wie die festen Bestimmungen, die das Urtheil setzt, in ihrem Widerspruche zu sagen weiss, und dieser Widerspruch ist ihre Wahrheit. -- Nach der Form betrachtet, weiss es Alles sich selbst entfremdet; das Fürsichseyn vom Ansichseyn getrennt; das Gemeynte und den Zweck von der Wahrheit; und von beyden wieder das Seyn für anderes, das Vorgegebne von der eigentlichen Meynung und der wahren Sache und Absicht. -- Es weiss also jedes Moment gegen das andere, überhaupt die Verkehrung Aller, rich- tig auszusprechen, es weiss besser, was jedes ist, als es ist, es sey bestimmt wie es wolle. Indem es das Substantielle nach der Seite der Uneinigkeit und des Widerstreits, den es in sich einigt, aber nicht nach der Seite dieser Einigkeit kennt, versteht es das Substantielle sehr gut zu beurtheilen, aber hat die Fähigkeit verloren es zu fassen. -- Diese Eitelkeit bedarf dabey der Eitelkeit aller Dinge, um aus ihnen sich das Bewusstseyn des Selbsts zu geben, erzeugt sie daher selbst, und ist die Seele, welche sie trägt. Macht und Reichthum sind die höchsten Zwecke seiner Anstrengung, es weiss, dass es durch Entsagung und Aufopferung sich zum Allgemeinen bildet, zum Besitze desselben gelangt, und in diesem Besitze all- gemeine Gültigkeit hat; sie sind die wirklichen an- erkannten Mächte. Aber dieses sein Gelten ist selbst eitel, und eben indem es sich ihrer bemächtigt, weiss es sie nicht Selbstwesen zu seyn, sondern vielmehr sich als ihre Macht, sie aber als eitel. Dass es so in
wie die feſten Beſtimmungen, die das Urtheil setzt, in ihrem Widerspruche zu sagen weiſs, und dieſer Widerspruch ist ihre Wahrheit. — Nach der Form betrachtet, weiſs es Alles sich ſelbſt entfremdet; das Fürsichseyn vom Ansichseyn getrennt; das Gemeynte und den Zweck von der Wahrheit; und von beyden wieder das Seyn für anderes, das Vorgegebne von der eigentlichen Meynung und der wahren Sache und Absicht. — Es weiſs also jedes Moment gegen das andere, überhaupt die Verkehrung Aller, rich- tig auszusprechen, es weiſs beſſer, was jedes ist, als es ist, es sey beſtimmt wie es wolle. Indem es das Subſtantielle nach der Seite der Uneinigkeit und des Widerſtreits, den es in sich einigt, aber nicht nach der Seite dieser Einigkeit kennt, verſteht es das Subſtantielle sehr gut zu beurtheilen, aber hat die Fähigkeit verloren es zu faſſen. — Dieſe Eitelkeit bedarf dabey der Eitelkeit aller Dinge, um aus ihnen sich das Bewuſstseyn des Selbſts zu geben, erzeugt sie daher ſelbſt, und ist die Seele, welche sie trägt. Macht und Reichthum sind die höchsten Zwecke ſeiner Anſtrengung, es weiſs, daſs es durch Entsagung und Aufopferung sich zum Allgemeinen bildet, zum Besitze deſſelben gelangt, und in diesem Besitze all- gemeine Gültigkeit hat; sie sind die wirklichen an- erkannten Mächte. Aber dieſes sein Gelten ist selbſt eitel, und eben indem es sich ihrer bemächtigt, weiſs es sie nicht Selbſtweſen zu ſeyn, sondern vielmehr sich als ihre Macht, sie aber als eitel. Daſs es so in
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wie die feſten Beſtimmungen, die das Urtheil setzt,
in ihrem Widerspruche zu sagen weiſs, und dieſer
Widerspruch ist ihre Wahrheit. — Nach der Form
betrachtet, weiſs es Alles sich ſelbſt entfremdet; das
Fürsichseyn vom Ansichseyn getrennt; das Gemeynte
und den Zweck von der Wahrheit; und von beyden
wieder das Seyn für anderes, das Vorgegebne von
der eigentlichen Meynung und der wahren Sache
und Absicht. — Es weiſs also jedes Moment gegen
das andere, überhaupt die Verkehrung Aller, rich-
tig auszusprechen, es weiſs beſſer, was jedes ist,
als es ist, es sey beſtimmt wie es wolle. Indem es
das Subſtantielle nach der Seite der Uneinigkeit und
des Widerſtreits, den es in sich einigt, aber nicht
nach der Seite dieser Einigkeit kennt, verſteht es
das Subſtantielle sehr gut zu beurtheilen, aber hat die
Fähigkeit verloren es zu faſſen. — Dieſe Eitelkeit
bedarf dabey der Eitelkeit aller Dinge, um aus ihnen
sich das Bewuſstseyn des Selbſts zu geben, erzeugt
sie daher ſelbſt, und ist die Seele, welche sie trägt.
Macht und Reichthum sind die höchsten Zwecke
ſeiner Anſtrengung, es weiſs, daſs es durch Entsagung
und Aufopferung sich zum Allgemeinen bildet, zum
Besitze deſſelben gelangt, und in diesem Besitze all-
gemeine Gültigkeit hat; sie sind die wirklichen an-
erkannten Mächte. Aber dieſes sein Gelten ist selbſt
eitel, und eben indem es sich ihrer bemächtigt, weiſs
es sie nicht Selbſtweſen zu ſeyn, sondern vielmehr
sich als ihre Macht, sie aber als eitel. Daſs es so in
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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