Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Diss Prüffen reicht aber aus diesem Grunde nicht
weit; eben indem der Massstab, die Tavtologie und
gleichgültig gegen den Inhalt ist, nimmt er ebenso
gut diesen, als den entgegengesetzten in sich auf. --
Es ist die Frage, soll es an und für sich Gesetz seyn,
dass Eigenthum sey; an und für sich, nicht aus Nütz-
lichkeit für andere Zwecke; die sittliche Wesenheit
besteht eben darin, dass das Gesetz nur sich selbst
gleiche, und durch diese Gleichheit mit sich also in
seinem eigenen Wesen gegründet, nicht ein beding-
tes sey. Das Eigenthum an und für sich widerspricht
sich nicht; es ist eine isolirte, oder nur sich selbst
gleich gesetzte Bestimmtheit. Nichteigenthum, Her-
renlosigkeit der Dinge, oder Gütergemeinschafft, wi-
derspricht sich gerade ebensowenig. Dass etwas Nie-
mand gehört, oder dem Nächsten Besten, der sich
in Besitz setzt, oder Allen zusammen, und Jedem
nach seinem Bedürfnisse oder zu gleichen Theilen, ist
eine einfache Bestimmtheit, ein formaler Gedanke, wie
sein Gegentheil, das Eigenthum. -- Wenn das her-
renlose Ding freylich betrachtet wird als ein nothwen-
diger Gegenstand
des Bedürfnisses, so ist es nothwen-
dig, dass es der Besitz irgend eines einzelnen werde;
und es wäre widersprechend, vielmehr die Freyheit
des Dinges zum Gesetze zu machen. Unter der Her-
renlosigkeit des Dinges ist aber auch nicht eine ab-
solute Herrenlosigkeit gemeynt, sondern es soll in
Besitz kommen, nach dem Bedürfnisse des einzelnen;
und zwar nicht um aufbewahrt, sondern um unmit-

Diſs Prüffen reicht aber aus diesem Grunde nicht
weit; eben indem der Maſsstab, die Tavtologie und
gleichgültig gegen den Inhalt ist, nimmt er ebenso
gut diesen, als den entgegengesetzten in sich auf. —
Es ist die Frage, soll es an und für sich Gesetz seyn,
daſs Eigenthum sey; an und für sich, nicht aus Nütz-
lichkeit für andere Zwecke; die sittliche Wesenheit
besteht eben darin, daſs das Gesetz nur sich selbst
gleiche, und durch diese Gleichheit mit sich also in
seinem eigenen Wesen gegründet, nicht ein beding-
tes sey. Das Eigenthum an und für sich widerspricht
sich nicht; es ist eine isolirte, oder nur sich selbst
gleich gesetzte Bestimmtheit. Nichteigenthum, Her-
renlosigkeit der Dinge, oder Gütergemeinschafft, wi-
derspricht sich gerade ebensowenig. Daſs etwas Nie-
mand gehört, oder dem Nächsten Besten, der sich
in Besitz setzt, oder Allen zusammen, und Jedem
nach seinem Bedürfnisse oder zu gleichen Theilen, ist
eine einfache Bestimmtheit, ein formaler Gedanke, wie
sein Gegentheil, das Eigenthum. — Wenn das her-
renlose Ding freylich betrachtet wird als ein nothwen-
diger Gegenstand
des Bedürfnisses, so ist es nothwen-
dig, daſs es der Besitz irgend eines einzelnen werde;
und es wäre widersprechend, vielmehr die Freyheit
des Dinges zum Gesetze zu machen. Unter der Her-
renlosigkeit des Dinges ist aber auch nicht eine ab-
solute Herrenlosigkeit gemeynt, sondern es soll in
Besitz kommen, nach dem Bedürfnisse des einzelnen;
und zwar nicht um aufbewahrt, sondern um unmit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0476" n="367"/>
              <p>Di&#x017F;s Prüffen reicht aber aus diesem Grunde nicht<lb/>
weit; eben indem der Ma&#x017F;sstab, die Tavtologie und<lb/>
gleichgültig gegen den Inhalt ist, nimmt er ebenso<lb/>
gut diesen, als den entgegengesetzten in sich auf. &#x2014;<lb/>
Es ist die Frage, soll es an und für sich Gesetz seyn,<lb/>
da&#x017F;s <hi rendition="#i">Eigenthum</hi> sey; <hi rendition="#i">an und für sich</hi>, nicht aus Nütz-<lb/>
lichkeit für andere Zwecke; die sittliche Wesenheit<lb/>
besteht eben darin, da&#x017F;s das Gesetz nur sich selbst<lb/>
gleiche, und durch diese Gleichheit mit sich also in<lb/>
seinem eigenen Wesen gegründet, nicht ein beding-<lb/>
tes sey. Das Eigenthum an und für sich widerspricht<lb/>
sich nicht; es ist eine <hi rendition="#i">isolirte</hi>, oder nur sich selbst<lb/>
gleich gesetzte Bestimmtheit. Nichteigenthum, Her-<lb/>
renlosigkeit der Dinge, oder Gütergemeinschafft, wi-<lb/>
derspricht sich gerade ebensowenig. Da&#x017F;s etwas Nie-<lb/>
mand gehört, oder dem Nächsten Besten, der sich<lb/>
in Besitz setzt, oder Allen zusammen, und Jedem<lb/>
nach seinem Bedürfnisse oder zu gleichen Theilen, ist<lb/>
eine <hi rendition="#i">einfache Bestimmtheit</hi>, ein <hi rendition="#i">formaler Gedanke</hi>, wie<lb/>
sein Gegentheil, das Eigenthum. &#x2014; Wenn das her-<lb/>
renlose Ding freylich betrachtet wird als ein <hi rendition="#i">nothwen-<lb/>
diger Gegenstand</hi> des <hi rendition="#i">Bedürfnisses</hi>, so ist es nothwen-<lb/>
dig, da&#x017F;s es der Besitz irgend eines einzelnen werde;<lb/>
und es wäre widersprechend, vielmehr die Freyheit<lb/>
des Dinges zum Gesetze zu machen. Unter der Her-<lb/>
renlosigkeit des Dinges ist aber auch nicht eine ab-<lb/>
solute Herrenlosigkeit gemeynt, sondern es soll in<lb/><hi rendition="#i">Besitz kommen</hi>, nach dem <hi rendition="#i">Bedürfnisse</hi> des einzelnen;<lb/>
und zwar nicht um aufbewahrt, sondern um unmit-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0476] Diſs Prüffen reicht aber aus diesem Grunde nicht weit; eben indem der Maſsstab, die Tavtologie und gleichgültig gegen den Inhalt ist, nimmt er ebenso gut diesen, als den entgegengesetzten in sich auf. — Es ist die Frage, soll es an und für sich Gesetz seyn, daſs Eigenthum sey; an und für sich, nicht aus Nütz- lichkeit für andere Zwecke; die sittliche Wesenheit besteht eben darin, daſs das Gesetz nur sich selbst gleiche, und durch diese Gleichheit mit sich also in seinem eigenen Wesen gegründet, nicht ein beding- tes sey. Das Eigenthum an und für sich widerspricht sich nicht; es ist eine isolirte, oder nur sich selbst gleich gesetzte Bestimmtheit. Nichteigenthum, Her- renlosigkeit der Dinge, oder Gütergemeinschafft, wi- derspricht sich gerade ebensowenig. Daſs etwas Nie- mand gehört, oder dem Nächsten Besten, der sich in Besitz setzt, oder Allen zusammen, und Jedem nach seinem Bedürfnisse oder zu gleichen Theilen, ist eine einfache Bestimmtheit, ein formaler Gedanke, wie sein Gegentheil, das Eigenthum. — Wenn das her- renlose Ding freylich betrachtet wird als ein nothwen- diger Gegenstand des Bedürfnisses, so ist es nothwen- dig, daſs es der Besitz irgend eines einzelnen werde; und es wäre widersprechend, vielmehr die Freyheit des Dinges zum Gesetze zu machen. Unter der Her- renlosigkeit des Dinges ist aber auch nicht eine ab- solute Herrenlosigkeit gemeynt, sondern es soll in Besitz kommen, nach dem Bedürfnisse des einzelnen; und zwar nicht um aufbewahrt, sondern um unmit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/476
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/476>, abgerufen am 22.11.2024.