Eigenthümliche Gesetze des Organischen betref- fen demnach ein Verhältniss der organischen Mo- mente in ihrer gedoppelten Bedeutung, einmal ein Theil der organischen Gestaltung, das andremal all- gemeine flüssige Bestimmtheit zu seyn, welche durch alle jene Systeme hindurchgeht. In dem Ausdrucke eines solchen Gesetzes hätte also zum Beyspiel eine bestimmte Sensibilität als Moment des ganzen Orga- nismus ihren Ausdruck an einem bestimmt gebilde- ten Nervensystem, oder sie wäre auch mit einer be- stimmten Reproduction der organischen Theile des Individuums, oder Fortpflanzung des ganzen ver- knüpft, und so fort. -- Die beyden Seiten eines solchen Gesetzes können beobachtet werden. Das Aeu- ssere ist seinem Begriffe nach das Seyn für anderes; die Sensibilität hat z. B. in dem sensibeln Systeme ihre unmittelbar verwirklichte Weise; und als allgemeine Eigenschafft ist sie in ihren Aeusserungen ebenso ein gegenständliches. Die Seite, welche das Innere heisst, hat ihre eigene äussere Seite, die unterschieden ist von dem, was im Ganzen das äussere heisst.
Die beyden Seiten eines organischen Gesetzes wä- ren also zwar wohl zu beobachten, allein nicht Gese- tze der Beziehung derselben; und die Beobachtung reicht nicht darum nicht zu, weil sie, als Beobachtung, zu kurzsichtig wäre, und nicht empirisch verfahren, sondern von der Idee ausgegangen werden sollte; denn solche Gesetze, wenn sie etwas reelles wären, müssten in der That wirklich vorhanden, und also zu beobach-
Eigenthümliche Gesetze des Organischen betref- fen demnach ein Verhältniſs der organischen Mo- mente in ihrer gedoppelten Bedeutung, einmal ein Theil der organischen Gestaltung, das andremal all- gemeine flüssige Bestimmtheit zu seyn, welche durch alle jene Systeme hindurchgeht. In dem Ausdrucke eines solchen Gesetzes hätte also zum Beyspiel eine bestimmte Sensibilität als Moment des ganzen Orga- nismus ihren Ausdruck an einem bestimmt gebilde- ten Nervensystem, oder sie wäre auch mit einer be- stimmten Reproduction der organischen Theile des Individuums, oder Fortpflanzung des ganzen ver- knüpft, und so fort. — Die beyden Seiten eines solchen Gesetzes können beobachtet werden. Das Aeu- ſsere ist seinem Begriffe nach das Seyn für anderes; die Sensibilität hat z. B. in dem sensibeln Systeme ihre unmittelbar verwirklichte Weise; und als allgemeine Eigenschafft ist sie in ihren Aeuſserungen ebenso ein gegenständliches. Die Seite, welche das Innere heiſst, hat ihre eigene äuſsere Seite, die unterschieden ist von dem, was im Ganzen das äuſsere heiſst.
Die beyden Seiten eines organischen Gesetzes wä- ren also zwar wohl zu beobachten, allein nicht Gese- tze der Beziehung derselben; und die Beobachtung reicht nicht darum nicht zu, weil sie, als Beobachtung, zu kurzsichtig wäre, und nicht empirisch verfahren, sondern von der Idee ausgegangen werden sollte; denn solche Gesetze, wenn sie etwas reelles wären, müſsten in der That wirklich vorhanden, und also zu beobach-
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[202/0311]
Eigenthümliche Gesetze des Organischen betref-
fen demnach ein Verhältniſs der organischen Mo-
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gemeine flüssige Bestimmtheit zu seyn, welche durch
alle jene Systeme hindurchgeht. In dem Ausdrucke
eines solchen Gesetzes hätte also zum Beyspiel eine
bestimmte Sensibilität als Moment des ganzen Orga-
nismus ihren Ausdruck an einem bestimmt gebilde-
ten Nervensystem, oder sie wäre auch mit einer be-
stimmten Reproduction der organischen Theile des
Individuums, oder Fortpflanzung des ganzen ver-
knüpft, und so fort. — Die beyden Seiten eines
solchen Gesetzes können beobachtet werden. Das Aeu-
ſsere ist seinem Begriffe nach das Seyn für anderes;
die Sensibilität hat z. B. in dem sensibeln Systeme ihre
unmittelbar verwirklichte Weise; und als allgemeine
Eigenschafft ist sie in ihren Aeuſserungen ebenso ein
gegenständliches. Die Seite, welche das Innere heiſst,
hat ihre eigene äuſsere Seite, die unterschieden ist von
dem, was im Ganzen das äuſsere heiſst.
Die beyden Seiten eines organischen Gesetzes wä-
ren also zwar wohl zu beobachten, allein nicht Gese-
tze der Beziehung derselben; und die Beobachtung
reicht nicht darum nicht zu, weil sie, als Beobachtung,
zu kurzsichtig wäre, und nicht empirisch verfahren,
sondern von der Idee ausgegangen werden sollte; denn
solche Gesetze, wenn sie etwas reelles wären, müſsten
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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