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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

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Die Wirklichkeit.
In-sich-Reflectirtseyn; oder das Identische
schlechthin als Moment der Totalität, somit auch be-
stimmt, nicht an sich zu seyn; es hat daher die zwey-
te Bestimmung, nur ein Mögliches zu seyn, und das
Sollen der Totalität der Form. Die Möglichkeit ohne
dieses Sollen ist die Wesentlichkeit als solche; aber
die absolute Form enthält diß, daß das Wesen selbst nur
Moment, und ohne Seyn seine Wahrheit nicht hat.
Die Möglichkeit ist diese blosse Wesentlichkeit, so ge-
setzt
, daß sie nur Moment und der absoluten Form
nicht gemäß ist. Sie ist das Ansichseyn, bestimmt, als nur
ein gesetztes; oder eben so sehr als nicht an sich
zu seyn
. -- Die Möglichkeit ist daher an ihr selbst
auch der Widerspruch, oder sie ist die Unmöglich-
keit
.

Zunächst drükt sich diß so aus, daß die Mög-
lichkeit als aufgehoben gesetzte Formbestim-
mung
, einen Inhalt überhaupt an ihr hat. Dieser
ist als möglich ein Ansichseyn, das zugleich ein aufgeho-
benes oder ein Andersseyn ist. Weil er also nur ein
möglicher ist, ist eben so sehr ein anderer und sein
Gegentheil möglich. A ist A; eben so -- A ist -- A.
Diese beyden Sätze drücken, jeder die Möglichkeit seiner
Inhaltsbestimmung aus. Aber als diese identischen Sä-
ze sind sie gleichgültig gegen einander; es ist mit dem ei-
nen nicht gesetzt, daß auch der andere hinzukomme.
Die Möglichkeit ist die vergleichende Beziehung beyder;
sie enthält es in ihrer Bestimmung, als eine Reflexion
der Totalität, daß auch das Gegentheil möglich sey.
Sie ist daher der beziehende Grund, daß darum,
weil A = A, auch -- A = -- A ist; in dem möglichen A ist
auch das Mögliche Nicht A enthalten, und diese Be-
ziehung selbst ist es, welche beyde als mögliche bestimmt.

Als

Die Wirklichkeit.
In-ſich-Reflectirtſeyn; oder das Identiſche
ſchlechthin als Moment der Totalitaͤt, ſomit auch be-
ſtimmt, nicht an ſich zu ſeyn; es hat daher die zwey-
te Beſtimmung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, und das
Sollen der Totalitaͤt der Form. Die Moͤglichkeit ohne
dieſes Sollen iſt die Weſentlichkeit als ſolche; aber
die abſolute Form enthaͤlt diß, daß das Weſen ſelbſt nur
Moment, und ohne Seyn ſeine Wahrheit nicht hat.
Die Moͤglichkeit iſt dieſe bloſſe Weſentlichkeit, ſo ge-
ſetzt
, daß ſie nur Moment und der abſoluten Form
nicht gemaͤß iſt. Sie iſt das Anſichſeyn, beſtimmt, als nur
ein geſetztes; oder eben ſo ſehr als nicht an ſich
zu ſeyn
. — Die Moͤglichkeit iſt daher an ihr ſelbſt
auch der Widerſpruch, oder ſie iſt die Unmoͤglich-
keit
.

Zunaͤchſt druͤkt ſich diß ſo aus, daß die Moͤg-
lichkeit als aufgehoben geſetzte Formbeſtim-
mung
, einen Inhalt uͤberhaupt an ihr hat. Dieſer
iſt als moͤglich ein Anſichſeyn, das zugleich ein aufgeho-
benes oder ein Andersſeyn iſt. Weil er alſo nur ein
moͤglicher iſt, iſt eben ſo ſehr ein anderer und ſein
Gegentheil moͤglich. A iſt A; eben ſo — A iſt — A.
Dieſe beyden Saͤtze druͤcken, jeder die Moͤglichkeit ſeiner
Inhaltsbeſtimmung aus. Aber als dieſe identiſchen Saͤ-
ze ſind ſie gleichguͤltig gegen einander; es iſt mit dem ei-
nen nicht geſetzt, daß auch der andere hinzukomme.
Die Moͤglichkeit iſt die vergleichende Beziehung beyder;
ſie enthaͤlt es in ihrer Beſtimmung, als eine Reflexion
der Totalitaͤt, daß auch das Gegentheil moͤglich ſey.
Sie iſt daher der beziehende Grund, daß darum,
weil A = A, auch — A = — A iſt; in dem moͤglichen A iſt
auch das Moͤgliche Nicht A enthalten, und dieſe Be-
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Als
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[237/0249] Die Wirklichkeit. In-ſich-Reflectirtſeyn; oder das Identiſche ſchlechthin als Moment der Totalitaͤt, ſomit auch be- ſtimmt, nicht an ſich zu ſeyn; es hat daher die zwey- te Beſtimmung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, und das Sollen der Totalitaͤt der Form. Die Moͤglichkeit ohne dieſes Sollen iſt die Weſentlichkeit als ſolche; aber die abſolute Form enthaͤlt diß, daß das Weſen ſelbſt nur Moment, und ohne Seyn ſeine Wahrheit nicht hat. Die Moͤglichkeit iſt dieſe bloſſe Weſentlichkeit, ſo ge- ſetzt, daß ſie nur Moment und der abſoluten Form nicht gemaͤß iſt. Sie iſt das Anſichſeyn, beſtimmt, als nur ein geſetztes; oder eben ſo ſehr als nicht an ſich zu ſeyn. — Die Moͤglichkeit iſt daher an ihr ſelbſt auch der Widerſpruch, oder ſie iſt die Unmoͤglich- keit. Zunaͤchſt druͤkt ſich diß ſo aus, daß die Moͤg- lichkeit als aufgehoben geſetzte Formbeſtim- mung, einen Inhalt uͤberhaupt an ihr hat. Dieſer iſt als moͤglich ein Anſichſeyn, das zugleich ein aufgeho- benes oder ein Andersſeyn iſt. Weil er alſo nur ein moͤglicher iſt, iſt eben ſo ſehr ein anderer und ſein Gegentheil moͤglich. A iſt A; eben ſo — A iſt — A. Dieſe beyden Saͤtze druͤcken, jeder die Moͤglichkeit ſeiner Inhaltsbeſtimmung aus. Aber als dieſe identiſchen Saͤ- ze ſind ſie gleichguͤltig gegen einander; es iſt mit dem ei- nen nicht geſetzt, daß auch der andere hinzukomme. Die Moͤglichkeit iſt die vergleichende Beziehung beyder; ſie enthaͤlt es in ihrer Beſtimmung, als eine Reflexion der Totalitaͤt, daß auch das Gegentheil moͤglich ſey. Sie iſt daher der beziehende Grund, daß darum, weil A = A, auch — A = — A iſt; in dem moͤglichen A iſt auch das Moͤgliche Nicht A enthalten, und dieſe Be- ziehung ſelbſt iſt es, welche beyde als moͤgliche beſtimmt. Als

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/249>, abgerufen am 23.11.2024.