Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. Idee.
tersuchte, so hätte sie noch mehr die festgehaltene Ab-
straction des leeren Ich, die vermeynte Idee des Dings-
an-sich untersuchen müssen, das sich eben um seiner
Abstraction willen vielmehr als ein ganz Unwahres
zeigt; die Erfahrung der beklagten Unbequemlichkeit ist
selbst das empirische Factum, worin die Unwahrheit je-
ner Abstraction sich ausspricht.

Nur des Mendelssohnschen Beweises von der Be-
harrlichkeit der Seele erwähnt die Kantische Kritik der
rationalen Psychologie, und ich führe ihre Widerlegung
desselben noch um der Merkwürdigkeit desjenigen willen
an, was ihm entgegengestellt wird. Jener Beweis
gründet sich auf die Einfachheit der Seele, vermöge
der sie der Veränderung, des Uebergehens in ein
anderes
in der Zeit nicht fähig sey. Die qualitative
Einfachheit ist die oben betrachtete Form der Ab-
straction
überhaupt; als qualitative Bestimmtheit
ist sie in der Sphäre des Seyns untersucht und bewie-
sen worden, daß das Qualitative als solche sich abstract
auf sich beziehende Bestimmtheit vielmehr eben darum
dialektisch und nur das Uebergehen in ein anderes ist.
Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Be-
ziehung auf Beharrlichkeit, Unzerstörbarkeit, Unvergäng-
lichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und
für sich seyende und Ewige ist, weil er nicht die ab-
stracte
sondern concrete Einfachheit, nicht sich auf
sich abstract beziehendes Bestimmtseyn, sondern die Ein-
heit seiner selbst und seines andern ist, in das
er also nicht so übergehen kann, als ob er sich darin
veränderte, eben darum, weil das Andre, das Be-
stimmtseyn, er selbst ist, und er in diesem Uebergehen
daher nur zu sich selbst kommt. -- Die Kantische Kritik
setzt nun jener qualitativen Bestimmung der Be-
griffseinheit, die quantitative entgegen. Obgleich

die

III. Abſchnitt. Idee.
terſuchte, ſo haͤtte ſie noch mehr die feſtgehaltene Ab-
ſtraction des leeren Ich, die vermeynte Idee des Dings-
an-ſich unterſuchen muͤſſen, das ſich eben um ſeiner
Abſtraction willen vielmehr als ein ganz Unwahres
zeigt; die Erfahrung der beklagten Unbequemlichkeit iſt
ſelbſt das empiriſche Factum, worin die Unwahrheit je-
ner Abſtraction ſich ausſpricht.

Nur des Mendelsſohnſchen Beweiſes von der Be-
harrlichkeit der Seele erwaͤhnt die Kantiſche Kritik der
rationalen Pſychologie, und ich fuͤhre ihre Widerlegung
deſſelben noch um der Merkwuͤrdigkeit desjenigen willen
an, was ihm entgegengeſtellt wird. Jener Beweis
gruͤndet ſich auf die Einfachheit der Seele, vermoͤge
der ſie der Veraͤnderung, des Uebergehens in ein
anderes
in der Zeit nicht faͤhig ſey. Die qualitative
Einfachheit iſt die oben betrachtete Form der Ab-
ſtraction
uͤberhaupt; als qualitative Beſtimmtheit
iſt ſie in der Sphaͤre des Seyns unterſucht und bewie-
ſen worden, daß das Qualitative als ſolche ſich abſtract
auf ſich beziehende Beſtimmtheit vielmehr eben darum
dialektiſch und nur das Uebergehen in ein anderes iſt.
Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Be-
ziehung auf Beharrlichkeit, Unzerſtoͤrbarkeit, Unvergaͤng-
lichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und
fuͤr ſich ſeyende und Ewige iſt, weil er nicht die ab-
ſtracte
ſondern concrete Einfachheit, nicht ſich auf
ſich abſtract beziehendes Beſtimmtſeyn, ſondern die Ein-
heit ſeiner ſelbſt und ſeines andern iſt, in das
er alſo nicht ſo uͤbergehen kann, als ob er ſich darin
veraͤnderte, eben darum, weil das Andre, das Be-
ſtimmtſeyn, er ſelbſt iſt, und er in dieſem Uebergehen
daher nur zu ſich ſelbſt kommt. — Die Kantiſche Kritik
ſetzt nun jener qualitativen Beſtimmung der Be-
griffseinheit, die quantitative entgegen. Obgleich

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0322" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt. Idee</hi>.</fw><lb/>
ter&#x017F;uchte, &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie noch mehr die fe&#x017F;tgehaltene Ab-<lb/>
&#x017F;traction des leeren Ich, die vermeynte Idee des Dings-<lb/>
an-&#x017F;ich unter&#x017F;uchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, das &#x017F;ich eben um &#x017F;einer<lb/>
Ab&#x017F;traction willen vielmehr als ein ganz Unwahres<lb/>
zeigt; die Erfahrung der beklagten Unbequemlichkeit i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t das empiri&#x017F;che Factum, worin die Unwahrheit je-<lb/>
ner Ab&#x017F;traction &#x017F;ich aus&#x017F;pricht.</p><lb/>
            <p>Nur des Mendels&#x017F;ohn&#x017F;chen Bewei&#x017F;es von der Be-<lb/>
harrlichkeit der Seele erwa&#x0364;hnt die Kanti&#x017F;che Kritik der<lb/>
rationalen P&#x017F;ychologie, und ich fu&#x0364;hre ihre Widerlegung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben noch um der Merkwu&#x0364;rdigkeit desjenigen willen<lb/>
an, was ihm entgegenge&#x017F;tellt wird. Jener Beweis<lb/>
gru&#x0364;ndet &#x017F;ich auf die <hi rendition="#g">Einfachheit</hi> der Seele, vermo&#x0364;ge<lb/>
der &#x017F;ie der Vera&#x0364;nderung, <hi rendition="#g">des Uebergehens in ein<lb/>
anderes</hi> in der Zeit nicht fa&#x0364;hig &#x017F;ey. Die qualitative<lb/>
Einfachheit i&#x017F;t die oben betrachtete Form der <hi rendition="#g">Ab-<lb/>
&#x017F;traction</hi> u&#x0364;berhaupt; als <hi rendition="#g">qualitative</hi> Be&#x017F;timmtheit<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie in der Spha&#x0364;re des Seyns unter&#x017F;ucht und bewie-<lb/>
&#x017F;en worden, daß das Qualitative als &#x017F;olche &#x017F;ich ab&#x017F;tract<lb/>
auf &#x017F;ich beziehende Be&#x017F;timmtheit vielmehr eben darum<lb/>
dialekti&#x017F;ch und nur das Uebergehen in ein anderes i&#x017F;t.<lb/>
Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Be-<lb/>
ziehung auf Beharrlichkeit, Unzer&#x017F;to&#x0364;rbarkeit, Unverga&#x0364;ng-<lb/>
lichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;eyende und Ewige i&#x017F;t, weil er nicht die <hi rendition="#g">ab-<lb/>
&#x017F;tracte</hi> &#x017F;ondern <hi rendition="#g">concrete</hi> Einfachheit, nicht &#x017F;ich auf<lb/>
&#x017F;ich ab&#x017F;tract beziehendes Be&#x017F;timmt&#x017F;eyn, &#x017F;ondern die Ein-<lb/>
heit <hi rendition="#g">&#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t und &#x017F;eines andern</hi> i&#x017F;t, in das<lb/>
er al&#x017F;o nicht &#x017F;o u&#x0364;bergehen kann, als ob er &#x017F;ich darin<lb/>
vera&#x0364;nderte, eben darum, weil das <hi rendition="#g">Andre</hi>, das Be-<lb/>
&#x017F;timmt&#x017F;eyn, er &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, und er in die&#x017F;em Uebergehen<lb/>
daher nur zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kommt. &#x2014; Die Kanti&#x017F;che Kritik<lb/>
&#x017F;etzt nun jener <hi rendition="#g">qualitativen</hi> Be&#x017F;timmung der Be-<lb/>
griffseinheit, die <hi rendition="#g">quantitative</hi> entgegen. Obgleich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0322] III. Abſchnitt. Idee. terſuchte, ſo haͤtte ſie noch mehr die feſtgehaltene Ab- ſtraction des leeren Ich, die vermeynte Idee des Dings- an-ſich unterſuchen muͤſſen, das ſich eben um ſeiner Abſtraction willen vielmehr als ein ganz Unwahres zeigt; die Erfahrung der beklagten Unbequemlichkeit iſt ſelbſt das empiriſche Factum, worin die Unwahrheit je- ner Abſtraction ſich ausſpricht. Nur des Mendelsſohnſchen Beweiſes von der Be- harrlichkeit der Seele erwaͤhnt die Kantiſche Kritik der rationalen Pſychologie, und ich fuͤhre ihre Widerlegung deſſelben noch um der Merkwuͤrdigkeit desjenigen willen an, was ihm entgegengeſtellt wird. Jener Beweis gruͤndet ſich auf die Einfachheit der Seele, vermoͤge der ſie der Veraͤnderung, des Uebergehens in ein anderes in der Zeit nicht faͤhig ſey. Die qualitative Einfachheit iſt die oben betrachtete Form der Ab- ſtraction uͤberhaupt; als qualitative Beſtimmtheit iſt ſie in der Sphaͤre des Seyns unterſucht und bewie- ſen worden, daß das Qualitative als ſolche ſich abſtract auf ſich beziehende Beſtimmtheit vielmehr eben darum dialektiſch und nur das Uebergehen in ein anderes iſt. Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Be- ziehung auf Beharrlichkeit, Unzerſtoͤrbarkeit, Unvergaͤng- lichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und fuͤr ſich ſeyende und Ewige iſt, weil er nicht die ab- ſtracte ſondern concrete Einfachheit, nicht ſich auf ſich abſtract beziehendes Beſtimmtſeyn, ſondern die Ein- heit ſeiner ſelbſt und ſeines andern iſt, in das er alſo nicht ſo uͤbergehen kann, als ob er ſich darin veraͤnderte, eben darum, weil das Andre, das Be- ſtimmtſeyn, er ſelbſt iſt, und er in dieſem Uebergehen daher nur zu ſich ſelbſt kommt. — Die Kantiſche Kritik ſetzt nun jener qualitativen Beſtimmung der Be- griffseinheit, die quantitative entgegen. Obgleich die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/322
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/322>, abgerufen am 18.05.2024.