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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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Hier aber ist ein Organ verstanden; worin das
selbstbewusste Individuum als Extrem gegen seine
eigne ihm entgegengesetzte Wirklichkeit sich für sich
erhält, nicht zugleich nach aussen gekehrtes, sondern
in seiner Handlung reflectirtes, und woran die Seite
des Seyns nicht ein Seyn für anderes ist. In der phy-
siognomischen Beziehung wird das Organ zwar auch
als in sich reflectirtes, und das Thun besprechendes
Daseyn betrachtet; aber diss Seyn ist ein gegenständ-
liches, und das Resultat der physiognomischen Beob-
achtung ist dieses, dass das Selbstbewusstseyn ge-
gen eben diese seine Wirklichkeit, als gegen etwas
gleichgültiges gegenübertritt. Diese Gleichgültigkeit
verschwindet darin, dass diss in sich reflectirtseyn
selbst wirkend ist; dadurch erhält jenes Daseyn eine
nothwendige Beziehung auf es; dass es aber auf das
Daseyn wirkend sey, muss es selbst ein aber nicht
eigentlich gegenständliches Seyn haben, und als diss
Organ soll es aufgezeigt werden.

Im gemeinen Leben nun wird der Zorn zum
Beyspiel, als ein solches inneres Thun, in die Le-
ber verlegt; Plato gibt ihr sogar noch etwas höhe-
res, das nach einigen sogar das Höchste ist, zu,
nemlich die Prophozeihung, oder die Gabe das Hei-
lige und Ewige unvernünftiger Weise auszusprechen.
Allein die Bewegung, welche das Individuum in der
Leber, dem Herzen und so fort hat, kann nicht als
die ganz in sich reflectirte Bewegung desselben an-

Hier aber ist ein Organ verstanden; worin das
selbstbewuſste Individuum als Extrem gegen seine
eigne ihm entgegengesetzte Wirklichkeit sich für sich
erhält, nicht zugleich nach auſsen gekehrtes, sondern
in seiner Handlung reflectirtes, und woran die Seite
des Seyns nicht ein Seyn für anderes ist. In der phy-
siognomischen Beziehung wird das Organ zwar auch
als in sich reflectirtes, und das Thun besprechendes
Daseyn betrachtet; aber diſs Seyn ist ein gegenständ-
liches, und das Resultat der physiognomischen Beob-
achtung ist dieses, daſs das Selbstbewuſstseyn ge-
gen eben diese seine Wirklichkeit, als gegen etwas
gleichgültiges gegenübertritt. Diese Gleichgültigkeit
verschwindet darin, daſs diſs in sich reflectirtseyn
selbst wirkend ist; dadurch erhält jenes Daseyn eine
nothwendige Beziehung auf es; daſs es aber auf das
Daseyn wirkend sey, muſs es selbst ein aber nicht
eigentlich gegenständliches Seyn haben, und als diſs
Organ soll es aufgezeigt werden.

Im gemeinen Leben nun wird der Zorn zum
Beyspiel, als ein solches inneres Thun, in die Le-
ber verlegt; Plato gibt ihr sogar noch etwas höhe-
res, das nach einigen sogar das Höchste ist, zu,
nemlich die Prophozeihung, oder die Gabe das Hei-
lige und Ewige unvernünftiger Weise auszusprechen.
Allein die Bewegung, welche das Individuum in der
Leber, dem Herzen und so fort hat, kann nicht als
die ganz in sich reflectirte Bewegung desselben an-

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[261/0370] Hier aber ist ein Organ verstanden; worin das selbstbewuſste Individuum als Extrem gegen seine eigne ihm entgegengesetzte Wirklichkeit sich für sich erhält, nicht zugleich nach auſsen gekehrtes, sondern in seiner Handlung reflectirtes, und woran die Seite des Seyns nicht ein Seyn für anderes ist. In der phy- siognomischen Beziehung wird das Organ zwar auch als in sich reflectirtes, und das Thun besprechendes Daseyn betrachtet; aber diſs Seyn ist ein gegenständ- liches, und das Resultat der physiognomischen Beob- achtung ist dieses, daſs das Selbstbewuſstseyn ge- gen eben diese seine Wirklichkeit, als gegen etwas gleichgültiges gegenübertritt. Diese Gleichgültigkeit verschwindet darin, daſs diſs in sich reflectirtseyn selbst wirkend ist; dadurch erhält jenes Daseyn eine nothwendige Beziehung auf es; daſs es aber auf das Daseyn wirkend sey, muſs es selbst ein aber nicht eigentlich gegenständliches Seyn haben, und als diſs Organ soll es aufgezeigt werden. Im gemeinen Leben nun wird der Zorn zum Beyspiel, als ein solches inneres Thun, in die Le- ber verlegt; Plato gibt ihr sogar noch etwas höhe- res, das nach einigen sogar das Höchste ist, zu, nemlich die Prophozeihung, oder die Gabe das Hei- lige und Ewige unvernünftiger Weise auszusprechen. Allein die Bewegung, welche das Individuum in der Leber, dem Herzen und so fort hat, kann nicht als die ganz in sich reflectirte Bewegung desselben an-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/370>, abgerufen am 25.05.2024.