sen dem Müssiggange der Meynung überlassen blei- ben, der, wenn er seine thatenlose Weisheit ins Werk richten, den Charakter der Vernunft am Handelnden ableugnen und ihn auf diese Weise miss- handeln will, dass er statt der That vielmehr die Fi- gur und die Züge für das Seyn desselben erklären will, die obige Erwiederung zu befahren hat, die ihm er- weist, dass Figur nicht das Ansich ist, sondern viel- mehr ein Gegenstand der Behandlung seyn kann.
Sehen wir nun auf den Umfang der Verhältnisse überhaupt, in welchen die selbstbewusste Individua- lität zu ihrem Aeussern stehend beobachtet werden kann, so wird eines zurück seyn, welches die Beob- achtung sich noch zu ihrem Gegenstande machen muss. In der Psychologie ist es die äussere Wirklich- keit der Dinge, welche an dem Geiste ihr sich be- wusstes Gegenbild haben und ihn begreifflich machen soll. In der Physiognomik dagegen soll er in seinem eignen Aeussern als in einem Seyn, welches die Spra[-] che -- die sichtbare Unsichtbarkeit seines Wesens -- sey, erkannt werden. Noch ist die Bestimmung der Seite der Wirklichkeit übrig, dass die Individualität an ihrer unmittelbaren, festen, rein daseyenden Wirklichkeit ihr Wesen ausspreche. -- Diese letzte Beziehung unterscheidet sich also von der phy- siognomischen dadurch, dass diese die sprechende Ge- genwart des Individuums ist, welcher in seiner han- delnden Aeusserung zugleich die sich in sich reflecti- rende und betrachtende darstellt, eine Aeusserung, wel-
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sen dem Müssiggange der Meynung überlassen blei- ben, der, wenn er seine thatenlose Weisheit ins Werk richten, den Charakter der Vernunft am Handelnden ableugnen und ihn auf diese Weise miſs- handeln will, daſs er statt der That vielmehr die Fi- gur und die Züge für das Seyn desselben erklären will, die obige Erwiederung zu befahren hat, die ihm er- weist, daſs Figur nicht das Ansich ist, sondern viel- mehr ein Gegenstand der Behandlung seyn kann.
Sehen wir nun auf den Umfang der Verhältnisse überhaupt, in welchen die selbstbewuſste Individua- lität zu ihrem Aeuſsern stehend beobachtet werden kann, so wird eines zurück seyn, welches die Beob- achtung sich noch zu ihrem Gegenstande machen muſs. In der Psychologie ist es die äuſsere Wirklich- keit der Dinge, welche an dem Geiste ihr sich be- wuſstes Gegenbild haben und ihn begreifflich machen soll. In der Physiognomik dagegen soll er in seinem eignen Aeuſsern als in einem Seyn, welches die Spra[-] che — die sichtbare Unsichtbarkeit seines Wesens — sey, erkannt werden. Noch ist die Bestimmung der Seite der Wirklichkeit übrig, daſs die Individualität an ihrer unmittelbaren, festen, rein daseyenden Wirklichkeit ihr Wesen ausspreche. — Diese letzte Beziehung unterscheidet sich also von der phy- siognomischen dadurch, daſs diese die sprechende Ge- genwart des Individuums ist, welcher in seiner han- delnden Aeuſserung zugleich die sich in sich reflecti- rende und betrachtende darstellt, eine Aeuſserung, wel-
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sen dem Müssiggange der Meynung überlassen blei-
ben, der, wenn er seine thatenlose Weisheit ins
Werk richten, den Charakter der Vernunft am
Handelnden ableugnen und ihn auf diese Weise miſs-
handeln will, daſs er statt der That vielmehr die Fi-
gur und die Züge für das Seyn desselben erklären will,
die obige Erwiederung zu befahren hat, die ihm er-
weist, daſs Figur nicht das Ansich ist, sondern viel-
mehr ein Gegenstand der Behandlung seyn kann.
Sehen wir nun auf den Umfang der Verhältnisse
überhaupt, in welchen die selbstbewuſste Individua-
lität zu ihrem Aeuſsern stehend beobachtet werden
kann, so wird eines zurück seyn, welches die Beob-
achtung sich noch zu ihrem Gegenstande machen
muſs. In der Psychologie ist es die äuſsere Wirklich-
keit der Dinge, welche an dem Geiste ihr sich be-
wuſstes Gegenbild haben und ihn begreifflich machen
soll. In der Physiognomik dagegen soll er in seinem
eignen Aeuſsern als in einem Seyn, welches die Spra-
che — die sichtbare Unsichtbarkeit seines Wesens —
sey, erkannt werden. Noch ist die Bestimmung der
Seite der Wirklichkeit übrig, daſs die Individualität
an ihrer unmittelbaren, festen, rein daseyenden
Wirklichkeit ihr Wesen ausspreche. — Diese
letzte Beziehung unterscheidet sich also von der phy-
siognomischen dadurch, daſs diese die sprechende Ge-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/368>, abgerufen am 22.11.2024.
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