Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Wesen.

Drittens, der Grund setzt eine Bedingung vor-
aus; aber die Bedingung setzt eben so sehr den Grund
voraus; das Unbedingte ist ihre Einheit, die Sache
an sich
, die durch die Vermittlung der bedingenden Be-
ziehung in die Existenz übergeht.

Anmerkung.

Der Grund ist, wie die andern Reflexionsbestim-
mungen, in einem Satze ausgedrückt worden: Alles
hat seinen zureichenden Grund
. -- Diß heißt
im Allgemeinen nichts anderes, als was ist, ist nicht
als seyendes unmittelbares, sondern als ge-
setztes
zu betrachten; es ist nicht bey dem unmittelba-
ren Daseyn oder bey der Bestimmtheit überhaupt stehen
zu bleiben, sondern davon zurückzugehen in seinen Grund,
in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in seinem
An- und Fürsichseyn ist. In dem Satze des Grundes
wird also die Wesentlichkeit der Reflexion in sich gegen
das blosse Seyn ausgesprochen. -- Daß der Grund zu-
reichend
sey, ist eigentlich sehr überflüssig hinzuzusetzen,
denn es versteht sich von selbst; das, für was der Grund
nicht zureicht, hätte keinen Grund, aber alles soll einen
Grund haben. Allein Leibnitz, dem das Princip des
zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und
der es sogar zum Grundsatz seiner ganzen Philosophie
machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichti-
gern Begriff, als gewöhnlich damit verbunden wird, in-
dem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck stehen
bleibt; obgleich der Satz auch nur in diesem Sinne
schon für wichtig anzusehen ist, daß nemlich das Seyn
als solches in seiner Unmittelbarkeit für das Unwahre
und wesentlich für ein gesetztes, der Grund aber für das
wahrhafte Unmittelbare erklärt wird. Leibnitz aber stellte
das Zureichende des Grundes vornemlich der Cau-

salität
Das Weſen.

Drittens, der Grund ſetzt eine Bedingung vor-
aus; aber die Bedingung ſetzt eben ſo ſehr den Grund
voraus; das Unbedingte iſt ihre Einheit, die Sache
an ſich
, die durch die Vermittlung der bedingenden Be-
ziehung in die Exiſtenz uͤbergeht.

Anmerkung.

Der Grund iſt, wie die andern Reflexionsbeſtim-
mungen, in einem Satze ausgedruͤckt worden: Alles
hat ſeinen zureichenden Grund
. — Diß heißt
im Allgemeinen nichts anderes, als was iſt, iſt nicht
als ſeyendes unmittelbares, ſondern als ge-
ſetztes
zu betrachten; es iſt nicht bey dem unmittelba-
ren Daſeyn oder bey der Beſtimmtheit uͤberhaupt ſtehen
zu bleiben, ſondern davon zuruͤckzugehen in ſeinen Grund,
in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in ſeinem
An- und Fuͤrſichſeyn iſt. In dem Satze des Grundes
wird alſo die Weſentlichkeit der Reflexion in ſich gegen
das bloſſe Seyn ausgeſprochen. — Daß der Grund zu-
reichend
ſey, iſt eigentlich ſehr uͤberfluͤſſig hinzuzuſetzen,
denn es verſteht ſich von ſelbſt; das, fuͤr was der Grund
nicht zureicht, haͤtte keinen Grund, aber alles ſoll einen
Grund haben. Allein Leibnitz, dem das Princip des
zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und
der es ſogar zum Grundſatz ſeiner ganzen Philoſophie
machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichti-
gern Begriff, als gewoͤhnlich damit verbunden wird, in-
dem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck ſtehen
bleibt; obgleich der Satz auch nur in dieſem Sinne
ſchon fuͤr wichtig anzuſehen iſt, daß nemlich das Seyn
als ſolches in ſeiner Unmittelbarkeit fuͤr das Unwahre
und weſentlich fuͤr ein geſetztes, der Grund aber fuͤr das
wahrhafte Unmittelbare erklaͤrt wird. Leibnitz aber ſtellte
das Zureichende des Grundes vornemlich der Cau-

ſalitaͤt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0099" n="87"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das We&#x017F;en</hi>.</fw><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Drittens</hi>, der Grund &#x017F;etzt eine Bedingung vor-<lb/>
aus; aber die Bedingung &#x017F;etzt eben &#x017F;o &#x017F;ehr den Grund<lb/>
voraus; das Unbedingte i&#x017F;t ihre Einheit, <hi rendition="#g">die Sache<lb/>
an &#x017F;ich</hi>, die durch die Vermittlung der bedingenden Be-<lb/>
ziehung in die Exi&#x017F;tenz u&#x0364;bergeht.</p><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>.</head><lb/>
                <p>Der Grund i&#x017F;t, wie die andern Reflexionsbe&#x017F;tim-<lb/>
mungen, in einem Satze ausgedru&#x0364;ckt worden: <hi rendition="#g">Alles<lb/>
hat &#x017F;einen zureichenden Grund</hi>. &#x2014; Diß heißt<lb/>
im Allgemeinen nichts anderes, als was <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi>, i&#x017F;t nicht<lb/>
als <hi rendition="#g">&#x017F;eyendes unmittelbares</hi>, &#x017F;ondern als <hi rendition="#g">ge-<lb/>
&#x017F;etztes</hi> zu betrachten; es i&#x017F;t nicht bey dem unmittelba-<lb/>
ren Da&#x017F;eyn oder bey der Be&#x017F;timmtheit u&#x0364;berhaupt &#x017F;tehen<lb/>
zu bleiben, &#x017F;ondern davon zuru&#x0364;ckzugehen in &#x017F;einen Grund,<lb/>
in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in &#x017F;einem<lb/>
An- und Fu&#x0364;r&#x017F;ich&#x017F;eyn i&#x017F;t. In dem Satze des Grundes<lb/>
wird al&#x017F;o die We&#x017F;entlichkeit der Reflexion in &#x017F;ich gegen<lb/>
das blo&#x017F;&#x017F;e Seyn ausge&#x017F;prochen. &#x2014; Daß der Grund <hi rendition="#g">zu-<lb/>
reichend</hi> &#x017F;ey, i&#x017F;t eigentlich &#x017F;ehr u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig hinzuzu&#x017F;etzen,<lb/>
denn es ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t; das, fu&#x0364;r was der Grund<lb/>
nicht zureicht, ha&#x0364;tte keinen Grund, aber alles &#x017F;oll einen<lb/>
Grund haben. Allein <hi rendition="#g">Leibnitz</hi>, dem das Princip des<lb/>
zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und<lb/>
der es &#x017F;ogar zum Grund&#x017F;atz &#x017F;einer ganzen Philo&#x017F;ophie<lb/>
machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichti-<lb/>
gern Begriff, als gewo&#x0364;hnlich damit verbunden wird, in-<lb/>
dem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck &#x017F;tehen<lb/>
bleibt; obgleich der Satz auch nur in die&#x017F;em Sinne<lb/>
&#x017F;chon fu&#x0364;r wichtig anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t, daß nemlich das Seyn<lb/>
als &#x017F;olches in &#x017F;einer Unmittelbarkeit fu&#x0364;r das Unwahre<lb/>
und we&#x017F;entlich fu&#x0364;r ein ge&#x017F;etztes, der Grund aber fu&#x0364;r das<lb/>
wahrhafte Unmittelbare erkla&#x0364;rt wird. Leibnitz aber &#x017F;tellte<lb/>
das <hi rendition="#g">Zureichende</hi> des Grundes vornemlich der <choice><sic>Cau&#x017F;</sic><corr>Cau</corr></choice>-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;alita&#x0364;t</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0099] Das Weſen. Drittens, der Grund ſetzt eine Bedingung vor- aus; aber die Bedingung ſetzt eben ſo ſehr den Grund voraus; das Unbedingte iſt ihre Einheit, die Sache an ſich, die durch die Vermittlung der bedingenden Be- ziehung in die Exiſtenz uͤbergeht. Anmerkung. Der Grund iſt, wie die andern Reflexionsbeſtim- mungen, in einem Satze ausgedruͤckt worden: Alles hat ſeinen zureichenden Grund. — Diß heißt im Allgemeinen nichts anderes, als was iſt, iſt nicht als ſeyendes unmittelbares, ſondern als ge- ſetztes zu betrachten; es iſt nicht bey dem unmittelba- ren Daſeyn oder bey der Beſtimmtheit uͤberhaupt ſtehen zu bleiben, ſondern davon zuruͤckzugehen in ſeinen Grund, in welcher Reflexion es als aufgehobenes und in ſeinem An- und Fuͤrſichſeyn iſt. In dem Satze des Grundes wird alſo die Weſentlichkeit der Reflexion in ſich gegen das bloſſe Seyn ausgeſprochen. — Daß der Grund zu- reichend ſey, iſt eigentlich ſehr uͤberfluͤſſig hinzuzuſetzen, denn es verſteht ſich von ſelbſt; das, fuͤr was der Grund nicht zureicht, haͤtte keinen Grund, aber alles ſoll einen Grund haben. Allein Leibnitz, dem das Princip des zureichenden Grundes vornemlich am Herzen lag, und der es ſogar zum Grundſatz ſeiner ganzen Philoſophie machte, verband damit einen tiefern Sinn und wichti- gern Begriff, als gewoͤhnlich damit verbunden wird, in- dem man nur bey dem unmittelbaren Ausdruck ſtehen bleibt; obgleich der Satz auch nur in dieſem Sinne ſchon fuͤr wichtig anzuſehen iſt, daß nemlich das Seyn als ſolches in ſeiner Unmittelbarkeit fuͤr das Unwahre und weſentlich fuͤr ein geſetztes, der Grund aber fuͤr das wahrhafte Unmittelbare erklaͤrt wird. Leibnitz aber ſtellte das Zureichende des Grundes vornemlich der Cau- ſalitaͤt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/99
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/99>, abgerufen am 24.11.2024.