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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt. Idee.
ganze Weise der vormaligen Metaphysik und damit ihre
Methode über den Hauffen geworfen worden. Kant
hat von dem Inhalte jener Metaphysik nach seiner Weise
gezeigt, daß derselbe durch die strenge Demonstration
auf Antinomien, deren übrige Beschaffenheit an den
gehörigen Orten beleuchtet worden ist, führe; aber auf
die Natur dieses Demonstrirens selbst, das an einen
endlichen Inhalt geknüpft ist, hat er nicht reflectirt;
das eine aber muß mit dem andern fallen. In seinen
Anfangsgründen der Naturwissenschaft hat
er selbst ein Beyspiel gegeben, eine Wissenschaft, welche
er auf diese Weise der Philosophie zu vindiciren gedach-
te, als eine Reflexionswissenschaft und in der Methode
derselben zu behandeln. -- Wenn Kant mehr der Mate-
rie nach, die vormalige Metaphysik angriff, so hat sie
Jacobi vornemlich von Seiten ihrer Weise zu demon-
striren angegriffen, und den Punkt, worauf es ankommt,
aufs lichteste und tiefste herausgehoben, daß nemlich
solche Methode der Demonstration schlechthin in den Kreis
der starren Nothwendigkeit des Endlichen gebunden ist,
und die Freyheit, das ist, der Begriff, und da-
mit alles, was wahrhaft ist, jenseits derselben
liegt, und von ihr unerreichbar ist. -- Nach dem Kan-
tischen Resultate ist es der eigenthümliche Stoff der Me-
taphysik, der sie in Widersprüche führt, und das Un-
zureichende des Erkennens besteht in seiner Subjecti-
vität
, nach dem Jacobischen ist es die Methode und
ganze Natur des Erkennens selbst, das nur einen Zu-
sammenhang der Bedingtheit
und Abhängig-
keit
erfaßt, und daher dem, was an und für sich und
das absolut-Wahre ist, sich unangemessen zeigt. In
der That, indem das Princip der Philosophie der un-
endliche freye Begriff
ist, und aller ihr Inhalt
allein auf demselben beruht, so ist die Methode der be-
grifflosen Endlichkeit nicht auf jenen passend. Die

Syn-

III. Abſchnitt. Idee.
ganze Weiſe der vormaligen Metaphyſik und damit ihre
Methode uͤber den Hauffen geworfen worden. Kant
hat von dem Inhalte jener Metaphyſik nach ſeiner Weiſe
gezeigt, daß derſelbe durch die ſtrenge Demonſtration
auf Antinomien, deren uͤbrige Beſchaffenheit an den
gehoͤrigen Orten beleuchtet worden iſt, fuͤhre; aber auf
die Natur dieſes Demonſtrirens ſelbſt, das an einen
endlichen Inhalt geknuͤpft iſt, hat er nicht reflectirt;
das eine aber muß mit dem andern fallen. In ſeinen
Anfangsgruͤnden der Naturwiſſenſchaft hat
er ſelbſt ein Beyſpiel gegeben, eine Wiſſenſchaft, welche
er auf dieſe Weiſe der Philoſophie zu vindiciren gedach-
te, als eine Reflexionswiſſenſchaft und in der Methode
derſelben zu behandeln. — Wenn Kant mehr der Mate-
rie nach, die vormalige Metaphyſik angriff, ſo hat ſie
Jacobi vornemlich von Seiten ihrer Weiſe zu demon-
ſtriren angegriffen, und den Punkt, worauf es ankommt,
aufs lichteſte und tiefſte herausgehoben, daß nemlich
ſolche Methode der Demonſtration ſchlechthin in den Kreis
der ſtarren Nothwendigkeit des Endlichen gebunden iſt,
und die Freyheit, das iſt, der Begriff, und da-
mit alles, was wahrhaft iſt, jenſeits derſelben
liegt, und von ihr unerreichbar iſt. — Nach dem Kan-
tiſchen Reſultate iſt es der eigenthuͤmliche Stoff der Me-
taphyſik, der ſie in Widerſpruͤche fuͤhrt, und das Un-
zureichende des Erkennens beſteht in ſeiner Subjecti-
vitaͤt
, nach dem Jacobiſchen iſt es die Methode und
ganze Natur des Erkennens ſelbſt, das nur einen Zu-
ſammenhang der Bedingtheit
und Abhaͤngig-
keit
erfaßt, und daher dem, was an und fuͤr ſich und
das abſolut-Wahre iſt, ſich unangemeſſen zeigt. In
der That, indem das Princip der Philoſophie der un-
endliche freye Begriff
iſt, und aller ihr Inhalt
allein auf demſelben beruht, ſo iſt die Methode der be-
griffloſen Endlichkeit nicht auf jenen paſſend. Die

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[360/0378] III. Abſchnitt. Idee. ganze Weiſe der vormaligen Metaphyſik und damit ihre Methode uͤber den Hauffen geworfen worden. Kant hat von dem Inhalte jener Metaphyſik nach ſeiner Weiſe gezeigt, daß derſelbe durch die ſtrenge Demonſtration auf Antinomien, deren uͤbrige Beſchaffenheit an den gehoͤrigen Orten beleuchtet worden iſt, fuͤhre; aber auf die Natur dieſes Demonſtrirens ſelbſt, das an einen endlichen Inhalt geknuͤpft iſt, hat er nicht reflectirt; das eine aber muß mit dem andern fallen. In ſeinen Anfangsgruͤnden der Naturwiſſenſchaft hat er ſelbſt ein Beyſpiel gegeben, eine Wiſſenſchaft, welche er auf dieſe Weiſe der Philoſophie zu vindiciren gedach- te, als eine Reflexionswiſſenſchaft und in der Methode derſelben zu behandeln. — Wenn Kant mehr der Mate- rie nach, die vormalige Metaphyſik angriff, ſo hat ſie Jacobi vornemlich von Seiten ihrer Weiſe zu demon- ſtriren angegriffen, und den Punkt, worauf es ankommt, aufs lichteſte und tiefſte herausgehoben, daß nemlich ſolche Methode der Demonſtration ſchlechthin in den Kreis der ſtarren Nothwendigkeit des Endlichen gebunden iſt, und die Freyheit, das iſt, der Begriff, und da- mit alles, was wahrhaft iſt, jenſeits derſelben liegt, und von ihr unerreichbar iſt. — Nach dem Kan- tiſchen Reſultate iſt es der eigenthuͤmliche Stoff der Me- taphyſik, der ſie in Widerſpruͤche fuͤhrt, und das Un- zureichende des Erkennens beſteht in ſeiner Subjecti- vitaͤt, nach dem Jacobiſchen iſt es die Methode und ganze Natur des Erkennens ſelbſt, das nur einen Zu- ſammenhang der Bedingtheit und Abhaͤngig- keit erfaßt, und daher dem, was an und fuͤr ſich und das abſolut-Wahre iſt, ſich unangemeſſen zeigt. In der That, indem das Princip der Philoſophie der un- endliche freye Begriff iſt, und aller ihr Inhalt allein auf demſelben beruht, ſo iſt die Methode der be- griffloſen Endlichkeit nicht auf jenen paſſend. Die Syn-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/378>, abgerufen am 17.05.2024.