Bewusstseyns genommen werden muss, -- damit also in diesem so ganz Leeren, welches auch das Heilige genannt wird, doch etwas sey, es mit Träumereyen, Erscheinungen, die das Bewusstseyn sich selbst er- zeugt, zu erfüllen; es müsste sich gefallen lassen, dass so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn es wäre keine[s] bessern würdig, indem Träume- reyen selbst noch besser sind, als seine Leerheit.
Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist aber entstanden, es kommt aus der Erscheinung her, und sie ist seine Vermittlung; oder die Erscheinung ist sein Wesen, und in der That seine Erfällung. Das Uebersinnliche ist das sinnliche und wahrge- nommene gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahr- heit des sinnlichen und wahrgenommenen aber ist, Er- scheinung zu seyn. Das Uebersinnliche ist also die Erscheinung, als Erscheinung. -- Wenn dabey gedacht wird, das Uebersinnliche sey also die sinnliche Welt, oder die Welt, wie sie für die unmittelbare sinnliche Gewissheit und Wahrnehmung ist, so ist diss ein ver- kehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist viel- mehr nicht die Welt des sinnlichen Wissens und Wahrnehmens als seyende, sondern sie als aufgeho- bene oder in Wahrheit als innere gesetzt. Es pflegt gesagt zu werden, das übersinnliche sey nicht die Er- scheinung; dabey wird aber unter der Erscheinung nicht die Erscheinung verstanden, sondern viel- mehr die sinnliche Welt, als selbst reelle Wirk- lichkeit.
Bewuſstseyns genommen werden muſs, — damit also in diesem so ganz Leeren, welches auch das Heilige genannt wird, doch etwas sey, es mit Träumereyen, Erscheinungen, die das Bewuſstseyn sich selbst er- zeugt, zu erfüllen; es müſste sich gefallen lassen, daſs so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn es wäre keine[s] bessern würdig, indem Träume- reyen selbst noch besser sind, als seine Leerheit.
Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist aber entstanden, es kommt aus der Erscheinung her, und sie ist seine Vermittlung; oder die Erscheinung ist sein Wesen, und in der That seine Erfällung. Das Uebersinnliche ist das sinnliche und wahrge- nommene gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahr- heit des sinnlichen und wahrgenommenen aber ist, Er- scheinung zu seyn. Das Uebersinnliche ist also die Erscheinung, als Erscheinung. — Wenn dabey gedacht wird, das Uebersinnliche sey also die sinnliche Welt, oder die Welt, wie sie für die unmittelbare sinnliche Gewiſsheit und Wahrnehmung ist, so ist diſs ein ver- kehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist viel- mehr nicht die Welt des sinnlichen Wissens und Wahrnehmens als seyende, sondern sie als aufgeho- bene oder in Wahrheit als innere gesetzt. Es pflegt gesagt zu werden, das übersinnliche sey nicht die Er- scheinung; dabey wird aber unter der Erscheinung nicht die Erscheinung verstanden, sondern viel- mehr die sinnliche Welt, als selbst reelle Wirk- lichkeit.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="75"/>
Bewuſstseyns genommen werden muſs, — damit also<lb/>
in diesem so <hirendition="#i">ganz Leeren</hi>, welches auch das <hirendition="#i">Heilige</hi><lb/>
genannt wird, doch etwas sey, es mit Träumereyen,<lb/><hirendition="#i">Erscheinungen</hi>, die das Bewuſstseyn sich selbst er-<lb/>
zeugt, zu erfüllen; es müſste sich gefallen lassen,<lb/>
daſs so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn<lb/>
es wäre keine<supplied>s</supplied> bessern würdig, indem Träume-<lb/>
reyen selbst noch besser sind, als seine Leerheit.</p><lb/><p>Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist<lb/>
aber <hirendition="#i">entstanden</hi>, es <hirendition="#i">kommt</hi> aus der Erscheinung her,<lb/>
und sie ist seine Vermittlung; oder <hirendition="#i">die Erscheinung<lb/>
ist sein Wesen</hi>, und in der That seine Erfällung.<lb/>
Das Uebersinnliche ist das sinnliche und wahrge-<lb/>
nommene gesetzt, wie es in <hirendition="#i">Wahrheit</hi> ist; die <hirendition="#i">Wahr-<lb/>
heit</hi> des <hirendition="#i">sinnlichen</hi> und wahrgenommenen aber ist, <hirendition="#i">Er-<lb/>
scheinung</hi> zu seyn. Das Uebersinnliche ist also die<lb/><hirendition="#i">Erscheinung</hi>, als <hirendition="#i">Erscheinung</hi>. — Wenn dabey gedacht<lb/>
wird, das Uebersinnliche sey <hirendition="#i">also</hi> die sinnliche Welt,<lb/>
oder die Welt, wie sie <hirendition="#i">für die unmittelbare sinnliche<lb/>
Gewiſsheit und Wahrnehmung ist</hi>, so ist diſs ein ver-<lb/>
kehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist viel-<lb/>
mehr <hirendition="#i">nicht</hi> die Welt des sinnlichen Wissens und<lb/>
Wahrnehmens als seyende, sondern sie <hirendition="#i">als aufgeho-<lb/>
bene</hi> oder in Wahrheit <hirendition="#i">als innere</hi> gesetzt. Es pflegt<lb/>
gesagt zu werden, das übersinnliche sey <hirendition="#i">nicht</hi> die Er-<lb/>
scheinung; dabey wird aber unter der Erscheinung<lb/>
nicht die Erscheinung verstanden, sondern viel-<lb/>
mehr die <hirendition="#i">sinnliche</hi> Welt, als selbst reelle Wirk-<lb/>
lichkeit.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[75/0184]
Bewuſstseyns genommen werden muſs, — damit also
in diesem so ganz Leeren, welches auch das Heilige
genannt wird, doch etwas sey, es mit Träumereyen,
Erscheinungen, die das Bewuſstseyn sich selbst er-
zeugt, zu erfüllen; es müſste sich gefallen lassen,
daſs so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn
es wäre keines bessern würdig, indem Träume-
reyen selbst noch besser sind, als seine Leerheit.
Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist
aber entstanden, es kommt aus der Erscheinung her,
und sie ist seine Vermittlung; oder die Erscheinung
ist sein Wesen, und in der That seine Erfällung.
Das Uebersinnliche ist das sinnliche und wahrge-
nommene gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahr-
heit des sinnlichen und wahrgenommenen aber ist, Er-
scheinung zu seyn. Das Uebersinnliche ist also die
Erscheinung, als Erscheinung. — Wenn dabey gedacht
wird, das Uebersinnliche sey also die sinnliche Welt,
oder die Welt, wie sie für die unmittelbare sinnliche
Gewiſsheit und Wahrnehmung ist, so ist diſs ein ver-
kehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist viel-
mehr nicht die Welt des sinnlichen Wissens und
Wahrnehmens als seyende, sondern sie als aufgeho-
bene oder in Wahrheit als innere gesetzt. Es pflegt
gesagt zu werden, das übersinnliche sey nicht die Er-
scheinung; dabey wird aber unter der Erscheinung
nicht die Erscheinung verstanden, sondern viel-
mehr die sinnliche Welt, als selbst reelle Wirk-
lichkeit.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/184>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.