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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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ten Götter, in welche das Lichtwesen, mit der Fin-
sterniss zeugend, sich zunächst besondert, der Him-
mel, die Erde, der Ocean, die Sonne, das blinde
typhonische Feuer der Erde u. s. f. sind durch Ge-
stalten ersetzt, die an ihnen nur noch den dunkel
erinnernden Anklang an jene Titanen haben, und
nicht mehr Naturwesen, sondern klare sittliche Gei-
ster der selbstbewussten Völker sind.

Diese einfache Gestalt hat also die Unruhe der
unendlichen Vereinzelung -- ihrer sowohl als des
Naturelements, das nur als allgemeines Wesen noth-
wendig, in seinem Daseyn und Bewegung aber sich
zufällig verhält, -- wie ihrer als des Volks, das in
die besondere Massen des Thuns und in die indivi-
duellen Punkte des Selbstbewusstseyns zerstreut ein
Daseyn mannichfaltigen Sinnes und Thuns hat --
an sich vertilgt und in ruhige Individualität zusam-
menbefasst. Es steht ihr daher das Moment der Un-
ruhe, ihr -- dem Wesen das Selbstbewusstseyn gegen-
über, das als die Geburtsstätte derselben für sich nichts
übrig behielt, als die reine Thätigkeit zu seyn. Was
der Substanz angehört, gab der Künstler ganz sei-
nem Werke mit, sich selbst aber als einer bestimm-
ten Individualität in seinem Werke keine Wirklich-
keit; er konnte ihm die Vollendung nur dadurch er-
theilen, dass er seiner Besonderheit sich entäusserte,
und zur Abstraction des reinen Thuns sich entkör-
perte und steigerte. -- In dieser ersten unmittelbaren
Erzeugung ist die Trennung des Werks, und seiner

ten Götter, in welche das Lichtwesen, mit der Fin-
ſterniſs zeugend, ſich zunächſt beſondert, der Him-
mel, die Erde, der Ocean, die Sonne, das blinde
typhoniſche Feuer der Erde u. s. f. ſind durch Ge-
ſtalten erſetzt, die an ihnen nur noch den dunkel
erinnernden Anklang an jene Titanen haben, und
nicht mehr Naturweſen, ſondern klare ſittliche Gei-
ſter der ſelbſtbewuſsten Völker sind.

Dieſe einfache Geſtalt hat alſo die Unruhe der
unendlichen Vereinzelung — ihrer ſowohl als des
Naturelements, das nur als allgemeines Weſen noth-
wendig, in ſeinem Daſeyn und Bewegung aber ſich
zufällig verhält, — wie ihrer als des Volks, das in
die beſondere Maſſen des Thuns und in die indivi-
duellen Punkte des Selbſtbewuſstseyns zerſtreut ein
Daſeyn mannichfaltigen Sinnes und Thuns hat —
an ſich vertilgt und in ruhige Individualität zuſam-
menbefaſst. Es ſteht ihr daher das Moment der Un-
ruhe, ihr — dem Weſen das Selbſtbewuſstſeyn gegen-
über, das als die Geburtsſtätte derſelben für ſich nichts
übrig behielt, als die reine Thätigkeit zu ſeyn. Was
der Subſtanz angehört, gab der Künſtler ganz ſei-
nem Werke mit, ſich ſelbſt aber als einer beſtimm-
ten Individualität in ſeinem Werke keine Wirklich-
keit; er konnte ihm die Vollendung nur dadurch er-
theilen, daſs er ſeiner Beſonderheit ſich entäuſſerte,
und zur Abſtraction des reinen Thuns ſich entkör-
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[658/0767] ten Götter, in welche das Lichtwesen, mit der Fin- ſterniſs zeugend, ſich zunächſt beſondert, der Him- mel, die Erde, der Ocean, die Sonne, das blinde typhoniſche Feuer der Erde u. s. f. ſind durch Ge- ſtalten erſetzt, die an ihnen nur noch den dunkel erinnernden Anklang an jene Titanen haben, und nicht mehr Naturweſen, ſondern klare ſittliche Gei- ſter der ſelbſtbewuſsten Völker sind. Dieſe einfache Geſtalt hat alſo die Unruhe der unendlichen Vereinzelung — ihrer ſowohl als des Naturelements, das nur als allgemeines Weſen noth- wendig, in ſeinem Daſeyn und Bewegung aber ſich zufällig verhält, — wie ihrer als des Volks, das in die beſondere Maſſen des Thuns und in die indivi- duellen Punkte des Selbſtbewuſstseyns zerſtreut ein Daſeyn mannichfaltigen Sinnes und Thuns hat — an ſich vertilgt und in ruhige Individualität zuſam- menbefaſst. Es ſteht ihr daher das Moment der Un- ruhe, ihr — dem Weſen das Selbſtbewuſstſeyn gegen- über, das als die Geburtsſtätte derſelben für ſich nichts übrig behielt, als die reine Thätigkeit zu ſeyn. Was der Subſtanz angehört, gab der Künſtler ganz ſei- nem Werke mit, ſich ſelbſt aber als einer beſtimm- ten Individualität in ſeinem Werke keine Wirklich- keit; er konnte ihm die Vollendung nur dadurch er- theilen, daſs er ſeiner Beſonderheit ſich entäuſſerte, und zur Abſtraction des reinen Thuns ſich entkör- perte und ſteigerte. — In dieſer erſten unmittelbaren Erzeugung iſt die Trennung des Werks, und ſeiner

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/767>, abgerufen am 28.05.2024.