Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

ebensosehr heraus und in sich reflectirt, und darin,
dass sie das Ansichseyende nur als ein Seyn für ande-
res
gebraucht, ist vielmehr die eigne Verachtung
desselben und die Darstellung seiner Wesenlosigkeit
für Alle enthalten. Denn was sich als ein äusserli-
ches Werkzeug gebrauchen lässt, zeigt sich als ein
Ding, das keine eigne Schwere in sich hat.

Auch kommt diese Gleichheit weder durch das
einseitige Beharren des bösen Bewusstseyns auf sich,
noch durch das Urtheil des allgemeinen zu Stande. --
Wenn jenes sich gegen das Bewusstseyn der Pflicht
verleugnet, und was dieses für Schlechtigkeit, für
absolute Ungleichheit mit dem Allgemeinen, aussagt,
als ein Handeln nach dem innern Gesetze und Ge-
wissen behauptet, so bleibt in dieser einseitigen Ver-
sicherung der Gleichheit seine Ungleichheit mit dem
Andern, da ja dieses sie nicht glaubt und nicht an-
erkennt. -- Oder da das einseitige Beharren auf Ei-
nem
Extreme sich selbst auflöst, so würde das Böse
sich zwar dadurch als Böses eingestehen, aber darin,
sich unmittelbar aufheben und nicht Heucheley seyn
noch als solche sich entlarven. Es gesteht sich in
der That als Böses durch die Behauptung ein, dass
es, dem anerkannten Allgemeinen entgegengesetzt,
nach seinem innern Gesetze und Gewissen handle. Denn
wäre diss Gesetz und Gewissen nicht das Gesetz sei-
ner Einzelnheit und Willkühr, so wäre es nicht etwas
Innres, Eignes, sondern das allgemein anerkannte.
Wer darum sagt, dass er nach seinem Gesetze und Ge-

ebenſoſehr heraus und in ſich reflectirt, und darin,
daſs ſie das Anſichſeyende nur als ein Seyn für ande-
res
gebraucht, iſt vielmehr die eigne Verachtung
deſſelben und die Darſtellung ſeiner Weſenloſigkeit
für Alle enthalten. Denn was ſich als ein äuſſerli-
ches Werkzeug gebrauchen läſst, zeigt ſich als ein
Ding, das keine eigne Schwere in ſich hat.

Auch kommt dieſe Gleichheit weder durch das
einſeitige Beharren des böſen Bewuſstseyns auf ſich,
noch durch das Urtheil des allgemeinen zu Stande. —
Wenn jenes ſich gegen das Bewuſstseyn der Pflicht
verleugnet, und was dieſes für Schlechtigkeit, für
abſolute Ungleichheit mit dem Allgemeinen, ausſagt,
als ein Handeln nach dem innern Geſetze und Ge-
wiſſen behauptet, ſo bleibt in dieser einſeitigen Ver-
ſicherung der Gleichheit ſeine Ungleichheit mit dem
Andern, da ja dieſes ſie nicht glaubt und nicht an-
erkennt. — Oder da das einſeitige Beharren auf Ei-
nem
Extreme ſich ſelbſt auflöſt, ſo würde das Böſe
ſich zwar dadurch als Böſes eingeſtehen, aber darin,
ſich unmittelbar aufheben und nicht Heucheley ſeyn
noch als ſolche ſich entlarven. Es geſteht ſich in
der That als Böſes durch die Behauptung ein, daſs
es, dem anerkannten Allgemeinen entgegengeſetzt,
nach ſeinem innern Geſetze und Gewiſſen handle. Denn
wäre diſs Geſetz und Gewiſſen nicht das Geſetz ſei-
ner Einzelnheit und Willkühr, ſo wäre es nicht etwas
Innres, Eignes, ſondern das allgemein anerkannte.
Wer darum ſagt, daſs er nach ſeinem Geſetze und Ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0721" n="612"/>
eben&#x017F;o&#x017F;ehr heraus und in &#x017F;ich reflectirt, und darin,<lb/>
da&#x017F;s &#x017F;ie das <hi rendition="#i">An&#x017F;ich</hi>&#x017F;eyende nur als ein <hi rendition="#i">Seyn für ande-<lb/>
res</hi> gebraucht, i&#x017F;t vielmehr die eigne Verachtung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben und die Dar&#x017F;tellung &#x017F;einer We&#x017F;enlo&#x017F;igkeit<lb/>
für Alle enthalten. Denn was &#x017F;ich als ein äu&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
ches Werkzeug gebrauchen lä&#x017F;st, zeigt &#x017F;ich als ein<lb/>
Ding, das keine eigne Schwere in &#x017F;ich hat.</p><lb/>
              <p>Auch kommt die&#x017F;e Gleichheit weder durch das<lb/>
ein&#x017F;eitige Beharren des bö&#x017F;en Bewu&#x017F;stseyns auf &#x017F;ich,<lb/>
noch durch das Urtheil des allgemeinen zu Stande. &#x2014;<lb/>
Wenn jenes &#x017F;ich gegen das Bewu&#x017F;stseyn der Pflicht<lb/>
verleugnet, und was die&#x017F;es für Schlechtigkeit, für<lb/>
ab&#x017F;olute Ungleichheit mit dem Allgemeinen, aus&#x017F;agt,<lb/>
als ein Handeln nach dem innern Ge&#x017F;etze und Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en behauptet, &#x017F;o bleibt in dieser ein&#x017F;eitigen Ver-<lb/>
&#x017F;icherung der Gleichheit &#x017F;eine Ungleichheit mit dem<lb/>
Andern, da ja die&#x017F;es &#x017F;ie nicht glaubt und nicht an-<lb/>
erkennt. &#x2014; Oder da das ein&#x017F;eitige Beharren auf <hi rendition="#i">Ei-<lb/>
nem</hi> Extreme &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t auflö&#x017F;t, &#x017F;o würde das Bö&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ich zwar dadurch als Bö&#x017F;es einge&#x017F;tehen, aber darin,<lb/>
&#x017F;ich <hi rendition="#i">unmittelbar</hi> aufheben und nicht Heucheley &#x017F;eyn<lb/>
noch als &#x017F;olche &#x017F;ich entlarven. Es ge&#x017F;teht &#x017F;ich in<lb/>
der That als Bö&#x017F;es durch die Behauptung ein, da&#x017F;s<lb/>
es, dem anerkannten Allgemeinen entgegenge&#x017F;etzt,<lb/>
nach <hi rendition="#i">&#x017F;einem</hi> innern Ge&#x017F;etze und Gewi&#x017F;&#x017F;en handle. Denn<lb/>
wäre di&#x017F;s Ge&#x017F;etz und Gewi&#x017F;&#x017F;en nicht das Ge&#x017F;etz &#x017F;ei-<lb/>
ner <hi rendition="#i">Einzelnheit</hi> und <hi rendition="#i">Willkühr</hi>, &#x017F;o wäre es nicht etwas<lb/>
Innres, Eignes, &#x017F;ondern das allgemein anerkannte.<lb/>
Wer darum &#x017F;agt, da&#x017F;s er nach <hi rendition="#i">&#x017F;einem</hi> Ge&#x017F;etze und Ge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[612/0721] ebenſoſehr heraus und in ſich reflectirt, und darin, daſs ſie das Anſichſeyende nur als ein Seyn für ande- res gebraucht, iſt vielmehr die eigne Verachtung deſſelben und die Darſtellung ſeiner Weſenloſigkeit für Alle enthalten. Denn was ſich als ein äuſſerli- ches Werkzeug gebrauchen läſst, zeigt ſich als ein Ding, das keine eigne Schwere in ſich hat. Auch kommt dieſe Gleichheit weder durch das einſeitige Beharren des böſen Bewuſstseyns auf ſich, noch durch das Urtheil des allgemeinen zu Stande. — Wenn jenes ſich gegen das Bewuſstseyn der Pflicht verleugnet, und was dieſes für Schlechtigkeit, für abſolute Ungleichheit mit dem Allgemeinen, ausſagt, als ein Handeln nach dem innern Geſetze und Ge- wiſſen behauptet, ſo bleibt in dieser einſeitigen Ver- ſicherung der Gleichheit ſeine Ungleichheit mit dem Andern, da ja dieſes ſie nicht glaubt und nicht an- erkennt. — Oder da das einſeitige Beharren auf Ei- nem Extreme ſich ſelbſt auflöſt, ſo würde das Böſe ſich zwar dadurch als Böſes eingeſtehen, aber darin, ſich unmittelbar aufheben und nicht Heucheley ſeyn noch als ſolche ſich entlarven. Es geſteht ſich in der That als Böſes durch die Behauptung ein, daſs es, dem anerkannten Allgemeinen entgegengeſetzt, nach ſeinem innern Geſetze und Gewiſſen handle. Denn wäre diſs Geſetz und Gewiſſen nicht das Geſetz ſei- ner Einzelnheit und Willkühr, ſo wäre es nicht etwas Innres, Eignes, ſondern das allgemein anerkannte. Wer darum ſagt, daſs er nach ſeinem Geſetze und Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/721
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/721>, abgerufen am 22.11.2024.