Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

im Allgemeinen.
lung zuerst für sich da ist, und daß dann der Ver-
stand dazu hintrete, Einheit in denselben bringe,
und ihn durch Abstraction in die Form der Allge-
meinheit
erhebe. Der Verstand ist auf diese Weise
eine für sich leere Form, welche theils nur durch jenen
gegebenen Inhalt Realität erhält, theils von ihm
abstrahirt, nemlich ihn als etwas aber nur für den
Begriff unbrauchbares wegläst. Der Begriff ist in
dem einen und dem andern Thun nicht das unabhängige,
nicht das Wesentliche und Wahre jenes vorausgehenden
Stoffes, welches vielmehr die Realität an und für sich
ist, die sich aus dem Begriffe nicht herausklauben läßt.

Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß
der Begriff als solcher noch nicht vollständig ist,
sondern in die Idee sich erheben muß, welche erst die
Einheit des Begriffs und der Realität ist; wie sich in
dem Verfolge durch die Natur des Begriffes selbst er-
geben
muß. Denn die Realität, die er sich gibt, darf
nicht als ein äusserliches aufgenommen, sondern muß
nach wissenschaftlicher Foderung aus ihm selbst abgeleitet
werden. Aber es ist wahrhaftig nicht jener durch die
Anschauung und die Vorstellung gegebene Stoff, wel-
cher gegen den Begriff als das Reale geltend gemacht
werden darf. "Es ist nur ein Begriff," pflegt
man zu sagen, indem man nicht nur die Idee, sondern
das sinnliche, räumliche und zeitliche handgreifliche Da-
seyn, als etwas gegenüberstellt, das vortreflicher sey,
als der Begriff. Das Abstracte hält man dann
darum für geringer, als das Concrete, weil aus jenem
so viel dergleichen Stoff weggelassen worden sey. Das
Abstrahiren hat in dieser Meynung die Bedeutung, daß
aus dem Concreten nur zu unserem subjectiven
Behuf, ein
oder das andere Merkmahl so her-
ausgenommen werden, daß mit dem Weglassen so vieler

ande-
B

im Allgemeinen.
lung zuerſt fuͤr ſich da iſt, und daß dann der Ver-
ſtand dazu hintrete, Einheit in denſelben bringe,
und ihn durch Abſtraction in die Form der Allge-
meinheit
erhebe. Der Verſtand iſt auf dieſe Weiſe
eine fuͤr ſich leere Form, welche theils nur durch jenen
gegebenen Inhalt Realitaͤt erhaͤlt, theils von ihm
abſtrahirt, nemlich ihn als etwas aber nur fuͤr den
Begriff unbrauchbares weglaͤſt. Der Begriff iſt in
dem einen und dem andern Thun nicht das unabhaͤngige,
nicht das Weſentliche und Wahre jenes vorausgehenden
Stoffes, welches vielmehr die Realitaͤt an und fuͤr ſich
iſt, die ſich aus dem Begriffe nicht herausklauben laͤßt.

Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß
der Begriff als ſolcher noch nicht vollſtaͤndig iſt,
ſondern in die Idee ſich erheben muß, welche erſt die
Einheit des Begriffs und der Realitaͤt iſt; wie ſich in
dem Verfolge durch die Natur des Begriffes ſelbſt er-
geben
muß. Denn die Realitaͤt, die er ſich gibt, darf
nicht als ein aͤuſſerliches aufgenommen, ſondern muß
nach wiſſenſchaftlicher Foderung aus ihm ſelbſt abgeleitet
werden. Aber es iſt wahrhaftig nicht jener durch die
Anſchauung und die Vorſtellung gegebene Stoff, wel-
cher gegen den Begriff als das Reale geltend gemacht
werden darf. „Es iſt nur ein Begriff,“ pflegt
man zu ſagen, indem man nicht nur die Idee, ſondern
das ſinnliche, raͤumliche und zeitliche handgreifliche Da-
ſeyn, als etwas gegenuͤberſtellt, das vortreflicher ſey,
als der Begriff. Das Abſtracte haͤlt man dann
darum fuͤr geringer, als das Concrete, weil aus jenem
ſo viel dergleichen Stoff weggelaſſen worden ſey. Das
Abſtrahiren hat in dieſer Meynung die Bedeutung, daß
aus dem Concreten nur zu unſerem ſubjectiven
Behuf, ein
oder das andere Merkmahl ſo her-
ausgenommen werden, daß mit dem Weglaſſen ſo vieler

ande-
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">im Allgemeinen</hi>.</fw><lb/>
lung zuer&#x017F;t <hi rendition="#g">fu&#x0364;r &#x017F;ich da</hi> i&#x017F;t, und daß dann der Ver-<lb/>
&#x017F;tand dazu <hi rendition="#g">hintrete, Einheit</hi> in den&#x017F;elben bringe,<lb/>
und ihn durch <hi rendition="#g">Ab&#x017F;traction</hi> in die Form der <hi rendition="#g">Allge-<lb/>
meinheit</hi> erhebe. Der Ver&#x017F;tand i&#x017F;t auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e<lb/>
eine fu&#x0364;r &#x017F;ich leere <hi rendition="#g">Form</hi>, welche theils nur durch jenen<lb/><hi rendition="#g">gegebenen</hi> Inhalt Realita&#x0364;t erha&#x0364;lt, theils von ihm<lb/><hi rendition="#g">ab&#x017F;trahirt</hi>, nemlich ihn als etwas aber nur fu&#x0364;r den<lb/>
Begriff unbrauchbares <hi rendition="#g">wegla&#x0364;&#x017F;t</hi>. Der Begriff i&#x017F;t in<lb/>
dem einen und dem andern Thun nicht das unabha&#x0364;ngige,<lb/>
nicht das We&#x017F;entliche und Wahre jenes vorausgehenden<lb/>
Stoffes, welches vielmehr die Realita&#x0364;t an und fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
i&#x017F;t, die &#x017F;ich aus dem Begriffe nicht herausklauben la&#x0364;ßt.</p><lb/>
        <p>Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß<lb/>
der <hi rendition="#g">Begriff als &#x017F;olcher</hi> noch nicht voll&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ondern in die <hi rendition="#g">Idee</hi> &#x017F;ich erheben muß, welche er&#x017F;t die<lb/>
Einheit des Begriffs und der Realita&#x0364;t i&#x017F;t; wie <hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi> in<lb/>
dem Verfolge durch die Natur des Begriffes <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t er-<lb/>
geben</hi> muß. Denn die Realita&#x0364;t, die er &#x017F;ich gibt, darf<lb/>
nicht als ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliches aufgenommen, &#x017F;ondern muß<lb/>
nach wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Foderung aus ihm &#x017F;elb&#x017F;t abgeleitet<lb/>
werden. Aber es i&#x017F;t wahrhaftig nicht jener durch die<lb/>
An&#x017F;chauung und die Vor&#x017F;tellung gegebene Stoff, wel-<lb/>
cher gegen den Begriff als das <hi rendition="#g">Reale</hi> geltend gemacht<lb/>
werden darf. &#x201E;<hi rendition="#g">Es i&#x017F;t nur ein Begriff</hi>,&#x201C; pflegt<lb/>
man zu &#x017F;agen, indem man nicht nur die Idee, &#x017F;ondern<lb/>
das &#x017F;innliche, ra&#x0364;umliche und zeitliche handgreifliche Da-<lb/>
&#x017F;eyn, als etwas gegenu&#x0364;ber&#x017F;tellt, das vortreflicher &#x017F;ey,<lb/>
als der Begriff. Das <hi rendition="#g">Ab&#x017F;tracte</hi> ha&#x0364;lt man dann<lb/>
darum fu&#x0364;r geringer, als das Concrete, weil aus jenem<lb/>
&#x017F;o viel dergleichen Stoff weggela&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;ey. Das<lb/>
Ab&#x017F;trahiren hat in die&#x017F;er Meynung die Bedeutung, daß<lb/>
aus dem Concreten nur <hi rendition="#g">zu un&#x017F;erem &#x017F;ubjectiven<lb/>
Behuf, ein</hi> oder <hi rendition="#g">das andere Merkmahl</hi> &#x017F;o her-<lb/>
ausgenommen werden, daß mit dem Wegla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o vieler<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">ande-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0035] im Allgemeinen. lung zuerſt fuͤr ſich da iſt, und daß dann der Ver- ſtand dazu hintrete, Einheit in denſelben bringe, und ihn durch Abſtraction in die Form der Allge- meinheit erhebe. Der Verſtand iſt auf dieſe Weiſe eine fuͤr ſich leere Form, welche theils nur durch jenen gegebenen Inhalt Realitaͤt erhaͤlt, theils von ihm abſtrahirt, nemlich ihn als etwas aber nur fuͤr den Begriff unbrauchbares weglaͤſt. Der Begriff iſt in dem einen und dem andern Thun nicht das unabhaͤngige, nicht das Weſentliche und Wahre jenes vorausgehenden Stoffes, welches vielmehr die Realitaͤt an und fuͤr ſich iſt, die ſich aus dem Begriffe nicht herausklauben laͤßt. Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß der Begriff als ſolcher noch nicht vollſtaͤndig iſt, ſondern in die Idee ſich erheben muß, welche erſt die Einheit des Begriffs und der Realitaͤt iſt; wie ſich in dem Verfolge durch die Natur des Begriffes ſelbſt er- geben muß. Denn die Realitaͤt, die er ſich gibt, darf nicht als ein aͤuſſerliches aufgenommen, ſondern muß nach wiſſenſchaftlicher Foderung aus ihm ſelbſt abgeleitet werden. Aber es iſt wahrhaftig nicht jener durch die Anſchauung und die Vorſtellung gegebene Stoff, wel- cher gegen den Begriff als das Reale geltend gemacht werden darf. „Es iſt nur ein Begriff,“ pflegt man zu ſagen, indem man nicht nur die Idee, ſondern das ſinnliche, raͤumliche und zeitliche handgreifliche Da- ſeyn, als etwas gegenuͤberſtellt, das vortreflicher ſey, als der Begriff. Das Abſtracte haͤlt man dann darum fuͤr geringer, als das Concrete, weil aus jenem ſo viel dergleichen Stoff weggelaſſen worden ſey. Das Abſtrahiren hat in dieſer Meynung die Bedeutung, daß aus dem Concreten nur zu unſerem ſubjectiven Behuf, ein oder das andere Merkmahl ſo her- ausgenommen werden, daß mit dem Weglaſſen ſo vieler ande- B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/35
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/35>, abgerufen am 28.11.2024.