deln eintritt. Es bleibt in der Allgemeinheit des Gedankens, verhält sich als auffassendes, und seine erste Handlung ist nur das Urtheil. -- Durch diss Urtheil stellt es sich nun, wie so eben bemerkt wurde, neben das Erste, und dieses kommt durch diese Gleichheit zur Anschauung seiner selbst in diesem andern Bewusst- seyn. Denn das Bewusstseyn der Pflicht verhält sich auffassend, passiv; es ist aber hiedurch im Widerspru- che mit sich als dem absoluten Willen der Pflicht, mit sich, dem schlechthin aus sich selbst bestimmen- den. Es hat gut sich in der Reinheit bewahren, denn es handelt nicht; es ist die Heucheley, die das Urtheilen für wirkliche That genommen wissen will, und statt durch Handlung, durch das Aussprechen vortreffli- cher Gesinnungen die Rechtschaffenheit beweisst. Es ist also ganz so beschaffen wie dasjenige, dem der Vorwurf gemacht wird, dass es nur in seine Rede die Pflicht legt. In beyden ist die Seite der Wirk- lichkeit gleich unterschieden von der Rede, in dem einen durch den eigennützigen Zweck der Handlung, in dem andern durch das Fehlen des Handelns über- haupt, dessen Nothwendigkeit in dem Sprechen von der Pflicht selbst liegt, denn diese hat ohne That gar keine Bedeutung.
Das Urtheilen ist aber auch als positive Hand- lung des Gedankens zu betrachten und hat einen po- sitiven Inhalt; durch diese Seite wird der Wider- spruch, der in dem auffassenden Bewusstseyn vorhan- den ist, und seine Gleichheit mit dem Ersten noch
deln eintritt. Es bleibt in der Allgemeinheit des Gedankens, verhält ſich als auffaſſendes, und ſeine erſte Handlung iſt nur das Urtheil. — Durch diſs Urtheil ſtellt es ſich nun, wie ſo eben bemerkt wurde, neben das Erſte, und dieſes kommt durch dieſe Gleichheit zur Anſchauung ſeiner ſelbſt in dieſem andern Bewuſst- seyn. Denn das Bewuſstſeyn der Pflicht verhält ſich auffaſſend, paſſiv; es iſt aber hiedurch im Widerſpru- che mit ſich als dem abſoluten Willen der Pflicht, mit ſich, dem ſchlechthin aus ſich ſelbſt beſtimmen- den. Es hat gut ſich in der Reinheit bewahren, denn es handelt nicht; es iſt die Heucheley, die das Urtheilen für wirkliche That genommen wiſſen will, und ſtatt durch Handlung, durch das Ausſprechen vortreffli- cher Geſinnungen die Rechtſchaffenheit beweiſst. Es iſt alſo ganz ſo beſchaffen wie dasjenige, dem der Vorwurf gemacht wird, daſs es nur in ſeine Rede die Pflicht legt. In beyden iſt die Seite der Wirk- lichkeit gleich unterſchieden von der Rede, in dem einen durch den eigennützigen Zweck der Handlung, in dem andern durch das Fehlen des Handelns über- haupt, deſſen Nothwendigkeit in dem Sprechen von der Pflicht ſelbſt liegt, denn dieſe hat ohne That gar keine Bedeutung.
Das Urtheilen iſt aber auch als poſitive Hand- lung des Gedankens zu betrachten und hat einen po- ſitiven Inhalt; durch dieſe Seite wird der Wider- ſpruch, der in dem auffaſſenden Bewuſstseyn vorhan- den iſt, und ſeine Gleichheit mit dem Erſten noch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0723"n="614"/>
deln eintritt. Es bleibt in der Allgemeinheit des<lb/><hirendition="#i">Gedankens</hi>, verhält ſich als <hirendition="#i">auffaſſendes</hi>, und ſeine erſte<lb/>
Handlung iſt nur das Urtheil. — Durch diſs Urtheil<lb/>ſtellt es ſich nun, wie ſo eben bemerkt wurde, <hirendition="#i">neben</hi><lb/>
das Erſte, und dieſes kommt <hirendition="#i">durch dieſe Gleichheit</hi> zur<lb/>
Anſchauung ſeiner ſelbſt in dieſem andern Bewuſst-<lb/>
seyn. Denn das Bewuſstſeyn der Pflicht verhält ſich<lb/><hirendition="#i">auffaſſend, paſſiv</hi>; es iſt aber hiedurch im Widerſpru-<lb/>
che mit ſich als dem abſoluten Willen der Pflicht,<lb/>
mit ſich, dem ſchlechthin aus ſich ſelbſt beſtimmen-<lb/>
den. Es hat gut ſich in der Reinheit bewahren, denn es<lb/><hirendition="#i">handelt nicht</hi>; es iſt die Heucheley, die das Urtheilen<lb/>
für <hirendition="#i">wirkliche</hi> That genommen wiſſen will, und ſtatt<lb/>
durch Handlung, durch das Ausſprechen vortreffli-<lb/>
cher Geſinnungen die Rechtſchaffenheit beweiſst. Es<lb/>
iſt alſo ganz ſo beſchaffen wie dasjenige, dem der<lb/>
Vorwurf gemacht wird, daſs es nur in ſeine Rede<lb/>
die Pflicht legt. In beyden iſt die Seite der Wirk-<lb/>
lichkeit gleich unterſchieden von der Rede, in dem<lb/>
einen durch den <hirendition="#i">eigennützigen Zweck</hi> der Handlung,<lb/>
in dem andern durch das <hirendition="#i">Fehlen des Handelns</hi> über-<lb/>
haupt, deſſen Nothwendigkeit in dem Sprechen von<lb/>
der Pflicht ſelbſt liegt, denn dieſe hat ohne That gar<lb/>
keine Bedeutung.</p><lb/><p>Das Urtheilen iſt aber auch als poſitive Hand-<lb/>
lung des Gedankens zu betrachten und hat einen po-<lb/>ſitiven Inhalt; durch dieſe Seite wird der Wider-<lb/>ſpruch, der in dem auffaſſenden Bewuſstseyn vorhan-<lb/>
den iſt, und ſeine Gleichheit mit dem Erſten noch<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[614/0723]
deln eintritt. Es bleibt in der Allgemeinheit des
Gedankens, verhält ſich als auffaſſendes, und ſeine erſte
Handlung iſt nur das Urtheil. — Durch diſs Urtheil
ſtellt es ſich nun, wie ſo eben bemerkt wurde, neben
das Erſte, und dieſes kommt durch dieſe Gleichheit zur
Anſchauung ſeiner ſelbſt in dieſem andern Bewuſst-
seyn. Denn das Bewuſstſeyn der Pflicht verhält ſich
auffaſſend, paſſiv; es iſt aber hiedurch im Widerſpru-
che mit ſich als dem abſoluten Willen der Pflicht,
mit ſich, dem ſchlechthin aus ſich ſelbſt beſtimmen-
den. Es hat gut ſich in der Reinheit bewahren, denn es
handelt nicht; es iſt die Heucheley, die das Urtheilen
für wirkliche That genommen wiſſen will, und ſtatt
durch Handlung, durch das Ausſprechen vortreffli-
cher Geſinnungen die Rechtſchaffenheit beweiſst. Es
iſt alſo ganz ſo beſchaffen wie dasjenige, dem der
Vorwurf gemacht wird, daſs es nur in ſeine Rede
die Pflicht legt. In beyden iſt die Seite der Wirk-
lichkeit gleich unterſchieden von der Rede, in dem
einen durch den eigennützigen Zweck der Handlung,
in dem andern durch das Fehlen des Handelns über-
haupt, deſſen Nothwendigkeit in dem Sprechen von
der Pflicht ſelbſt liegt, denn dieſe hat ohne That gar
keine Bedeutung.
Das Urtheilen iſt aber auch als poſitive Hand-
lung des Gedankens zu betrachten und hat einen po-
ſitiven Inhalt; durch dieſe Seite wird der Wider-
ſpruch, der in dem auffaſſenden Bewuſstseyn vorhan-
den iſt, und ſeine Gleichheit mit dem Erſten noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/723>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.