Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Wesen.
Grunde liegen; er für sich bleibt wie er ist; er ist nur
aus dem Seyn in den Schein übersetzt worden; so daß
der Schein innerhalb seiner selbst jene mannichfaltigen
Bestimmtheiten hat, welche unmittelbare, seyende, an-
dere gegen einander sind. Der Schein ist also selbst ein
unmittelbar bestimmtes. Er kann diesen oder jenen
Inhalt haben; aber welchen er hat, ist nicht durch ihn
selbst gesetzt, sondern er hat ihn unmittelbar. Der Leib-
nitzische, oder Kantische, Fichtesche Idealismus, wie an-
dere Formen desselben, sind so wenig als der Skepticis-
mus über das Seyn als Bestimmtheit, über diese Unmit-
telbarkeit, hinausgekommen. Der Skepticismus
läßt sich den Inhalt seines Scheins geben; es ist un-
mittelbar
für ihn, welchen Inhalt er haben soll.
Die Leibnitzische Monade entwickelt aus ihr selbst
ihre Vorstellungen; aber sie ist nicht die erzeugende und
verbindende Kraft, sondern sie steigen in ihr als Blasen
auf; sie sind gleichgültig, unmittelbar gegen einander,
und so gegen die Monade selbst. Eben so ist die Kan-
tische
Erscheinung ein gegebener Inhalt der Wahr-
nehmung, er setzt Affectionen voraus, Bestimmungen
des Subjects, welche gegen sich selbst und gegen dasselbe
unmittelbar sind. Der unendliche Anstoß des Fichte-
schen
Idealismus mag wohl kein Ding-an-sich zu
Grunde liegen haben, so daß er rein eine Bestimmtheit
im Ich wird. Aber diese Bestimmtheit ist eine dem Ich,
das sie zu der seinigen macht und ihre Aeusserlichkeit
aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke
desselben, über die es hinausgehen kann, welche aber
eine Seite der Gleichgültigkeit an ihr hat, nach der sie
ob zwar im Ich, ein unmittelbares Nichtseyn des-
selben enthält. --

2. Der Schein also enthält eine unmittelbare Vor-
aussetzung, eine unabhängige Seite gegen das Wesen.

Es

Das Weſen.
Grunde liegen; er fuͤr ſich bleibt wie er iſt; er iſt nur
aus dem Seyn in den Schein uͤberſetzt worden; ſo daß
der Schein innerhalb ſeiner ſelbſt jene mannichfaltigen
Beſtimmtheiten hat, welche unmittelbare, ſeyende, an-
dere gegen einander ſind. Der Schein iſt alſo ſelbſt ein
unmittelbar beſtimmtes. Er kann dieſen oder jenen
Inhalt haben; aber welchen er hat, iſt nicht durch ihn
ſelbſt geſetzt, ſondern er hat ihn unmittelbar. Der Leib-
nitziſche, oder Kantiſche, Fichteſche Idealismus, wie an-
dere Formen deſſelben, ſind ſo wenig als der Skepticis-
mus uͤber das Seyn als Beſtimmtheit, uͤber dieſe Unmit-
telbarkeit, hinausgekommen. Der Skepticismus
laͤßt ſich den Inhalt ſeines Scheins geben; es iſt un-
mittelbar
fuͤr ihn, welchen Inhalt er haben ſoll.
Die Leibnitziſche Monade entwickelt aus ihr ſelbſt
ihre Vorſtellungen; aber ſie iſt nicht die erzeugende und
verbindende Kraft, ſondern ſie ſteigen in ihr als Blaſen
auf; ſie ſind gleichguͤltig, unmittelbar gegen einander,
und ſo gegen die Monade ſelbſt. Eben ſo iſt die Kan-
tiſche
Erſcheinung ein gegebener Inhalt der Wahr-
nehmung, er ſetzt Affectionen voraus, Beſtimmungen
des Subjects, welche gegen ſich ſelbſt und gegen daſſelbe
unmittelbar ſind. Der unendliche Anſtoß des Fichte-
ſchen
Idealismus mag wohl kein Ding-an-ſich zu
Grunde liegen haben, ſo daß er rein eine Beſtimmtheit
im Ich wird. Aber dieſe Beſtimmtheit iſt eine dem Ich,
das ſie zu der ſeinigen macht und ihre Aeuſſerlichkeit
aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke
deſſelben, uͤber die es hinausgehen kann, welche aber
eine Seite der Gleichguͤltigkeit an ihr hat, nach der ſie
ob zwar im Ich, ein unmittelbares Nichtſeyn deſ-
ſelben enthaͤlt. —

2. Der Schein alſo enthaͤlt eine unmittelbare Vor-
ausſetzung, eine unabhaͤngige Seite gegen das Weſen.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0023" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das We&#x017F;en</hi>.</fw><lb/>
Grunde liegen; er fu&#x0364;r &#x017F;ich bleibt wie er i&#x017F;t; er i&#x017F;t nur<lb/>
aus dem Seyn in den Schein u&#x0364;ber&#x017F;etzt worden; &#x017F;o daß<lb/>
der Schein innerhalb &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t jene mannichfaltigen<lb/>
Be&#x017F;timmtheiten hat, welche unmittelbare, &#x017F;eyende, an-<lb/>
dere gegen einander &#x017F;ind. Der Schein i&#x017F;t al&#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;t ein<lb/><hi rendition="#g">unmittelbar</hi> be&#x017F;timmtes. Er kann die&#x017F;en oder jenen<lb/>
Inhalt haben; aber welchen er hat, i&#x017F;t nicht durch ihn<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;etzt, &#x017F;ondern er hat ihn unmittelbar. Der Leib-<lb/>
nitzi&#x017F;che, oder Kanti&#x017F;che, Fichte&#x017F;che Idealismus, wie an-<lb/>
dere Formen de&#x017F;&#x017F;elben, &#x017F;ind &#x017F;o wenig als der Skepticis-<lb/>
mus u&#x0364;ber das Seyn als Be&#x017F;timmtheit, u&#x0364;ber die&#x017F;e Unmit-<lb/>
telbarkeit, hinausgekommen. Der <hi rendition="#g">Skepticismus</hi><lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich den Inhalt &#x017F;eines Scheins <hi rendition="#g">geben</hi>; es i&#x017F;t <hi rendition="#g">un-<lb/>
mittelbar</hi> fu&#x0364;r ihn, welchen Inhalt er haben &#x017F;oll.<lb/>
Die <hi rendition="#g">Leibnitzi&#x017F;che Monade</hi> entwickelt aus ihr &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ihre Vor&#x017F;tellungen; aber &#x017F;ie i&#x017F;t nicht die erzeugende und<lb/>
verbindende Kraft, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;teigen in ihr als Bla&#x017F;en<lb/>
auf; &#x017F;ie &#x017F;ind gleichgu&#x0364;ltig, unmittelbar gegen einander,<lb/>
und &#x017F;o gegen die Monade &#x017F;elb&#x017F;t. Eben &#x017F;o i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Kan-<lb/>
ti&#x017F;che</hi> Er&#x017F;cheinung ein <hi rendition="#g">gegebener</hi> Inhalt der Wahr-<lb/>
nehmung, er &#x017F;etzt Affectionen voraus, Be&#x017F;timmungen<lb/>
des Subjects, welche gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und gegen da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
unmittelbar &#x017F;ind. Der unendliche An&#x017F;toß des <hi rendition="#g">Fichte-<lb/>
&#x017F;chen</hi> Idealismus mag wohl kein Ding-an-&#x017F;ich zu<lb/>
Grunde liegen haben, &#x017F;o daß er rein eine Be&#x017F;timmtheit<lb/>
im Ich wird. Aber die&#x017F;e Be&#x017F;timmtheit i&#x017F;t eine dem Ich,<lb/>
das &#x017F;ie zu der &#x017F;einigen macht und ihre Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeit<lb/>
aufhebt, zugleich <hi rendition="#g">unmittelbare</hi>, eine <hi rendition="#g">Schranke</hi><lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, u&#x0364;ber die es hinausgehen kann, welche aber<lb/>
eine Seite der Gleichgu&#x0364;ltigkeit an ihr hat, nach der &#x017F;ie<lb/>
ob zwar im Ich, ein <hi rendition="#g">unmittelbares</hi> Nicht&#x017F;eyn de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben entha&#x0364;lt. &#x2014;</p><lb/>
                <p>2. Der Schein al&#x017F;o entha&#x0364;lt eine unmittelbare Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung, eine unabha&#x0364;ngige Seite gegen das We&#x017F;en.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0023] Das Weſen. Grunde liegen; er fuͤr ſich bleibt wie er iſt; er iſt nur aus dem Seyn in den Schein uͤberſetzt worden; ſo daß der Schein innerhalb ſeiner ſelbſt jene mannichfaltigen Beſtimmtheiten hat, welche unmittelbare, ſeyende, an- dere gegen einander ſind. Der Schein iſt alſo ſelbſt ein unmittelbar beſtimmtes. Er kann dieſen oder jenen Inhalt haben; aber welchen er hat, iſt nicht durch ihn ſelbſt geſetzt, ſondern er hat ihn unmittelbar. Der Leib- nitziſche, oder Kantiſche, Fichteſche Idealismus, wie an- dere Formen deſſelben, ſind ſo wenig als der Skepticis- mus uͤber das Seyn als Beſtimmtheit, uͤber dieſe Unmit- telbarkeit, hinausgekommen. Der Skepticismus laͤßt ſich den Inhalt ſeines Scheins geben; es iſt un- mittelbar fuͤr ihn, welchen Inhalt er haben ſoll. Die Leibnitziſche Monade entwickelt aus ihr ſelbſt ihre Vorſtellungen; aber ſie iſt nicht die erzeugende und verbindende Kraft, ſondern ſie ſteigen in ihr als Blaſen auf; ſie ſind gleichguͤltig, unmittelbar gegen einander, und ſo gegen die Monade ſelbſt. Eben ſo iſt die Kan- tiſche Erſcheinung ein gegebener Inhalt der Wahr- nehmung, er ſetzt Affectionen voraus, Beſtimmungen des Subjects, welche gegen ſich ſelbſt und gegen daſſelbe unmittelbar ſind. Der unendliche Anſtoß des Fichte- ſchen Idealismus mag wohl kein Ding-an-ſich zu Grunde liegen haben, ſo daß er rein eine Beſtimmtheit im Ich wird. Aber dieſe Beſtimmtheit iſt eine dem Ich, das ſie zu der ſeinigen macht und ihre Aeuſſerlichkeit aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke deſſelben, uͤber die es hinausgehen kann, welche aber eine Seite der Gleichguͤltigkeit an ihr hat, nach der ſie ob zwar im Ich, ein unmittelbares Nichtſeyn deſ- ſelben enthaͤlt. — 2. Der Schein alſo enthaͤlt eine unmittelbare Vor- ausſetzung, eine unabhaͤngige Seite gegen das Weſen. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/23
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/23>, abgerufen am 28.03.2024.