Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Zufälligkeit auftreten, wie etwa in irgend ei-
ner Hülffe oder Dienstleistung geschieht. Der Inhalt
der sittlichen Handlung muss substantiell oder ganz
und allgemein seyn; sie kann sich daher nur auf den
ganzen Einzelnen, oder auf ihn als allgemeinen be-
ziehen. Auch diss wieder nicht etwa so, dass sich
nur vorgestellt wäre, eine Dienstleistung fördere sein
ganzes Glück, während sie so, wie sie unmittelbare
und wirkliche Handlung ist, nur etwas einzelnes an
ihm thut; -- noch dass sie auch wirklich als Erzie-
hung, in einer Reihe von Bemühungen, ihn als Gan-
zes zum Gegenstand hat und als Werk hervorbringt;
wo ausser dem gegen die Familie negativen Zwecke
die wirkliche Handlung nur einen beschränkten Inhalt
hat; -- ebensowenig endlich, dass sie eine Noth-
hülffe ist, wodurch in Wahrheit der ganze Einzelne
errettet wird; denn sie ist selbst eine völlig zufällige
That, deren Gelegenheit eine gemeine Wirklichkeit
ist, welche seyn und auch nicht seyn kann. Die
Handlung also, welche die ganze Existenz des Bluts-
verwandten umfasst, und ihn, -- nicht den Bürger,
denn dieser gehört nicht der Familie an, noch den,
der Bürger werden und aufhören soll, als dieser Ein-
zelne
zu gelten, -- sondern ihn, diesen der Familie
angehörigen Einzelnen, als ein allgemeines, der sinn-
lichen, d. i. einzelnen Wirklichkeit enthobenes We-
sen zu ihrem Gegenstande und Inhalt hat, betrifft
nicht mehr den Lebenden, sondern den Todten, der
aus der langen Reihe seines zerstreuten Daseyns sich

einer Zufälligkeit auftreten, wie etwa in irgend ei-
ner Hülffe oder Dienstleistung geschieht. Der Inhalt
der sittlichen Handlung muſs substantiell oder ganz
und allgemein seyn; sie kann sich daher nur auf den
ganzen Einzelnen, oder auf ihn als allgemeinen be-
ziehen. Auch diſs wieder nicht etwa so, daſs sich
nur vorgestellt wäre, eine Dienstleistung fördere sein
ganzes Glück, während sie so, wie sie unmittelbare
und wirkliche Handlung ist, nur etwas einzelnes an
ihm thut; — noch daſs sie auch wirklich als Erzie-
hung, in einer Reihe von Bemühungen, ihn als Gan-
zes zum Gegenstand hat und als Werk hervorbringt;
wo auſser dem gegen die Familie negativen Zwecke
die wirkliche Handlung nur einen beschränkten Inhalt
hat; — ebensowenig endlich, daſs sie eine Noth-
hülffe ist, wodurch in Wahrheit der ganze Einzelne
errettet wird; denn sie ist selbst eine völlig zufällige
That, deren Gelegenheit eine gemeine Wirklichkeit
ist, welche seyn und auch nicht seyn kann. Die
Handlung also, welche die ganze Existenz des Bluts-
verwandten umfaſst, und ihn, — nicht den Bürger,
denn dieser gehört nicht der Familie an, noch den,
der Bürger werden und aufhören soll, als dieser Ein-
zelne
zu gelten, — sondern ihn, diesen der Familie
angehörigen Einzelnen, als ein allgemeines, der sinn-
lichen, d. i. einzelnen Wirklichkeit enthobenes We-
sen zu ihrem Gegenstande und Inhalt hat, betrifft
nicht mehr den Lebenden, sondern den Todten, der
aus der langen Reihe seines zerstreuten Daseyns sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0497" n="388"/>
einer <hi rendition="#i">Zufälligkeit</hi> auftreten, wie etwa in irgend ei-<lb/>
ner Hülffe oder Dienstleistung geschieht. Der Inhalt<lb/>
der sittlichen Handlung mu&#x017F;s substantiell oder ganz<lb/>
und allgemein seyn; sie kann sich daher nur auf den<lb/><hi rendition="#i">ganzen</hi> Einzelnen, oder auf ihn als allgemeinen be-<lb/>
ziehen. Auch di&#x017F;s wieder nicht etwa so, da&#x017F;s sich<lb/>
nur <hi rendition="#i">vorgestellt</hi> wäre, eine <hi rendition="#i">Dienstleistung</hi> fördere sein<lb/>
ganzes Glück, während sie so, wie sie unmittelbare<lb/>
und wirkliche Handlung ist, nur etwas einzelnes an<lb/>
ihm thut; &#x2014; noch da&#x017F;s sie auch wirklich als Erzie-<lb/>
hung, in einer <hi rendition="#i">Reihe</hi> von Bemühungen, ihn als Gan-<lb/>
zes zum Gegenstand hat und als Werk hervorbringt;<lb/>
wo au&#x017F;ser dem gegen die Familie negativen Zwecke<lb/>
die <hi rendition="#i">wirkliche Handlung</hi> nur einen beschränkten Inhalt<lb/>
hat; &#x2014; ebensowenig endlich, da&#x017F;s sie eine Noth-<lb/>
hülffe ist, wodurch in Wahrheit der ganze Einzelne<lb/>
errettet wird; denn sie ist selbst eine völlig zufällige<lb/>
That, deren Gelegenheit eine gemeine Wirklichkeit<lb/>
ist, welche seyn und auch nicht seyn kann. Die<lb/>
Handlung also, welche die ganze Existenz des Bluts-<lb/>
verwandten umfa&#x017F;st, und ihn, &#x2014; nicht den Bürger,<lb/>
denn dieser gehört nicht der Familie an, noch den,<lb/>
der Bürger werden und <hi rendition="#i">aufhören</hi> soll, als <hi rendition="#i">dieser Ein-<lb/>
zelne</hi> zu gelten, &#x2014; sondern ihn, <hi rendition="#i">diesen</hi> der Familie<lb/>
angehörigen Einzelnen, als ein <hi rendition="#i">allgemeines</hi>, der sinn-<lb/>
lichen, d. i. einzelnen Wirklichkeit enthobenes We-<lb/>
sen zu ihrem Gegenstande und Inhalt hat, betrifft<lb/>
nicht mehr den <hi rendition="#i">Lebenden</hi>, sondern den <hi rendition="#i">Todten</hi>, der<lb/>
aus der langen Reihe seines zerstreuten Daseyns sich<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0497] einer Zufälligkeit auftreten, wie etwa in irgend ei- ner Hülffe oder Dienstleistung geschieht. Der Inhalt der sittlichen Handlung muſs substantiell oder ganz und allgemein seyn; sie kann sich daher nur auf den ganzen Einzelnen, oder auf ihn als allgemeinen be- ziehen. Auch diſs wieder nicht etwa so, daſs sich nur vorgestellt wäre, eine Dienstleistung fördere sein ganzes Glück, während sie so, wie sie unmittelbare und wirkliche Handlung ist, nur etwas einzelnes an ihm thut; — noch daſs sie auch wirklich als Erzie- hung, in einer Reihe von Bemühungen, ihn als Gan- zes zum Gegenstand hat und als Werk hervorbringt; wo auſser dem gegen die Familie negativen Zwecke die wirkliche Handlung nur einen beschränkten Inhalt hat; — ebensowenig endlich, daſs sie eine Noth- hülffe ist, wodurch in Wahrheit der ganze Einzelne errettet wird; denn sie ist selbst eine völlig zufällige That, deren Gelegenheit eine gemeine Wirklichkeit ist, welche seyn und auch nicht seyn kann. Die Handlung also, welche die ganze Existenz des Bluts- verwandten umfaſst, und ihn, — nicht den Bürger, denn dieser gehört nicht der Familie an, noch den, der Bürger werden und aufhören soll, als dieser Ein- zelne zu gelten, — sondern ihn, diesen der Familie angehörigen Einzelnen, als ein allgemeines, der sinn- lichen, d. i. einzelnen Wirklichkeit enthobenes We- sen zu ihrem Gegenstande und Inhalt hat, betrifft nicht mehr den Lebenden, sondern den Todten, der aus der langen Reihe seines zerstreuten Daseyns sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/497
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/497>, abgerufen am 24.05.2024.