Hauptsache hinzuzufügen überlässt der formelle Verstand den Andern. -- Statt in den imma- nenten Inhalt der Sache einzugehen, übersieht er immer das Ganze, und steht über dem ein- zelnen Daseyn, von dem er spricht, das heisst, er sieht es gar nicht. Das wissenschafftliche Erkennen erfodert aber vielmehr, sich dem Leben des Gegenstandes zu übergeben, oder was dasselbe ist, die innere Nothwendigkeit des- selben vor sich zu haben und auszusprechen. Sich so in seinen Gegenstand vertieffend, ver- gisst es jener Uebersicht, welche nur die Re- flexion des Wissens aus dem Inhalte in sich selbst ist. Aber in die Materie versenkt und in deren Bewegung fortgehend, kommt es in sich selbst zurück, aber nicht eher als darin dass die Erfüllung oder der Inhalt sich in sich zu- rücknimmt, zur Bestimmtheit vereinfacht, sich selbst zu Einer Seite eines Daseyns herabsetzt, und in seine höhere Wahrheit übergeht. Da- durch emergirt das einfache sich übersehende Ganze selbst aus dem Reichthume, worin sei- ne Reflexion verloren schien.
Dadurch überhaupt, dass wie es oben aus- gedrückt wurde, die Substanz an ihr selbst Sub- ject ist, ist aller Inhalt seine eigene Reflexion in sich. Das Bestehen oder die Substanz eines
Hauptſache hinzuzufügen überläſst der formelle Verſtand den Andern. — Statt in den imma- nenten Inhalt der Sache einzugehen, überſieht er immer das Ganze, und ſteht über dem ein- zelnen Daſeyn, von dem er ſpricht, das heiſst, er ſieht es gar nicht. Das wiſſenſchafftliche Erkennen erfodert aber vielmehr, ſich dem Leben des Gegenſtandes zu übergeben, oder was daſſelbe iſt, die innere Nothwendigkeit deſ- ſelben vor ſich zu haben und auszuſprechen. Sich ſo in ſeinen Gegenſtand vertieffend, ver- giſst es jener Ueberſicht, welche nur die Re- flexion des Wiſſens aus dem Inhalte in ſich ſelbſt iſt. Aber in die Materie verſenkt und in deren Bewegung fortgehend, kommt es in ſich ſelbſt zurück, aber nicht eher als darin daſs die Erfüllung oder der Inhalt ſich in ſich zu- rücknimmt, zur Beſtimmtheit vereinfacht, ſich ſelbſt zu Einer Seite eines Daſeyns herabſetzt, und in ſeine höhere Wahrheit übergeht. Da- durch emergirt das einfache ſich überſehende Ganze ſelbſt aus dem Reichthume, worin ſei- ne Reflexion verloren ſchien.
Dadurch überhaupt, daſs wie es oben aus- gedrückt wurde, die Subſtanz an ihr ſelbſt Sub- ject iſt, iſt aller Inhalt ſeine eigene Reflexion in ſich. Das Beſtehen oder die Subſtanz eines
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[LXVI/0081]
Hauptſache hinzuzufügen überläſst der formelle
Verſtand den Andern. — Statt in den imma-
nenten Inhalt der Sache einzugehen, überſieht
er immer das Ganze, und ſteht über dem ein-
zelnen Daſeyn, von dem er ſpricht, das heiſst,
er ſieht es gar nicht. Das wiſſenſchafftliche
Erkennen erfodert aber vielmehr, ſich dem
Leben des Gegenſtandes zu übergeben, oder
was daſſelbe iſt, die innere Nothwendigkeit deſ-
ſelben vor ſich zu haben und auszuſprechen.
Sich ſo in ſeinen Gegenſtand vertieffend, ver-
giſst es jener Ueberſicht, welche nur die Re-
flexion des Wiſſens aus dem Inhalte in ſich
ſelbſt iſt. Aber in die Materie verſenkt und in
deren Bewegung fortgehend, kommt es in ſich
ſelbſt zurück, aber nicht eher als darin daſs
die Erfüllung oder der Inhalt ſich in ſich zu-
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und in ſeine höhere Wahrheit übergeht. Da-
durch emergirt das einfache ſich überſehende
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ne Reflexion verloren ſchien.
Dadurch überhaupt, daſs wie es oben aus-
gedrückt wurde, die Subſtanz an ihr ſelbſt Sub-
ject iſt, iſt aller Inhalt ſeine eigene Reflexion
in ſich. Das Beſtehen oder die Subſtanz eines
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/81>, abgerufen am 24.11.2024.
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