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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

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Zweytes Buch. II. Abschnitt.
chemischen Verbindung miteinander sind, jedes ununter-
brochen durch das andere mit sich continuirlich
bleibt und sich in seiner Durchdringung mit
den andern, gleichgültig
gegen sie erhält. -- Aber
das weitere Moment im Begriffe des Dinges ist, daß im
Diesen die eine Materie sich befindet wo die andere,
und das Durchdringende in demselben Puncte auch durch-
drungen ist, oder das Selbstständige unmittelbar die
Selbstständigkeit eines andern ist. Diß ist widerspre-
chend; aber das Ding ist nichts anderes als dieser Wi-
derspruch selbst; darum ist es Erscheinung.

Eine ähnliche Bewandniß, als es mit diesen Ma-
terien hat, hat es im Geistigen mit der Vorstellung der
Seelenkräfte oder Seelenvermögen. Der
Geist ist in viel tieferem Sinne dieses, die negative
Einheit, in welcher sich seine Bestimmungen durchdringen.
Aber als Seele vorgestellt, pflegt er häufig als ein
Ding genommen zu werden. Wie man den Menschen
überhaupt aus Seele und Leib bestehen läßt, deren
jedes als ein selbstständiges für sich gilt, so läßt man die
Seele aus sogenannten Seelenkräften bestehen, de-
ren jede eine für sich bestehende Selbstständigkeit hat,
oder eine unmittelbare für sich nach ihrer Bestimmtheit
wirkende Thätigkeit ist. Man stellt sich so vor, daß hier
der Verstand, hier die Einbildungskraft für sich wirke,
daß man den Verstand, das Gedächtniß, u. s. f. jede
für sich cultivire, und einstweilen die andern Kräfte in
Unthätigkeit linker Hand liegen lasse, bis die Reihe viel-
leicht, vielleicht auch nicht an sie komme. Indem sie in
das materiell-einfache Seelending verlegt werden,
welches als einfach immateriell sey, so werden die
Vermögen zwar nicht als besondere Materien vorgestellt;
aber als Kräfte werden sie gleich indifferent ge-
gen einander angenommen, als jene Materien. Aber der

Geist

Zweytes Buch. II. Abſchnitt.
chemiſchen Verbindung miteinander ſind, jedes ununter-
brochen durch das andere mit ſich continuirlich
bleibt und ſich in ſeiner Durchdringung mit
den andern, gleichguͤltig
gegen ſie erhaͤlt. — Aber
das weitere Moment im Begriffe des Dinges iſt, daß im
Dieſen die eine Materie ſich befindet wo die andere,
und das Durchdringende in demſelben Puncte auch durch-
drungen iſt, oder das Selbſtſtaͤndige unmittelbar die
Selbſtſtaͤndigkeit eines andern iſt. Diß iſt widerſpre-
chend; aber das Ding iſt nichts anderes als dieſer Wi-
derſpruch ſelbſt; darum iſt es Erſcheinung.

Eine aͤhnliche Bewandniß, als es mit dieſen Ma-
terien hat, hat es im Geiſtigen mit der Vorſtellung der
Seelenkraͤfte oder Seelenvermoͤgen. Der
Geiſt iſt in viel tieferem Sinne dieſes, die negative
Einheit, in welcher ſich ſeine Beſtimmungen durchdringen.
Aber als Seele vorgeſtellt, pflegt er haͤufig als ein
Ding genommen zu werden. Wie man den Menſchen
uͤberhaupt aus Seele und Leib beſtehen laͤßt, deren
jedes als ein ſelbſtſtaͤndiges fuͤr ſich gilt, ſo laͤßt man die
Seele aus ſogenannten Seelenkraͤften beſtehen, de-
ren jede eine fuͤr ſich beſtehende Selbſtſtaͤndigkeit hat,
oder eine unmittelbare fuͤr ſich nach ihrer Beſtimmtheit
wirkende Thaͤtigkeit iſt. Man ſtellt ſich ſo vor, daß hier
der Verſtand, hier die Einbildungskraft fuͤr ſich wirke,
daß man den Verſtand, das Gedaͤchtniß, u. ſ. f. jede
fuͤr ſich cultivire, und einſtweilen die andern Kraͤfte in
Unthaͤtigkeit linker Hand liegen laſſe, bis die Reihe viel-
leicht, vielleicht auch nicht an ſie komme. Indem ſie in
das materiell-einfache Seelending verlegt werden,
welches als einfach immateriell ſey, ſo werden die
Vermoͤgen zwar nicht als beſondere Materien vorgeſtellt;
aber als Kraͤfte werden ſie gleich indifferent ge-
gen einander angenommen, als jene Materien. Aber der

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[164/0176] Zweytes Buch. II. Abſchnitt. chemiſchen Verbindung miteinander ſind, jedes ununter- brochen durch das andere mit ſich continuirlich bleibt und ſich in ſeiner Durchdringung mit den andern, gleichguͤltig gegen ſie erhaͤlt. — Aber das weitere Moment im Begriffe des Dinges iſt, daß im Dieſen die eine Materie ſich befindet wo die andere, und das Durchdringende in demſelben Puncte auch durch- drungen iſt, oder das Selbſtſtaͤndige unmittelbar die Selbſtſtaͤndigkeit eines andern iſt. Diß iſt widerſpre- chend; aber das Ding iſt nichts anderes als dieſer Wi- derſpruch ſelbſt; darum iſt es Erſcheinung. Eine aͤhnliche Bewandniß, als es mit dieſen Ma- terien hat, hat es im Geiſtigen mit der Vorſtellung der Seelenkraͤfte oder Seelenvermoͤgen. Der Geiſt iſt in viel tieferem Sinne dieſes, die negative Einheit, in welcher ſich ſeine Beſtimmungen durchdringen. Aber als Seele vorgeſtellt, pflegt er haͤufig als ein Ding genommen zu werden. Wie man den Menſchen uͤberhaupt aus Seele und Leib beſtehen laͤßt, deren jedes als ein ſelbſtſtaͤndiges fuͤr ſich gilt, ſo laͤßt man die Seele aus ſogenannten Seelenkraͤften beſtehen, de- ren jede eine fuͤr ſich beſtehende Selbſtſtaͤndigkeit hat, oder eine unmittelbare fuͤr ſich nach ihrer Beſtimmtheit wirkende Thaͤtigkeit iſt. Man ſtellt ſich ſo vor, daß hier der Verſtand, hier die Einbildungskraft fuͤr ſich wirke, daß man den Verſtand, das Gedaͤchtniß, u. ſ. f. jede fuͤr ſich cultivire, und einſtweilen die andern Kraͤfte in Unthaͤtigkeit linker Hand liegen laſſe, bis die Reihe viel- leicht, vielleicht auch nicht an ſie komme. Indem ſie in das materiell-einfache Seelending verlegt werden, welches als einfach immateriell ſey, ſo werden die Vermoͤgen zwar nicht als beſondere Materien vorgeſtellt; aber als Kraͤfte werden ſie gleich indifferent ge- gen einander angenommen, als jene Materien. Aber der Geiſt

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/176>, abgerufen am 25.11.2024.