nicht eine Nothwendigkeit, oder in der That nicht ein Gesetz. Aber dass es wesentlich als Begriff ist, widerstreitet nicht nur dem nicht, dass es für die Beobachtung vorhanden ist, sondern hat darum viel- mehr nothwendiges Daseyn, und ist für die Beob- achtung. Das allgemeine, im Sinne der Vernunftall- gemeinheit, ist auch allgemein in dem Sinne, den je- ner an ihm hat, dass es für das Bewusstseyn, sich als das Gegenwärtige und Wirkliche, oder dass der Begriff sich in der Weise der Dingheit und des sinn- lichen Seyns darstellt; -- aber ohne darum seine Natur zu verlieren, und in das träge Bestehen oder die gleichgültige Aufeinanderfolge hinabgefallen zu seyn. Was allgemein gültig ist, ist auch allge- mein geltend; was seyn soll, ist in der That auch, und was nur seyn soll, ohne zu seyn, hat keine Wahr- heit. Hierau bleibt der Instinkt der Vernunft mit Recht seinerseits fest hängen, und lässt sich nicht durch die Gedankendinge, die nur seyn sollen, und als Sollen Wahrheit haben sollen, ob sie schon in keiner Erfahrung angetroffen werden, -- durch die Hypothesen so wenig als durch alle andere Unsicht- barkeiten eines perennirenden Sollens irre machen; denn die Vernunft ist eben diese Gewissheit, Reali- tät zu haben, und was nicht als ein Selbstwesen für das Bewusstseyn ist, das heisst, was nicht erscheint, ist für es gar Nichts.
Dass die Wahrheit des Gesetzes wesentlich Rea- lität ist, wird zwar diesem bey dem Beobachten blei-
nicht eine Nothwendigkeit, oder in der That nicht ein Gesetz. Aber daſs es wesentlich als Begriff ist, widerstreitet nicht nur dem nicht, daſs es für die Beobachtung vorhanden ist, sondern hat darum viel- mehr nothwendiges Daseyn, und ist für die Beob- achtung. Das allgemeine, im Sinne der Vernunftall- gemeinheit, ist auch allgemein in dem Sinne, den je- ner an ihm hat, daſs es für das Bewuſstseyn, sich als das Gegenwärtige und Wirkliche, oder daſs der Begriff sich in der Weise der Dingheit und des sinn- lichen Seyns darstellt; — aber ohne darum seine Natur zu verlieren, und in das träge Bestehen oder die gleichgültige Aufeinanderfolge hinabgefallen zu seyn. Was allgemein gültig ist, ist auch allge- mein geltend; was seyn soll, ist in der That auch, und was nur seyn soll, ohne zu seyn, hat keine Wahr- heit. Hierau bleibt der Instinkt der Vernunft mit Recht seinerseits fest hängen, und läſst sich nicht durch die Gedankendinge, die nur seyn sollen, und als Sollen Wahrheit haben sollen, ob sie schon in keiner Erfahrung angetroffen werden, — durch die Hypothesen so wenig als durch alle andere Unsicht- barkeiten eines perennirenden Sollens irre machen; denn die Vernunft ist eben diese Gewiſsheit, Reali- tät zu haben, und was nicht als ein Selbstwesen für das Bewuſstseyn ist, das heiſst, was nicht erscheint, ist für es gar Nichts.
Daſs die Wahrheit des Gesetzes wesentlich Rea- lität ist, wird zwar diesem bey dem Beobachten blei-
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nicht eine Nothwendigkeit, oder in der That nicht
ein Gesetz. Aber daſs es wesentlich als Begriff ist,
widerstreitet nicht nur dem nicht, daſs es für die
Beobachtung vorhanden ist, sondern hat darum viel-
mehr nothwendiges Daseyn, und ist für die Beob-
achtung. Das allgemeine, im Sinne der Vernunftall-
gemeinheit, ist auch allgemein in dem Sinne, den je-
ner an ihm hat, daſs es für das Bewuſstseyn, sich
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Begriff sich in der Weise der Dingheit und des sinn-
lichen Seyns darstellt; — aber ohne darum seine
Natur zu verlieren, und in das träge Bestehen oder
die gleichgültige Aufeinanderfolge hinabgefallen zu
seyn. Was allgemein gültig ist, ist auch allge-
mein geltend; was seyn soll, ist in der That auch,
und was nur seyn soll, ohne zu seyn, hat keine Wahr-
heit. Hierau bleibt der Instinkt der Vernunft mit
Recht seinerseits fest hängen, und läſst sich nicht
durch die Gedankendinge, die nur seyn sollen, und
als Sollen Wahrheit haben sollen, ob sie schon in
keiner Erfahrung angetroffen werden, — durch die
Hypothesen so wenig als durch alle andere Unsicht-
barkeiten eines perennirenden Sollens irre machen;
denn die Vernunft ist eben diese Gewiſsheit, Reali-
tät zu haben, und was nicht als ein Selbstwesen für
das Bewuſstseyn ist, das heiſst, was nicht erscheint,
ist für es gar Nichts.
Daſs die Wahrheit des Gesetzes wesentlich Rea-
lität ist, wird zwar diesem bey dem Beobachten blei-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/293>, abgerufen am 17.02.2025.
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