Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Kapitel. Das Erkennen.
Formbestimmung des Begriffes ohne ihre Reflexion- in-
sich nachgeht, daher die Inhalts-Bestimmtheit aus dem Ge-
gebenen nimmt. Für das Besondere, das in der Einthei-
lung eintritt, ist kein eigener Grund vorhanden, weder
in Ansehung dessen, was den Eintheilungsgrund aus-
machen, noch in Ansehung des bestimmten Verhält-
nisses, das die Glieder der Disjunction zu einander ha-
ben sollen. Das Geschäft des Erkennens kann daher
in dieser Rücksicht nur darin bestehen, theils das im em-
pirischen Stoffe aufgefundene Besondere zu ordnen, theils
auch allgemeine Bestimmungen desselben durch die Ver-
gleichung zu finden. Die letztern gelten alsdann als
Eintheilungsgründe, deren vielfältige seyn können, so
wie auch der Eintheilungen eben so mannichfaltige dar-
nach Statt haben. Das Verhältniß der Glieder einer
Eintheilung zu einander, der Arten, hat nur diese all-
gemeine Bestimmung, daß sie nach dem angenom-
menen Eintheilungsgrund
bestimmt gegen einan-
der seyen; beruhte ihre Verschiedenheit auf einer an-
dern Rücksicht, so würden sie nicht auf gleicher Linie
einander coordinirt seyn.

Wegen des ermangelnden Princips des Fürsich-
selbst-Bestimmtseyns, können die Gesetze für dieses Ein-
theilungsgeschäft nur in formellen, leeren Regeln beste-
hen, die zu nichts führen. -- So sehen wir als Regel
aufgestellt, daß die Eintheilung den Begriff erschöpfen
solle; aber in der That muß jedes einzelne Einthei-
lungsglied den Begriff erschöpfen. Es ist aber ei-
gentlich die Bestimmtheit desselben gemeynt, welche
erschöpft werden soll; allein bey der empirischen, in sich
bestimmungslosen Mannichfaltigkeit der Arten trägt es
zur Erschöpfung des Begriffs nichts bey, ob deren mehr
oder weniger vorgefunden werden; ob z. B. zu den 67
Arten von Papageyen noch ein Dutzend weiter aufgefun-

den

II. Kapitel. Das Erkennen.
Formbeſtimmung des Begriffes ohne ihre Reflexion- in-
ſich nachgeht, daher die Inhalts-Beſtimmtheit aus dem Ge-
gebenen nimmt. Fuͤr das Beſondere, das in der Einthei-
lung eintritt, iſt kein eigener Grund vorhanden, weder
in Anſehung deſſen, was den Eintheilungsgrund aus-
machen, noch in Anſehung des beſtimmten Verhaͤlt-
niſſes, das die Glieder der Disjunction zu einander ha-
ben ſollen. Das Geſchaͤft des Erkennens kann daher
in dieſer Ruͤckſicht nur darin beſtehen, theils das im em-
piriſchen Stoffe aufgefundene Beſondere zu ordnen, theils
auch allgemeine Beſtimmungen deſſelben durch die Ver-
gleichung zu finden. Die letztern gelten alsdann als
Eintheilungsgruͤnde, deren vielfaͤltige ſeyn koͤnnen, ſo
wie auch der Eintheilungen eben ſo mannichfaltige dar-
nach Statt haben. Das Verhaͤltniß der Glieder einer
Eintheilung zu einander, der Arten, hat nur dieſe all-
gemeine Beſtimmung, daß ſie nach dem angenom-
menen Eintheilungsgrund
beſtimmt gegen einan-
der ſeyen; beruhte ihre Verſchiedenheit auf einer an-
dern Ruͤckſicht, ſo wuͤrden ſie nicht auf gleicher Linie
einander coordinirt ſeyn.

Wegen des ermangelnden Princips des Fuͤrſich-
ſelbſt-Beſtimmtſeyns, koͤnnen die Geſetze fuͤr dieſes Ein-
theilungsgeſchaͤft nur in formellen, leeren Regeln beſte-
hen, die zu nichts fuͤhren. — So ſehen wir als Regel
aufgeſtellt, daß die Eintheilung den Begriff erſchoͤpfen
ſolle; aber in der That muß jedes einzelne Einthei-
lungsglied den Begriff erſchoͤpfen. Es iſt aber ei-
gentlich die Beſtimmtheit deſſelben gemeynt, welche
erſchoͤpft werden ſoll; allein bey der empiriſchen, in ſich
beſtimmungsloſen Mannichfaltigkeit der Arten traͤgt es
zur Erſchoͤpfung des Begriffs nichts bey, ob deren mehr
oder weniger vorgefunden werden; ob z. B. zu den 67
Arten von Papageyen noch ein Dutzend weiter aufgefun-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0359" n="341"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Kapitel. Das Erkennen</hi>.</fw><lb/>
Formbe&#x017F;timmung des Begriffes ohne ihre Reflexion- in-<lb/>
&#x017F;ich nachgeht, daher die Inhalts-Be&#x017F;timmtheit aus dem Ge-<lb/>
gebenen nimmt. Fu&#x0364;r das Be&#x017F;ondere, das in der Einthei-<lb/>
lung eintritt, i&#x017F;t kein eigener Grund vorhanden, weder<lb/>
in An&#x017F;ehung de&#x017F;&#x017F;en, was den Eintheilungsgrund aus-<lb/>
machen, noch in An&#x017F;ehung des be&#x017F;timmten Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;es, das die Glieder der Disjunction zu einander ha-<lb/>
ben &#x017F;ollen. Das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft des Erkennens kann daher<lb/>
in die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nur darin be&#x017F;tehen, theils das im em-<lb/>
piri&#x017F;chen Stoffe aufgefundene Be&#x017F;ondere zu ordnen, theils<lb/>
auch allgemeine Be&#x017F;timmungen de&#x017F;&#x017F;elben durch die Ver-<lb/>
gleichung zu finden. Die letztern gelten alsdann als<lb/>
Eintheilungsgru&#x0364;nde, deren vielfa&#x0364;ltige &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, &#x017F;o<lb/>
wie auch der Eintheilungen eben &#x017F;o mannichfaltige dar-<lb/>
nach Statt haben. Das Verha&#x0364;ltniß der Glieder einer<lb/>
Eintheilung zu einander, der Arten, hat nur die&#x017F;e all-<lb/>
gemeine Be&#x017F;timmung, daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">nach dem angenom-<lb/>
menen Eintheilungsgrund</hi> be&#x017F;timmt gegen einan-<lb/>
der &#x017F;eyen; beruhte ihre Ver&#x017F;chiedenheit auf einer an-<lb/>
dern Ru&#x0364;ck&#x017F;icht, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie nicht auf gleicher Linie<lb/>
einander coordinirt &#x017F;eyn.</p><lb/>
                  <p>Wegen des ermangelnden Princips des Fu&#x0364;r&#x017F;ich-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t-Be&#x017F;timmt&#x017F;eyns, ko&#x0364;nnen die Ge&#x017F;etze fu&#x0364;r die&#x017F;es Ein-<lb/>
theilungsge&#x017F;cha&#x0364;ft nur in formellen, leeren Regeln be&#x017F;te-<lb/>
hen, die zu nichts fu&#x0364;hren. &#x2014; So &#x017F;ehen wir als Regel<lb/>
aufge&#x017F;tellt, daß die Eintheilung den Begriff <hi rendition="#g">er&#x017F;cho&#x0364;pfen</hi><lb/>
&#x017F;olle; aber in der That muß jedes einzelne Einthei-<lb/>
lungsglied <hi rendition="#g">den Begriff</hi> er&#x017F;cho&#x0364;pfen. Es i&#x017F;t aber ei-<lb/>
gentlich die <hi rendition="#g">Be&#x017F;timmtheit</hi> de&#x017F;&#x017F;elben gemeynt, welche<lb/>
er&#x017F;cho&#x0364;pft werden &#x017F;oll; allein bey der empiri&#x017F;chen, in &#x017F;ich<lb/>
be&#x017F;timmungslo&#x017F;en Mannichfaltigkeit der Arten tra&#x0364;gt es<lb/>
zur Er&#x017F;cho&#x0364;pfung des Begriffs nichts bey, ob deren mehr<lb/>
oder weniger vorgefunden werden; ob z. B. zu den 67<lb/>
Arten von Papageyen noch ein Dutzend weiter aufgefun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0359] II. Kapitel. Das Erkennen. Formbeſtimmung des Begriffes ohne ihre Reflexion- in- ſich nachgeht, daher die Inhalts-Beſtimmtheit aus dem Ge- gebenen nimmt. Fuͤr das Beſondere, das in der Einthei- lung eintritt, iſt kein eigener Grund vorhanden, weder in Anſehung deſſen, was den Eintheilungsgrund aus- machen, noch in Anſehung des beſtimmten Verhaͤlt- niſſes, das die Glieder der Disjunction zu einander ha- ben ſollen. Das Geſchaͤft des Erkennens kann daher in dieſer Ruͤckſicht nur darin beſtehen, theils das im em- piriſchen Stoffe aufgefundene Beſondere zu ordnen, theils auch allgemeine Beſtimmungen deſſelben durch die Ver- gleichung zu finden. Die letztern gelten alsdann als Eintheilungsgruͤnde, deren vielfaͤltige ſeyn koͤnnen, ſo wie auch der Eintheilungen eben ſo mannichfaltige dar- nach Statt haben. Das Verhaͤltniß der Glieder einer Eintheilung zu einander, der Arten, hat nur dieſe all- gemeine Beſtimmung, daß ſie nach dem angenom- menen Eintheilungsgrund beſtimmt gegen einan- der ſeyen; beruhte ihre Verſchiedenheit auf einer an- dern Ruͤckſicht, ſo wuͤrden ſie nicht auf gleicher Linie einander coordinirt ſeyn. Wegen des ermangelnden Princips des Fuͤrſich- ſelbſt-Beſtimmtſeyns, koͤnnen die Geſetze fuͤr dieſes Ein- theilungsgeſchaͤft nur in formellen, leeren Regeln beſte- hen, die zu nichts fuͤhren. — So ſehen wir als Regel aufgeſtellt, daß die Eintheilung den Begriff erſchoͤpfen ſolle; aber in der That muß jedes einzelne Einthei- lungsglied den Begriff erſchoͤpfen. Es iſt aber ei- gentlich die Beſtimmtheit deſſelben gemeynt, welche erſchoͤpft werden ſoll; allein bey der empiriſchen, in ſich beſtimmungsloſen Mannichfaltigkeit der Arten traͤgt es zur Erſchoͤpfung des Begriffs nichts bey, ob deren mehr oder weniger vorgefunden werden; ob z. B. zu den 67 Arten von Papageyen noch ein Dutzend weiter aufgefun- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/359
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/359>, abgerufen am 25.11.2024.