gezogen würde, damit unbedingtes Seyn. Wenn der Standpunkt des Bewusstseyns, von gegen- ständlichen Dingen im Gegensatze gegen sich selbst, und von sich selbst im Gegensatze ge- gen sie zu wissen, der Wissenschafft als das Andre gilt, -- das, worin es bey sich selbst ist, vielmehr, als der Verlust des Geistes, -- so ist ihm dagegen das Element der Wissenschaft eine jen- seitige Ferne, worin es nicht mehr sich selbst besitzt. Jeder von diesen beyden Theilen scheint für den andern das Verkehrte der Wahrheit zu seyn. Dass das natürliche Bewusstseyn sich der Wissenschaft unmittelbar anvertraut, ist ein Versuch, den es, es weiss nicht von was ange- zogen, macht, auch einmal auf dem Kopfe zu gehen; der Zwang diese ungewohnte Stellung anzunehmen und sich in ihr zu bewegen ist ei- ne so unvorbereitete als unnöthig scheinende Gewalt, die ihm angemuthet wird, sich anzu- thun. -- Die Wissenschaft sey an ihr selbst, was sie will, im Verhältnisse zum unmittelba- ren Selbstbewusstseyn stellt sie sich als ein Ver- kehrtes gegen es dar, oder weil das unmittel- bare Selbstbewusstseyn das Princip der Wirk- lichkeit ist, trägt sie, indem es für sich ausser ihr ist, die Form der Unwirklichkeit. Sie hat darum jenes Element mit ihr zu vereinigen,
gezogen würde, damit unbedingtes Seyn. Wenn der Standpunkt des Bewuſstſeyns, von gegen- ſtändlichen Dingen im Gegenſatze gegen ſich ſelbſt, und von ſich ſelbſt im Gegenſatze ge- gen ſie zu wiſsen, der Wiſſenſchafft als das Andre gilt, — das, worin es bey ſich ſelbſt iſt, vielmehr, als der Verluſt des Geiſtes, — ſo iſt ihm dagegen das Element der Wiſſenſchaft eine jen- ſeitige Ferne, worin es nicht mehr ſich ſelbſt beſitzt. Jeder von dieſen beyden Theilen ſcheint für den andern das Verkehrte der Wahrheit zu ſeyn. Daſs das natürliche Bewuſstſeyn ſich der Wiſſenſchaft unmittelbar anvertraut, iſt ein Verſuch, den es, es weiſs nicht von was ange- zogen, macht, auch einmal auf dem Kopfe zu gehen; der Zwang dieſe ungewohnte Stellung anzunehmen und ſich in ihr zu bewegen iſt ei- ne ſo unvorbereitete als unnöthig ſcheinende Gewalt, die ihm angemuthet wird, ſich anzu- thun. — Die Wiſſenſchaft ſey an ihr ſelbſt, was ſie will, im Verhältniſſe zum unmittelba- ren Selbſtbewuſstſeyn ſtellt ſie ſich als ein Ver- kehrtes gegen es dar, oder weil das unmittel- bare Selbſtbewuſstſeyn das Princip der Wirk- lichkeit iſt, trägt ſie, indem es für ſich auſſer ihr iſt, die Form der Unwirklichkeit. Sie hat darum jenes Element mit ihr zu vereinigen,
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[XXXI/0046]
gezogen würde, damit unbedingtes Seyn. Wenn
der Standpunkt des Bewuſstſeyns, von gegen-
ſtändlichen Dingen im Gegenſatze gegen ſich
ſelbſt, und von ſich ſelbſt im Gegenſatze ge-
gen ſie zu wiſsen, der Wiſſenſchafft als das
Andre gilt, — das, worin es bey ſich ſelbſt iſt,
vielmehr, als der Verluſt des Geiſtes, — ſo iſt ihm
dagegen das Element der Wiſſenſchaft eine jen-
ſeitige Ferne, worin es nicht mehr ſich ſelbſt
beſitzt. Jeder von dieſen beyden Theilen ſcheint
für den andern das Verkehrte der Wahrheit zu
ſeyn. Daſs das natürliche Bewuſstſeyn ſich der
Wiſſenſchaft unmittelbar anvertraut, iſt ein
Verſuch, den es, es weiſs nicht von was ange-
zogen, macht, auch einmal auf dem Kopfe zu
gehen; der Zwang dieſe ungewohnte Stellung
anzunehmen und ſich in ihr zu bewegen iſt ei-
ne ſo unvorbereitete als unnöthig ſcheinende
Gewalt, die ihm angemuthet wird, ſich anzu-
thun. — Die Wiſſenſchaft ſey an ihr ſelbſt,
was ſie will, im Verhältniſſe zum unmittelba-
ren Selbſtbewuſstſeyn ſtellt ſie ſich als ein Ver-
kehrtes gegen es dar, oder weil das unmittel-
bare Selbſtbewuſstſeyn das Princip der Wirk-
lichkeit iſt, trägt ſie, indem es für ſich auſſer
ihr iſt, die Form der Unwirklichkeit. Sie hat
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XXXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/46>, abgerufen am 22.11.2024.
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