Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

digkeit des Denkens, und diese findet durch die Bewe-
gung des skeptischen Bewusstseyns hindurchgehend,
seine Wahrheit in derjenigen Gestalt, die das unglück-
liche Selbstbewusstseyn
genannt wurde.

Dieses weiss, welche Bewandnisses mit dem wirk-
lichen Gelten der abstracten Person und ebenso mit
dem Gelten derselben in dem reinen Gedanken hat.
Es weiss ein solches Gelten vielmehr als den voll-
kommnen Verlust, es selbst ist dieser seiner bewuss-
te Verlust und die Entäusserung seines Wissens von
sich. -- Wir sehen, dass diss unglückliche Bewusst-
seyn die Gegenseite und Vervollständigung des in
sich vollkommen glücklichen, des komischen Be-
wusstseyns ausmacht. In das letztere geht alles gött-
liche Wesen zurück, oder es ist die vollkommne
Entäusserung der Substanz. Jenes hingegen ist umge-
kehrt, das tragische Schicksal der an und fürsich-
seyn sollenden Gewissheit seiner selbst. Es ist das Be-
wusstseyn des Verlustes aller Wesenheit in dieser Ge-
wissheit
seiner und des Verlustes eben dieses Wis-
sens von sich -- der Substanz wie des Selbsts, es ist
der Schmerz, der sich als das harte Wort ausspricht,
dass Gott gestorben ist.

In dem Rechtszustande ist also die sittliche Welt
und die Religiou derselben in dem komischen Be-
wusstseyn versunken, und das unglückliche das Wis-
sen dieses ganzen Verlusts. Sowohl der Selbstwerth
seiner unmittelbaren Persönlichkeit, ist ihm verlo-
ren, als seiner vermittelten, der gedachten. Ebenso

digkeit des Denkens, und diese findet durch die Bewe-
gung des skeptischen Bewuſstseyns hindurchgehend,
seine Wahrheit in derjenigen Geſtalt, die das unglück-
liche Selbſtbewuſstseyn
genannt wurde.

Dieses weiſs, welche Bewandniſſes mit dem wirk-
lichen Gelten der abſtracten Person und ebenso mit
dem Gelten derselben in dem reinen Gedanken hat.
Es weiſs ein solches Gelten vielmehr als den voll-
kommnen Verluſt, es selbſt iſt dieser seiner bewuſs-
te Verluſt und die Entäuſſerung seines Wiſſens von
sich. — Wir sehen, daſs diſs unglückliche Bewuſst-
seyn die Gegenseite und Vervollſtändigung des in
sich vollkommen glücklichen, des komischen Be-
wuſstſeyns ausmacht. In das letztere geht alles gött-
liche Wesen zurück, oder es ist die vollkommne
Entäuſſerung der Subſtanz. Jenes hingegen ist umge-
kehrt, das tragische Schicksal der an und fürsich-
seyn sollenden Gewiſsheit seiner selbſt. Es iſt das Be-
wuſstseyn des Verluſtes aller Wesenheit in dieser Ge-
wiſsheit
seiner und des Verluſtes eben dieses Wis-
sens von sich — der Subſtanz wie des Selbſts, es iſt
der Schmerz, der sich als das harte Wort ausspricht,
daſs Gott geſtorben iſt.

In dem Rechtszuſtande iſt also die sittliche Welt
und die Religiou derselben in dem komischen Be-
wuſstseyn versunken, und das unglückliche das Wis-
sen dieses ganzen Verluſts. Sowohl der Selbſtwerth
seiner unmittelbaren Persönlichkeit, iſt ihm verlo-
ren, als seiner vermittelten, der gedachten. Ebenso

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0811" n="702"/>
digkeit</hi> des <hi rendition="#i">Denkens</hi>, und diese findet durch die Bewe-<lb/>
gung des skeptischen Bewu&#x017F;stseyns hindurchgehend,<lb/>
seine Wahrheit in derjenigen Ge&#x017F;talt, die das <hi rendition="#i">unglück-<lb/>
liche Selb&#x017F;tbewu&#x017F;stseyn</hi> genannt wurde.</p><lb/>
            <p>Dieses wei&#x017F;s, welche Bewandni&#x017F;&#x017F;es mit dem wirk-<lb/>
lichen Gelten der ab&#x017F;tracten Person und ebenso mit<lb/>
dem Gelten derselben in dem reinen Gedanken hat.<lb/>
Es wei&#x017F;s ein solches Gelten vielmehr als den voll-<lb/>
kommnen Verlu&#x017F;t, es selb&#x017F;t i&#x017F;t dieser seiner bewu&#x017F;s-<lb/>
te Verlu&#x017F;t und die Entäu&#x017F;&#x017F;erung seines Wi&#x017F;&#x017F;ens von<lb/>
sich. &#x2014; Wir sehen, da&#x017F;s di&#x017F;s unglückliche Bewu&#x017F;st-<lb/>
seyn die Gegenseite und Vervoll&#x017F;tändigung des in<lb/>
sich vollkommen glücklichen, des komischen Be-<lb/>
wu&#x017F;st&#x017F;eyns ausmacht. In das letztere geht alles gött-<lb/>
liche Wesen zurück, oder es ist die vollkommne<lb/><hi rendition="#i">Entäu&#x017F;&#x017F;erung</hi> der <hi rendition="#i">Sub&#x017F;tanz</hi>. Jenes hingegen ist umge-<lb/>
kehrt, das tragische Schicksal der an und fürsich-<lb/>
seyn sollenden <hi rendition="#i">Gewi&#x017F;sheit seiner selb&#x017F;t</hi>. Es i&#x017F;t das Be-<lb/>
wu&#x017F;stseyn des Verlu&#x017F;tes aller <hi rendition="#i">Wesenheit</hi> in <hi rendition="#i">dieser Ge-<lb/>
wi&#x017F;sheit</hi> seiner und des Verlu&#x017F;tes eben dieses Wis-<lb/>
sens von sich &#x2014; der Sub&#x017F;tanz wie des Selb&#x017F;ts, es i&#x017F;t<lb/>
der Schmerz, der sich als das harte Wort ausspricht,<lb/><hi rendition="#i">da&#x017F;s Gott ge&#x017F;torben i&#x017F;t</hi>.</p><lb/>
            <p>In dem Rechtszu&#x017F;tande i&#x017F;t also die sittliche Welt<lb/>
und die Religiou derselben in dem komischen Be-<lb/>
wu&#x017F;stseyn versunken, und das unglückliche das Wis-<lb/>
sen dieses <hi rendition="#i">ganzen</hi> Verlu&#x017F;ts. Sowohl der Selb&#x017F;twerth<lb/>
seiner unmittelbaren Persönlichkeit, i&#x017F;t ihm verlo-<lb/>
ren, als seiner vermittelten, der <hi rendition="#i">gedachten</hi>. Ebenso<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[702/0811] digkeit des Denkens, und diese findet durch die Bewe- gung des skeptischen Bewuſstseyns hindurchgehend, seine Wahrheit in derjenigen Geſtalt, die das unglück- liche Selbſtbewuſstseyn genannt wurde. Dieses weiſs, welche Bewandniſſes mit dem wirk- lichen Gelten der abſtracten Person und ebenso mit dem Gelten derselben in dem reinen Gedanken hat. Es weiſs ein solches Gelten vielmehr als den voll- kommnen Verluſt, es selbſt iſt dieser seiner bewuſs- te Verluſt und die Entäuſſerung seines Wiſſens von sich. — Wir sehen, daſs diſs unglückliche Bewuſst- seyn die Gegenseite und Vervollſtändigung des in sich vollkommen glücklichen, des komischen Be- wuſstſeyns ausmacht. In das letztere geht alles gött- liche Wesen zurück, oder es ist die vollkommne Entäuſſerung der Subſtanz. Jenes hingegen ist umge- kehrt, das tragische Schicksal der an und fürsich- seyn sollenden Gewiſsheit seiner selbſt. Es iſt das Be- wuſstseyn des Verluſtes aller Wesenheit in dieser Ge- wiſsheit seiner und des Verluſtes eben dieses Wis- sens von sich — der Subſtanz wie des Selbſts, es iſt der Schmerz, der sich als das harte Wort ausspricht, daſs Gott geſtorben iſt. In dem Rechtszuſtande iſt also die sittliche Welt und die Religiou derselben in dem komischen Be- wuſstseyn versunken, und das unglückliche das Wis- sen dieses ganzen Verluſts. Sowohl der Selbſtwerth seiner unmittelbaren Persönlichkeit, iſt ihm verlo- ren, als seiner vermittelten, der gedachten. Ebenso

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/811
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/811>, abgerufen am 19.05.2024.