moralische Bewusstseyn ist aber zugleich die vor- ausgesetzte Freyheit der Natur, oder es erfährt, dass die Natur unbekümmert darum ist, ihm das Be- wusstseyn der Einheit seiner Wirklichkeit mit der ihrigen zu geben, und es also vielleicht glücklich werden lässt, vielleicht auch nicht. Das unmoralische Bewusstseyn dagegen findet vielleicht zufälligerweise seine Verwirklichung, wo das moralische nur Ver- anlassung zum Handeln, aber durch dasselbe nicht das Glück der Ausführung und des Genusses der Vollbringung ihm zu Theil werden sieht. Es findet daher vielmehr Grund zu Klagen über solchen Zu- stand der Unangemessenheit seiner und des Daseyns, und der Ungerechtigkeit, die es darauf einschränkt, seinen Gegenstand nur als reine Pflicht zu haben, aber ihm denselben, und sich verwirklicht zu sehen versagt.
Das moralische Bewusstseyn kann nicht auf die Glückseligkeit Verzicht thun, und diss Moment aus aus seinem absoluten Zwecke weglassen. Der Zweck, der als reine Pflicht ausgesprochen wird, hat wesent- lich diss an ihm, dies einzelne Selbstbewusstseyn zu enthalten; die individuelle Ueberzeugung und das Wis- sen von ihr machten ein absolutes Moment der Mo- ralität aus. Dieses Moment an dem gegenständlich gewordenen Zwecke, an der erfüllten Pflicht, ist das sich als verwirklicht anschauende einzelne Bewusst- seyn, oder der Genuss, der hiemit im Begriffe zwar nicht unmittelbar der Moralität als Gesinnung be-
moraliſche Bewuſstseyn ist aber zugleich die vor- ausgeſetzte Freyheit der Natur, oder es erfährt, daſs die Natur unbekümmert darum ist, ihm das Be- wuſstseyn der Einheit ſeiner Wirklichkeit mit der ihrigen zu geben, und es alſo vielleicht glücklich werden läſst, vielleicht auch nicht. Das unmoralische Bewuſstseyn dagegen findet vielleicht zufälligerweiſe ſeine Verwirklichung, wo das moralische nur Ver- anlaſſung zum Handeln, aber durch daſſelbe nicht das Glück der Ausführung und des Genuſſes der Vollbringung ihm zu Theil werden sieht. Es findet daher vielmehr Grund zu Klagen über ſolchen Zu- ſtand der Unangemeſſenheit ſeiner und des Daſeyns, und der Ungerechtigkeit, die es darauf einſchränkt, ſeinen Gegenſtand nur als reine Pflicht zu haben, aber ihm denſelben, und sich verwirklicht zu ſehen verſagt.
Das moralische Bewuſstſeyn kann nicht auf die Glückseligkeit Verzicht thun, und diſs Moment aus aus ſeinem abſoluten Zwecke weglaſſen. Der Zweck, der als reine Pflicht ausgeſprochen wird, hat weſent- lich diſs an ihm, dies einzelne Selbſtbewuſstſeyn zu enthalten; die individuelle Ueberzeugung und das Wiſ- ſen von ihr machten ein abſolutes Moment der Mo- ralität aus. Dieſes Moment an dem gegenſtändlich gewordenen Zwecke, an der erfüllten Pflicht, iſt das sich als verwirklicht anſchauende einzelne Bewuſst- seyn, oder der Genuſs, der hiemit im Begriffe zwar nicht unmittelbar der Moralität als Gesinnung be-
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moraliſche Bewuſstseyn ist aber zugleich die vor-
ausgeſetzte Freyheit der Natur, oder es erfährt, daſs
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ihrigen zu geben, und es alſo vielleicht glücklich
werden läſst, vielleicht auch nicht. Das unmoralische
Bewuſstseyn dagegen findet vielleicht zufälligerweiſe
ſeine Verwirklichung, wo das moralische nur Ver-
anlaſſung zum Handeln, aber durch daſſelbe nicht
das Glück der Ausführung und des Genuſſes der
Vollbringung ihm zu Theil werden sieht. Es findet
daher vielmehr Grund zu Klagen über ſolchen Zu-
ſtand der Unangemeſſenheit ſeiner und des Daſeyns,
und der Ungerechtigkeit, die es darauf einſchränkt,
ſeinen Gegenſtand nur als reine Pflicht zu haben,
aber ihm denſelben, und sich verwirklicht zu ſehen
verſagt.
Das moralische Bewuſstſeyn kann nicht auf die
Glückseligkeit Verzicht thun, und diſs Moment aus
aus ſeinem abſoluten Zwecke weglaſſen. Der Zweck,
der als reine Pflicht ausgeſprochen wird, hat weſent-
lich diſs an ihm, dies einzelne Selbſtbewuſstſeyn zu
enthalten; die individuelle Ueberzeugung und das Wiſ-
ſen von ihr machten ein abſolutes Moment der Mo-
ralität aus. Dieſes Moment an dem gegenſtändlich
gewordenen Zwecke, an der erfüllten Pflicht, iſt das
sich als verwirklicht anſchauende einzelne Bewuſst-
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nicht unmittelbar der Moralität als Gesinnung be-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/661>, abgerufen am 22.11.2024.
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