Darstellung gehört der Logik an oder ist viel- mehr diese selbst. Denn die Methode ist nichts anderes als der Bau des Ganzen in seiner rei- nen Wesenheit aufgestellt. Von dem hierüber bisher gangbaren aber müssen wir das Bewusst- seyn haben, dass auch das System der sich auf das, was philosophische Methode ist, bezie- henden Vorstellungen, einer verschollenen Bil- dung angehören. -- Wenn diss etwa renommi- stisch oder revolutionär lauten sollte, von wel- chem Tone ich mich entfernt weiss, so ist zu bedenken, dass der wissenschaftliche Staat, den die Mathematik herlieh, -- von Erklärungen, Eintheilungen, Axiomen, Reihen von Theore- men, ihren Beweisen, Grundsätzen und dem Folgern und Schliessen aus ihnen, -- schon in der Meynung selbst wenigstens veraltet ist. Wenn auch seine Untauglichkeit nicht deutlich einge- sehen wird, so wird doch kein oder wenig Ge- brauch mehr davon gemacht, und wenn er nicht an sich gemisbilligt wird, doch nicht geliebt. Und wir müssen das Vorurtheil für das Vor- treffliche haben, dass es sich in den Gebrauch setze, und beliebt mache. Es ist aber nicht schwer einzusehen, dass die Manier, einen Satz aufzustellen, Gründe für ihn anzuführen, und den entgegengesetzten durch Gründe ebenso zu
Darſtellung gehört der Logik an oder iſt viel- mehr dieſe ſelbſt. Denn die Methode iſt nichts anderes als der Bau des Ganzen in ſeiner rei- nen Weſenheit aufgeſtellt. Von dem hierüber bisher gangbaren aber müſſen wir das Bewuſst- ſeyn haben, daſs auch das Syſtem der ſich auf das, was philoſophiſche Methode iſt, bezie- henden Vorſtellungen, einer verſchollenen Bil- dung angehören. — Wenn diſs etwa renommi- ſtiſch oder revolutionär lauten ſollte, von wel- chem Tone ich mich entfernt weiſs, ſo iſt zu bedenken, daſs der wiſſenſchaftliche Staat, den die Mathematik herlieh, — von Erklärungen, Eintheilungen, Axiomen, Reihen von Theore- men, ihren Beweiſen, Grundſätzen und dem Folgern und Schlieſſen aus ihnen, — ſchon in der Meynung ſelbſt wenigſtens veraltet iſt. Wenn auch ſeine Untauglichkeit nicht deutlich einge- ſehen wird, ſo wird doch kein oder wenig Ge- brauch mehr davon gemacht, und wenn er nicht an ſich gemisbilligt wird, doch nicht geliebt. Und wir müſſen das Vorurtheil für das Vor- treffliche haben, daſs es ſich in den Gebrauch ſetze, und beliebt mache. Es iſt aber nicht ſchwer einzuſehen, daſs die Manier, einen Satz aufzuſtellen, Gründe für ihn anzuführen, und den entgegengeſetzten durch Gründe ebenſo zu
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[LVII/0072]
Darſtellung gehört der Logik an oder iſt viel-
mehr dieſe ſelbſt. Denn die Methode iſt nichts
anderes als der Bau des Ganzen in ſeiner rei-
nen Weſenheit aufgeſtellt. Von dem hierüber
bisher gangbaren aber müſſen wir das Bewuſst-
ſeyn haben, daſs auch das Syſtem der ſich auf
das, was philoſophiſche Methode iſt, bezie-
henden Vorſtellungen, einer verſchollenen Bil-
dung angehören. — Wenn diſs etwa renommi-
ſtiſch oder revolutionär lauten ſollte, von wel-
chem Tone ich mich entfernt weiſs, ſo iſt zu
bedenken, daſs der wiſſenſchaftliche Staat, den
die Mathematik herlieh, — von Erklärungen,
Eintheilungen, Axiomen, Reihen von Theore-
men, ihren Beweiſen, Grundſätzen und dem
Folgern und Schlieſſen aus ihnen, — ſchon in
der Meynung ſelbſt wenigſtens veraltet iſt. Wenn
auch ſeine Untauglichkeit nicht deutlich einge-
ſehen wird, ſo wird doch kein oder wenig Ge-
brauch mehr davon gemacht, und wenn er nicht
an ſich gemisbilligt wird, doch nicht geliebt.
Und wir müſſen das Vorurtheil für das Vor-
treffliche haben, daſs es ſich in den Gebrauch
ſetze, und beliebt mache. Es iſt aber nicht
ſchwer einzuſehen, daſs die Manier, einen Satz
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den entgegengeſetzten durch Gründe ebenſo zu
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/72>, abgerufen am 18.12.2024.
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