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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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sich selbst ausfüllt und ebendadurch sich als eines hö-
hern fähig zeigt, so weiss das Urtheil ihr Innres
als Ehrbegierde u. s. f. Indem in der Handlung
überhaupt das Handelnde zur Anschauung seiner selbst
in der Gegenständlichkeit, oder zum Selbstgefühl sei-
ner in seinem Daseyn und also zum Genusse ge-
langt; so weiss das Urtheil das Innre als Trieb nach
eigner Glückseligdeit, bestünde sie auch nur in der
innern moralischen Eitelkeit, dem Genusse des Be-
wusstseyns der eignen Vortrefflichkeit, und dem Vor-
schmacke der Hoffnung einer künftigen Glückselig-
keit. -- Es kann sich keine Handlung solchem Beur-
theilen entziehen, denn die Pflicht um der Pflicht
willen, dieser reine Zweck, ist das unwirkliche; sei-
ne Wirklichkeit hat er in dem Thun der Individua-
lität, und die Handlung dadurch die Seite der Be-
sondernheit an ihr. -- Es gibt keinen Helden für den
Kammerdiener; nicht aber weil jener nicht ein Held,
sondern weil dieser -- der Kammerdiener ist, mit
welchem jener nicht als Held, sondern als essender,
trinkender, sich kleidender, überhaupt in der Ein-
zelnheit des Bedürfnisses und der Vorstellung zu thun
hat. So gibt es für das Beurtheilen keine Handlung,
in welcher es nicht die Seite der Einzelnheit der In-
dividualität, der allgemeinen Seite der Handlung ent-
gegensetzen, und gegen den Handelnden den Kam-
merdiener der Moralität machen könnte.

Diss beurtheilende Bewusstseyn ist hiemit selbst
niederträchtig, weil es die Handlung theilt, und ihre

ſich ſelbſt ausfüllt und ebendadurch ſich als eines hö-
hern fähig zeigt, ſo weiſs das Urtheil ihr Innres
als Ehrbegierde u. ſ. f. Indem in der Handlung
überhaupt das Handelnde zur Anſchauung ſeiner ſelbſt
in der Gegenſtändlichkeit, oder zum Selbſtgefühl ſei-
ner in ſeinem Daseyn und also zum Genuſſe ge-
langt; ſo weiſs das Urtheil das Innre als Trieb nach
eigner Glückſeligdeit, beſtünde ſie auch nur in der
innern moralischen Eitelkeit, dem Genuſſe des Be-
wuſstſeyns der eignen Vortrefflichkeit, und dem Vor-
schmacke der Hoffnung einer künftigen Glückselig-
keit. — Es kann ſich keine Handlung ſolchem Beur-
theilen entziehen, denn die Pflicht um der Pflicht
willen, dieser reine Zweck, iſt das unwirkliche; ſei-
ne Wirklichkeit hat er in dem Thun der Individua-
lität, und die Handlung dadurch die Seite der Be-
sondernheit an ihr. — Es gibt keinen Helden für den
Kammerdiener; nicht aber weil jener nicht ein Held,
ſondern weil dieser — der Kammerdiener iſt, mit
welchem jener nicht als Held, ſondern als eſſender,
trinkender, ſich kleidender, überhaupt in der Ein-
zelnheit des Bedürfniſſes und der Vorſtellung zu thun
hat. So gibt es für das Beurtheilen keine Handlung,
in welcher es nicht die Seite der Einzelnheit der In-
dividualität, der allgemeinen Seite der Handlung ent-
gegensetzen, und gegen den Handelnden den Kam-
merdiener der Moralität machen könnte.

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niederträchtig, weil es die Handlung theilt, und ihre

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[616/0725] ſich ſelbſt ausfüllt und ebendadurch ſich als eines hö- hern fähig zeigt, ſo weiſs das Urtheil ihr Innres als Ehrbegierde u. ſ. f. Indem in der Handlung überhaupt das Handelnde zur Anſchauung ſeiner ſelbſt in der Gegenſtändlichkeit, oder zum Selbſtgefühl ſei- ner in ſeinem Daseyn und also zum Genuſſe ge- langt; ſo weiſs das Urtheil das Innre als Trieb nach eigner Glückſeligdeit, beſtünde ſie auch nur in der innern moralischen Eitelkeit, dem Genuſſe des Be- wuſstſeyns der eignen Vortrefflichkeit, und dem Vor- schmacke der Hoffnung einer künftigen Glückselig- keit. — Es kann ſich keine Handlung ſolchem Beur- theilen entziehen, denn die Pflicht um der Pflicht willen, dieser reine Zweck, iſt das unwirkliche; ſei- ne Wirklichkeit hat er in dem Thun der Individua- lität, und die Handlung dadurch die Seite der Be- sondernheit an ihr. — Es gibt keinen Helden für den Kammerdiener; nicht aber weil jener nicht ein Held, ſondern weil dieser — der Kammerdiener iſt, mit welchem jener nicht als Held, ſondern als eſſender, trinkender, ſich kleidender, überhaupt in der Ein- zelnheit des Bedürfniſſes und der Vorſtellung zu thun hat. So gibt es für das Beurtheilen keine Handlung, in welcher es nicht die Seite der Einzelnheit der In- dividualität, der allgemeinen Seite der Handlung ent- gegensetzen, und gegen den Handelnden den Kam- merdiener der Moralität machen könnte. Diſs beurtheilende Bewuſstseyn iſt hiemit ſelbſt niederträchtig, weil es die Handlung theilt, und ihre

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/725>, abgerufen am 19.05.2024.