; sie drückt die Beziehung der Gewissheit seiner selbst auf den Gegenstand aus, der eben darin, dass er in der Beziehung ist, seine völlige Freyheit nicht gewonnen hat. Das Wissen kennt nicht nur sich, sondern auch das negative seiner selbst, oder seine Gräntze. Seine Gräntze wissen, heisst sich aufzuopfern wissen. Diese Aufopferung ist die Entäusserung, in welcher der Geist sein Werden zum Geiste, in der Form des freyen zufäl- ligen Geschehens darstellt, sein reines Selbst, als die Zeit ausser ihm, und ebenso sein Seyn als Raum anschauend. Dieses sein letzteres Werden, die Natur, ist sein le-
halte auch nicht ärmer. Die reinen Begriffe der Wis- senschaft in dieser Form von Geſtalten des Bewuſst- seyns zu erkennen, macht die Seite ihrer Realität aus, nach welcher ihr Wesen, der Begriff, der in ihr in seiner einfachen Vermittlung als Denken gesetzt ist, die Momente dieser Vermittlung auseinanderſchlägt und nach dem innern Gegensatze sich darſtellt.
Die Wiſſenſchaft enthält in ihr selbſt diese Noth- wendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu ent- äuſſern und den Uebergang des Begriffes ins Bewuſst- ſeyn. Denn der sich selbſt wiſſende Geiſt, ebendarum daſs er seinen Begriff erfaſst, ist er die unmittelbare Gleichheit mit sich selbſt, welche in ihrem Unterschie- de die Gewiſsheit vom Unmittelbaren iſt, oder das sinnli- che Bewuſstseyn, — der Anfang, von dem wir ausge- gangen; dieses Entlaſſen seiner aus der Form seines Selbſts iſt die höchste Freyheit und Sicherheit seines Wiſſens von sich.
Doch ist diese Entäuſſerung noch unvollkommen; sie drückt die Beziehung der Gewiſsheit seiner selbſt auf den Gegenſtand aus, der eben darin, daſs er in der Beziehung ist, seine völlige Freyheit nicht gewonnen hat. Das Wiſſen kennt nicht nur sich, sondern auch das negative seiner selbſt, oder seine Gräntze. Seine Gräntze wiſſen, heiſst sich aufzuopfern wiſſen. Diese Aufopferung iſt die Entäuſſerung, in welcher der Geiſt sein Werden zum Geiſte, in der Form des freyen zufäl- ligen Geschehens darſtellt, sein reines Selbſt, als die Zeit auſſer ihm, und ebenso sein Seyn als Raum anschauend. Dieses sein letzteres Werden, die Natur, iſt sein le-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0872"n="763"/>
halte auch nicht ärmer. Die reinen Begriffe der Wis-<lb/>
senschaft in dieser Form von Geſtalten des Bewuſst-<lb/>
seyns zu erkennen, macht die Seite ihrer Realität aus,<lb/>
nach welcher ihr Wesen, der Begriff, der in ihr in<lb/>
seiner <hirendition="#i">einfachen</hi> Vermittlung als <hirendition="#i">Denken</hi> gesetzt ist, die<lb/>
Momente dieser Vermittlung auseinanderſchlägt und<lb/>
nach dem innern Gegensatze sich darſtellt.</p><lb/><p>Die Wiſſenſchaft enthält in ihr selbſt diese Noth-<lb/>
wendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu ent-<lb/>
äuſſern und den Uebergang des Begriffes ins <hirendition="#i">Bewuſst-<lb/>ſeyn</hi>. Denn der sich selbſt wiſſende Geiſt, ebendarum<lb/>
daſs er seinen Begriff erfaſst, ist er die unmittelbare<lb/>
Gleichheit mit sich selbſt, welche in ihrem Unterschie-<lb/>
de die <hirendition="#i">Gewiſsheit vom Unmittelbaren</hi> iſt, oder das <hirendition="#i">sinnli-<lb/>
che Bewuſstseyn</hi>, — der Anfang, von dem wir ausge-<lb/>
gangen; dieses Entlaſſen seiner aus der Form seines<lb/>
Selbſts iſt die höchste Freyheit und Sicherheit seines<lb/>
Wiſſens von sich.</p><lb/><p>Doch ist diese Entäuſſerung noch unvollkommen;<lb/>
sie drückt die <hirendition="#i">Beziehung</hi> der Gewiſsheit seiner selbſt<lb/>
auf den Gegenſtand aus, der eben darin, daſs er in der<lb/>
Beziehung ist, seine völlige Freyheit nicht gewonnen<lb/>
hat. Das Wiſſen kennt nicht nur sich, sondern auch<lb/>
das negative seiner selbſt, oder seine Gräntze. Seine<lb/>
Gräntze wiſſen, heiſst sich aufzuopfern wiſſen. Diese<lb/>
Aufopferung iſt die Entäuſſerung, in welcher der Geiſt<lb/>
sein Werden zum Geiſte, in der Form des <hirendition="#i">freyen zufäl-<lb/>
ligen Geschehens</hi> darſtellt, sein reines <hirendition="#i">Selbſt</hi>, als <hirendition="#i">die Zeit</hi><lb/>
auſſer ihm, und ebenso sein <hirendition="#i">Seyn</hi> als Raum anschauend.<lb/>
Dieses sein letzteres Werden, <hirendition="#i">die Natur</hi>, iſt sein le-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[763/0872]
halte auch nicht ärmer. Die reinen Begriffe der Wis-
senschaft in dieser Form von Geſtalten des Bewuſst-
seyns zu erkennen, macht die Seite ihrer Realität aus,
nach welcher ihr Wesen, der Begriff, der in ihr in
seiner einfachen Vermittlung als Denken gesetzt ist, die
Momente dieser Vermittlung auseinanderſchlägt und
nach dem innern Gegensatze sich darſtellt.
Die Wiſſenſchaft enthält in ihr selbſt diese Noth-
wendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu ent-
äuſſern und den Uebergang des Begriffes ins Bewuſst-
ſeyn. Denn der sich selbſt wiſſende Geiſt, ebendarum
daſs er seinen Begriff erfaſst, ist er die unmittelbare
Gleichheit mit sich selbſt, welche in ihrem Unterschie-
de die Gewiſsheit vom Unmittelbaren iſt, oder das sinnli-
che Bewuſstseyn, — der Anfang, von dem wir ausge-
gangen; dieses Entlaſſen seiner aus der Form seines
Selbſts iſt die höchste Freyheit und Sicherheit seines
Wiſſens von sich.
Doch ist diese Entäuſſerung noch unvollkommen;
sie drückt die Beziehung der Gewiſsheit seiner selbſt
auf den Gegenſtand aus, der eben darin, daſs er in der
Beziehung ist, seine völlige Freyheit nicht gewonnen
hat. Das Wiſſen kennt nicht nur sich, sondern auch
das negative seiner selbſt, oder seine Gräntze. Seine
Gräntze wiſſen, heiſst sich aufzuopfern wiſſen. Diese
Aufopferung iſt die Entäuſſerung, in welcher der Geiſt
sein Werden zum Geiſte, in der Form des freyen zufäl-
ligen Geschehens darſtellt, sein reines Selbſt, als die Zeit
auſſer ihm, und ebenso sein Seyn als Raum anschauend.
Dieses sein letzteres Werden, die Natur, iſt sein le-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 763. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/872>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.