Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.Idee. weil sie in Ansehung der Erscheinungen transcen-dent, weil ihr kein congruirender Gegenstand in der Sinnenwelt gegeben werden könne, so ist diß ein son- derbarer Mißverstand, indem der Idee deßwegen ob- jective Gültigkeit abgesprochen wird, weil ihr dasjenige fehle, was die Erscheinung, das unwahre Seyn der objectiven Welt, ausmacht. In Ansehung der prakti- schen Ideen erkennt es Kant, daß "nichts schädlicheres und eines Philosophen unwürdigeres gefunden werden könne, als die pöbelhafte Beruffung auf vorgeblich, gegen die Idee, widerstreitende Erfahrung. Diese würde selbst gar nicht existiren, wenn z. B. Staatsan- stalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen wären, und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben da- rum, weil sie aus Erfahrung geschöpft wor- den, alle gute Absicht vereitelt hätten." Kant sieht die Idee als etwas nothwendiges als das Ziel an, das als das Urbild für ein Maximum aufzustellen und dem den Zustand der Wirklichkeit immer näher zu bringen, das Bestreben seyn müsse. Indem sich aber das Resultat ergeben hat, daß die con-
Idee. weil ſie in Anſehung der Erſcheinungen tranſcen-dent, weil ihr kein congruirender Gegenſtand in der Sinnenwelt gegeben werden koͤnne, ſo iſt diß ein ſon- derbarer Mißverſtand, indem der Idee deßwegen ob- jective Guͤltigkeit abgeſprochen wird, weil ihr dasjenige fehle, was die Erſcheinung, das unwahre Seyn der objectiven Welt, ausmacht. In Anſehung der prakti- ſchen Ideen erkennt es Kant, daß „nichts ſchaͤdlicheres und eines Philoſophen unwuͤrdigeres gefunden werden koͤnne, als die poͤbelhafte Beruffung auf vorgeblich, gegen die Idee, widerſtreitende Erfahrung. Dieſe wuͤrde ſelbſt gar nicht exiſtiren, wenn z. B. Staatsan- ſtalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen waͤren, und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben da- rum, weil ſie aus Erfahrung geſchoͤpft wor- den, alle gute Abſicht vereitelt haͤtten.“ Kant ſieht die Idee als etwas nothwendiges als das Ziel an, das als das Urbild fuͤr ein Maximum aufzuſtellen und dem den Zuſtand der Wirklichkeit immer naͤher zu bringen, das Beſtreben ſeyn muͤſſe. Indem ſich aber das Reſultat ergeben hat, daß die con-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0287" n="269"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Idee</hi>.</fw><lb/> weil ſie in Anſehung der Erſcheinungen <hi rendition="#g">tranſcen-<lb/> dent</hi>, weil ihr kein congruirender Gegenſtand in der<lb/> Sinnenwelt gegeben werden koͤnne, ſo iſt diß ein ſon-<lb/> derbarer Mißverſtand, indem der Idee deßwegen ob-<lb/> jective Guͤltigkeit abgeſprochen wird, weil ihr dasjenige<lb/> fehle, was die Erſcheinung, das <hi rendition="#g">unwahre Seyn</hi> der<lb/> objectiven Welt, ausmacht. In Anſehung der prakti-<lb/> ſchen Ideen erkennt es Kant, daß „nichts ſchaͤdlicheres<lb/> und eines Philoſophen unwuͤrdigeres gefunden werden<lb/> koͤnne, als die <hi rendition="#g">poͤbelhafte</hi> Beruffung auf vorgeblich,<lb/> gegen die Idee, widerſtreitende <hi rendition="#g">Erfahrung</hi>. Dieſe<lb/> wuͤrde ſelbſt gar nicht exiſtiren, wenn z. B. Staatsan-<lb/> ſtalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen waͤren,<lb/> und an deren Statt nicht <hi rendition="#g">rohe Begriffe</hi>, eben da-<lb/> rum, <hi rendition="#g">weil ſie aus Erfahrung geſchoͤpft wor-<lb/> den</hi>, alle gute Abſicht vereitelt haͤtten.“ Kant ſieht<lb/> die Idee als etwas nothwendiges als das Ziel an, das<lb/> als das <hi rendition="#g">Urbild</hi> fuͤr ein Maximum aufzuſtellen und dem<lb/> den Zuſtand der Wirklichkeit immer naͤher zu bringen,<lb/> das Beſtreben ſeyn muͤſſe.</p><lb/> <p>Indem ſich aber das Reſultat ergeben hat, daß die<lb/> Idee die Einheit des Begriffs und der Objectivitaͤt, das<lb/> Wahre, iſt, ſo iſt ſie nicht nur als ein <hi rendition="#g">Ziel</hi> zu betrach-<lb/> ten, dem ſich anzunaͤhern ſey, das aber ſelbſt immer eine<lb/> Art von <hi rendition="#g">Jenſeits</hi> bleibe, ſondern daß alles Wirkliche<lb/> nur inſofern <hi rendition="#g">iſt</hi>, als es die Idee in ſich hat, und ſie<lb/> ausdruͤckt. Der Gegenſtand, die objective und ſubjective<lb/> Welt, uͤberhaupt <hi rendition="#g">ſollen</hi> mit der Idee nicht bloß <hi rendition="#g">con-<lb/> gruiren</hi>, ſondern ſie ſind ſelbſt die Congruenz des Be-<lb/> griffs und der Realitaͤt; diejenige Realitaͤt, welche dem<lb/> Begriffe nicht entſpricht, iſt bloſſe <hi rendition="#g">Erſcheinung</hi>, das<lb/> Subjective, Zufaͤllige Willkuͤhrliche, das nicht die Wahr-<lb/> heit iſt. Wenn geſagt wird, es finde ſich in der Er-<lb/> fahrung kein Gegenſtand, welcher der <hi rendition="#g">Idee</hi> vollkommen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">con-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0287]
Idee.
weil ſie in Anſehung der Erſcheinungen tranſcen-
dent, weil ihr kein congruirender Gegenſtand in der
Sinnenwelt gegeben werden koͤnne, ſo iſt diß ein ſon-
derbarer Mißverſtand, indem der Idee deßwegen ob-
jective Guͤltigkeit abgeſprochen wird, weil ihr dasjenige
fehle, was die Erſcheinung, das unwahre Seyn der
objectiven Welt, ausmacht. In Anſehung der prakti-
ſchen Ideen erkennt es Kant, daß „nichts ſchaͤdlicheres
und eines Philoſophen unwuͤrdigeres gefunden werden
koͤnne, als die poͤbelhafte Beruffung auf vorgeblich,
gegen die Idee, widerſtreitende Erfahrung. Dieſe
wuͤrde ſelbſt gar nicht exiſtiren, wenn z. B. Staatsan-
ſtalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen waͤren,
und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben da-
rum, weil ſie aus Erfahrung geſchoͤpft wor-
den, alle gute Abſicht vereitelt haͤtten.“ Kant ſieht
die Idee als etwas nothwendiges als das Ziel an, das
als das Urbild fuͤr ein Maximum aufzuſtellen und dem
den Zuſtand der Wirklichkeit immer naͤher zu bringen,
das Beſtreben ſeyn muͤſſe.
Indem ſich aber das Reſultat ergeben hat, daß die
Idee die Einheit des Begriffs und der Objectivitaͤt, das
Wahre, iſt, ſo iſt ſie nicht nur als ein Ziel zu betrach-
ten, dem ſich anzunaͤhern ſey, das aber ſelbſt immer eine
Art von Jenſeits bleibe, ſondern daß alles Wirkliche
nur inſofern iſt, als es die Idee in ſich hat, und ſie
ausdruͤckt. Der Gegenſtand, die objective und ſubjective
Welt, uͤberhaupt ſollen mit der Idee nicht bloß con-
gruiren, ſondern ſie ſind ſelbſt die Congruenz des Be-
griffs und der Realitaͤt; diejenige Realitaͤt, welche dem
Begriffe nicht entſpricht, iſt bloſſe Erſcheinung, das
Subjective, Zufaͤllige Willkuͤhrliche, das nicht die Wahr-
heit iſt. Wenn geſagt wird, es finde ſich in der Er-
fahrung kein Gegenſtand, welcher der Idee vollkommen
con-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |