Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

und hiemit als dasselbe, was reine Materie genannt
wird; das fehlende Moment der Gegenwart wäre ge-
wonnen. -- Die andere Aufklärung geht von dem
sinnlichen Seyn aus, abstrahirt dann von der sinnli-
chen Beziehung des Schmeckens, Sehens und so
fort, und macht es zum reinen Ansich, zur absoluten
Materie
, dem nicht gefühlten, noch geschmeckten;
diss Seyn ist auf diese Weise das prädicatlose Ein-
fache, Wesen des reinen Bewusstseyns geworden; es
ist der reine Begriff als an sich seyend, oder das rei-
ne Denken in sich selbst
. Diese Einsicht macht in ih-
rem Bewusstseyn nicht den entgegengesetzten Schritt
vom Seyenden, welches rein seyendes ist, zum Ge-
dachten, das dasselbe ist, als das reinseyende, oder
nicht vom rein Positiven zum rein Negativen; in-
dem doch das Positive rein schlechthin nur durch
die Negation ist; das rein Negative aber als reines,
sich in sich selbst gleich und eben dadurch positiv
ist. -- Oder beyde sind nicht zum Begriffe der Car-
tesischen Metaphysik gekommen, dass an sich Seyn
und Denken dasselbe ist, nicht zu dem Gedanken,
dass Seyn, reines Seyn, nicht ein concretes wirkliches
ist, sondern die reine Abstraction; und umgekehrt das
reine Denken, die Sichselbstgleichheit, oder das
Wesen, theils das Negative des Selbstbewusstseyns
und hiemit Seyn, theils als unmittelbare Einfachheit
ebenso nichts anderes als Seyn ist; das Denken ist
Dingheit, oder Dingheit ist Denken.


und hiemit als daſſelbe, was reine Materie genannt
wird; das fehlende Moment der Gegenwart wäre ge-
wonnen. — Die andere Aufklärung geht von dem
sinnlichen Seyn aus, abſtrahirt dann von der sinnli-
chen Beziehung des Schmeckens, Sehens und so
fort, und macht es zum reinen Ansich, zur abſoluten
Materie
, dem nicht gefühlten, noch geſchmeckten;
diſs Seyn ist auf dieſe Weise das prädicatlose Ein-
fache, Wesen des reinen Bewuſstseyns geworden; es
ist der reine Begriff als an sich seyend, oder das rei-
ne Denken in sich selbſt
. Diese Einsicht macht in ih-
rem Bewuſstseyn nicht den entgegengesetzten Schritt
vom Seyenden, welches rein seyendes ist, zum Ge-
dachten, das daſſelbe ist, als das reinſeyende, oder
nicht vom rein Positiven zum rein Negativen; in-
dem doch das Positive rein schlechthin nur durch
die Negation ist; das rein Negative aber als reines,
sich in sich selbſt gleich und eben dadurch positiv
ist. — Oder beyde sind nicht zum Begriffe der Car-
tesiſchen Metaphysik gekommen, daſs an sich Seyn
und Denken daſſelbe ist, nicht zu dem Gedanken,
daſs Seyn, reines Seyn, nicht ein concretes wirkliches
ist, sondern die reine Abſtraction; und umgekehrt das
reine Denken, die Sichselbstgleichheit, oder das
Wesen, theils das Negative des Selbstbewuſstseyns
und hiemit Seyn, theils als unmittelbare Einfachheit
ebenso nichts anderes als Seyn ist; das Denken ist
Dingheit, oder Dingheit ist Denken.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0636" n="527"/>
und hiemit als da&#x017F;&#x017F;elbe, was <hi rendition="#i">reine Materie</hi> genannt<lb/>
wird; das fehlende Moment der <hi rendition="#i">Gegenwart</hi> wäre ge-<lb/>
wonnen. &#x2014; Die andere Aufklärung geht von dem<lb/>
sinnlichen Seyn aus, <hi rendition="#i">ab&#x017F;trahirt</hi> dann von der sinnli-<lb/>
chen Beziehung des Schmeckens, Sehens und so<lb/>
fort, und macht es zum reinen <hi rendition="#i">Ansich</hi>, zur <hi rendition="#i">ab&#x017F;oluten<lb/>
Materie</hi>, dem nicht gefühlten, noch ge&#x017F;chmeckten;<lb/>
di&#x017F;s Seyn ist auf die&#x017F;e Weise das prädicatlose Ein-<lb/>
fache, Wesen des <hi rendition="#i">reinen Bewu&#x017F;stseyns</hi> geworden; es<lb/>
ist der reine Begriff als <hi rendition="#i">an sich</hi> seyend, oder das <hi rendition="#i">rei-<lb/>
ne Denken in sich selb&#x017F;t</hi>. Diese Einsicht macht in ih-<lb/>
rem Bewu&#x017F;stseyn nicht den entgegengesetzten Schritt<lb/>
vom <hi rendition="#i">Seyenden</hi>, welches <hi rendition="#i">rein</hi> seyendes ist, zum Ge-<lb/>
dachten, das da&#x017F;&#x017F;elbe ist, als das <hi rendition="#i">rein</hi>&#x017F;eyende, oder<lb/>
nicht vom rein Positiven zum rein Negativen; in-<lb/>
dem doch das Positive <hi rendition="#i">rein</hi> schlechthin nur durch<lb/>
die Negation ist; das <hi rendition="#i">rein</hi> Negative aber als reines,<lb/>
sich in sich selb&#x017F;t gleich und eben dadurch positiv<lb/>
ist. &#x2014; Oder beyde sind nicht zum Begriffe der Car-<lb/>
tesi&#x017F;chen Metaphysik gekommen, da&#x017F;s <hi rendition="#i">an sich Seyn</hi><lb/>
und <hi rendition="#i">Denken</hi> da&#x017F;&#x017F;elbe ist, nicht zu dem Gedanken,<lb/>
da&#x017F;s <hi rendition="#i">Seyn, reines Seyn</hi>, nicht ein <hi rendition="#i">concretes wirkliches</hi><lb/>
ist, sondern die <hi rendition="#i">reine Ab&#x017F;traction</hi>; und umgekehrt das<lb/>
reine Denken, die Sichselbstgleichheit, oder das<lb/>
Wesen, theils das <hi rendition="#i">Negative</hi> des Selbstbewu&#x017F;stseyns<lb/>
und hiemit <hi rendition="#i">Seyn</hi>, theils als unmittelbare Einfachheit<lb/>
ebenso nichts anderes als <hi rendition="#i">Seyn</hi> ist; das <hi rendition="#i">Denken</hi> ist<lb/><hi rendition="#i">Dingheit</hi>, oder <hi rendition="#i">Dingheit</hi> ist <hi rendition="#i">Denken</hi>.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0636] und hiemit als daſſelbe, was reine Materie genannt wird; das fehlende Moment der Gegenwart wäre ge- wonnen. — Die andere Aufklärung geht von dem sinnlichen Seyn aus, abſtrahirt dann von der sinnli- chen Beziehung des Schmeckens, Sehens und so fort, und macht es zum reinen Ansich, zur abſoluten Materie, dem nicht gefühlten, noch geſchmeckten; diſs Seyn ist auf dieſe Weise das prädicatlose Ein- fache, Wesen des reinen Bewuſstseyns geworden; es ist der reine Begriff als an sich seyend, oder das rei- ne Denken in sich selbſt. Diese Einsicht macht in ih- rem Bewuſstseyn nicht den entgegengesetzten Schritt vom Seyenden, welches rein seyendes ist, zum Ge- dachten, das daſſelbe ist, als das reinſeyende, oder nicht vom rein Positiven zum rein Negativen; in- dem doch das Positive rein schlechthin nur durch die Negation ist; das rein Negative aber als reines, sich in sich selbſt gleich und eben dadurch positiv ist. — Oder beyde sind nicht zum Begriffe der Car- tesiſchen Metaphysik gekommen, daſs an sich Seyn und Denken daſſelbe ist, nicht zu dem Gedanken, daſs Seyn, reines Seyn, nicht ein concretes wirkliches ist, sondern die reine Abſtraction; und umgekehrt das reine Denken, die Sichselbstgleichheit, oder das Wesen, theils das Negative des Selbstbewuſstseyns und hiemit Seyn, theils als unmittelbare Einfachheit ebenso nichts anderes als Seyn ist; das Denken ist Dingheit, oder Dingheit ist Denken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/636
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/636>, abgerufen am 16.07.2024.