Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch. II. Abschnitt.
die eine und die andere auch bestehen, aber daß darin
zugleich die eine nicht besteht, insofern die andere be-
steht. Insofern also die eine Materie in dem Dinge ist,
so ist die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding ist
zugleich das Auch, oder das Bestehen der andern. In
dem Bestehen der einen Materie besteht daher die andere
nicht, und eben so sehr besteht sie auch in der erstern;
und so gegenseitig alle diese verschiedenen Materien. In-
dem also in derselben Rüksicht, als die eine besteht, auch
die andern bestehen, welches Eine Bestehen derselben die
Punktualität oder negative Einheit des Dings ist, so
durchdringen sie sich schlechthin; und indem das Ding
zugleich nur das Auch derselben, und die Materien in
ihre Bestimmtheit reflectirt sind, so find sie gleichgültig
gegen einander, und berühren sich in ihrer Durch-
dringung nicht. Die Materien sind daher wesentlich
porös, so daß die eine besteht in den Poren oder in
dem Nichtbestehen der andern; aber diese andern sind
selbst porös; in ihren Poren oder ihrem Nichtbestehen be-
steht auch die erste, und alle die übrigen; ihr Bestehen
ist zugleich ihr Aufgehobenseyn, und das Bestehen
von andern; und diß Bestehen der andern ist eben so
sehr dieser ihr Aufgehobenseyn und das Bestehen der
erstern
und auf gleiche Weise aller andern. Das Ding
ist daher die sich widersprechende Vermittlung des selbst-
ständigen Bestehens mit sich durch sein Gegentheil, nem-
lich durch seine Negation, oder einer selbstständigen
Materie durch das Bestehen und Nichtbestehen
einer andern. -- Die Existenz hat in diesem Din-
ge
ihre Vollständigkeit erreicht, nemlich in Einem an
sich seyendes Seyn oder selbstständiges Bestehen,
und unwesentliche Existenz zu seyn; die Wahrheit
der Existenz ist daher, ihr Ansichseyn in der Unwesent-
lichkeit, oder ihr Bestehen in einem andern und zwar
dem absolut andern, oder zu ihrer Grundlage ihre

Nich-

Zweytes Buch. II. Abſchnitt.
die eine und die andere auch beſtehen, aber daß darin
zugleich die eine nicht beſteht, inſofern die andere be-
ſteht. Inſofern alſo die eine Materie in dem Dinge iſt,
ſo iſt die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding iſt
zugleich das Auch, oder das Beſtehen der andern. In
dem Beſtehen der einen Materie beſteht daher die andere
nicht, und eben ſo ſehr beſteht ſie auch in der erſtern;
und ſo gegenſeitig alle dieſe verſchiedenen Materien. In-
dem alſo in derſelben Ruͤkſicht, als die eine beſteht, auch
die andern beſtehen, welches Eine Beſtehen derſelben die
Punktualitaͤt oder negative Einheit des Dings iſt, ſo
durchdringen ſie ſich ſchlechthin; und indem das Ding
zugleich nur das Auch derſelben, und die Materien in
ihre Beſtimmtheit reflectirt ſind, ſo find ſie gleichguͤltig
gegen einander, und beruͤhren ſich in ihrer Durch-
dringung nicht. Die Materien ſind daher weſentlich
poroͤs, ſo daß die eine beſteht in den Poren oder in
dem Nichtbeſtehen der andern; aber dieſe andern ſind
ſelbſt poroͤs; in ihren Poren oder ihrem Nichtbeſtehen be-
ſteht auch die erſte, und alle die uͤbrigen; ihr Beſtehen
iſt zugleich ihr Aufgehobenſeyn, und das Beſtehen
von andern; und diß Beſtehen der andern iſt eben ſo
ſehr dieſer ihr Aufgehobenſeyn und das Beſtehen der
erſtern
und auf gleiche Weiſe aller andern. Das Ding
iſt daher die ſich widerſprechende Vermittlung des ſelbſt-
ſtaͤndigen Beſtehens mit ſich durch ſein Gegentheil, nem-
lich durch ſeine Negation, oder einer ſelbſtſtaͤndigen
Materie durch das Beſtehen und Nichtbeſtehen
einer andern. — Die Exiſtenz hat in dieſem Din-
ge
ihre Vollſtaͤndigkeit erreicht, nemlich in Einem an
ſich ſeyendes Seyn oder ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen,
und unweſentliche Exiſtenz zu ſeyn; die Wahrheit
der Exiſtenz iſt daher, ihr Anſichſeyn in der Unweſent-
lichkeit, oder ihr Beſtehen in einem andern und zwar
dem abſolut andern, oder zu ihrer Grundlage ihre

Nich-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0172" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweytes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
die eine und die andere <hi rendition="#g">auch be&#x017F;tehen</hi>, aber daß darin<lb/>
zugleich die eine <hi rendition="#g">nicht</hi> be&#x017F;teht, in&#x017F;ofern die andere be-<lb/>
&#x017F;teht. In&#x017F;ofern al&#x017F;o die eine Materie in dem Dinge i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding i&#x017F;t<lb/>
zugleich das <hi rendition="#g">Auch</hi>, oder das Be&#x017F;tehen der andern. In<lb/>
dem Be&#x017F;tehen der einen Materie be&#x017F;teht daher die andere<lb/><hi rendition="#g">nicht</hi>, und eben &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;teht &#x017F;ie <hi rendition="#g">auch</hi> in der er&#x017F;tern;<lb/>
und &#x017F;o gegen&#x017F;eitig alle die&#x017F;e ver&#x017F;chiedenen Materien. In-<lb/>
dem al&#x017F;o in der&#x017F;elben Ru&#x0364;k&#x017F;icht, als die eine be&#x017F;teht, auch<lb/>
die andern be&#x017F;tehen, welches Eine Be&#x017F;tehen der&#x017F;elben die<lb/>
Punktualita&#x0364;t oder negative Einheit des Dings i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/><hi rendition="#g">durchdringen</hi> &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chlechthin; und indem das Ding<lb/>
zugleich nur das <hi rendition="#g">Auch</hi> der&#x017F;elben, und die Materien in<lb/>
ihre Be&#x017F;timmtheit reflectirt &#x017F;ind, &#x017F;o find &#x017F;ie gleichgu&#x0364;ltig<lb/>
gegen einander, und <hi rendition="#g">beru&#x0364;hren</hi> &#x017F;ich in ihrer Durch-<lb/>
dringung <hi rendition="#g">nicht</hi>. Die Materien &#x017F;ind daher we&#x017F;entlich<lb/><hi rendition="#g">poro&#x0364;s</hi>, &#x017F;o daß die eine be&#x017F;teht in den <hi rendition="#g">Poren</hi> oder in<lb/>
dem Nichtbe&#x017F;tehen der andern; aber die&#x017F;e andern &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t poro&#x0364;s; in ihren Poren oder ihrem Nichtbe&#x017F;tehen be-<lb/>
&#x017F;teht auch die er&#x017F;te, und alle die u&#x0364;brigen; ihr <hi rendition="#g">Be&#x017F;tehen</hi><lb/>
i&#x017F;t zugleich ihr <hi rendition="#g">Aufgehoben&#x017F;eyn</hi>, und das Be&#x017F;tehen<lb/>
von <hi rendition="#g">andern</hi>; und diß Be&#x017F;tehen der andern i&#x017F;t eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr die&#x017F;er ihr Aufgehoben&#x017F;eyn und das <hi rendition="#g">Be&#x017F;tehen der<lb/>
er&#x017F;tern</hi> und auf gleiche Wei&#x017F;e aller andern. Das Ding<lb/>
i&#x017F;t daher die &#x017F;ich wider&#x017F;prechende Vermittlung des &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen Be&#x017F;tehens mit &#x017F;ich durch &#x017F;ein Gegentheil, nem-<lb/>
lich durch &#x017F;eine Negation, oder <hi rendition="#g">einer</hi> &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
Materie durch das <hi rendition="#g">Be&#x017F;tehen</hi> und <hi rendition="#g">Nichtbe&#x017F;tehen</hi><lb/>
einer <hi rendition="#g">andern</hi>. &#x2014; Die Exi&#x017F;tenz hat in <hi rendition="#g">die&#x017F;em Din-<lb/>
ge</hi> ihre Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit erreicht, nemlich <hi rendition="#g">in Einem</hi> an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eyendes Seyn oder <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiges</hi> Be&#x017F;tehen,<lb/>
und <hi rendition="#g">unwe&#x017F;entliche</hi> Exi&#x017F;tenz zu &#x017F;eyn; die Wahrheit<lb/>
der Exi&#x017F;tenz i&#x017F;t daher, ihr An&#x017F;ich&#x017F;eyn in der Unwe&#x017F;ent-<lb/>
lichkeit, oder ihr Be&#x017F;tehen in einem andern und zwar<lb/>
dem ab&#x017F;olut andern, oder zu ihrer Grundlage <hi rendition="#g">ihre</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Nich-</hi></fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0172] Zweytes Buch. II. Abſchnitt. die eine und die andere auch beſtehen, aber daß darin zugleich die eine nicht beſteht, inſofern die andere be- ſteht. Inſofern alſo die eine Materie in dem Dinge iſt, ſo iſt die andere dadurch aufgehoben; aber das Ding iſt zugleich das Auch, oder das Beſtehen der andern. In dem Beſtehen der einen Materie beſteht daher die andere nicht, und eben ſo ſehr beſteht ſie auch in der erſtern; und ſo gegenſeitig alle dieſe verſchiedenen Materien. In- dem alſo in derſelben Ruͤkſicht, als die eine beſteht, auch die andern beſtehen, welches Eine Beſtehen derſelben die Punktualitaͤt oder negative Einheit des Dings iſt, ſo durchdringen ſie ſich ſchlechthin; und indem das Ding zugleich nur das Auch derſelben, und die Materien in ihre Beſtimmtheit reflectirt ſind, ſo find ſie gleichguͤltig gegen einander, und beruͤhren ſich in ihrer Durch- dringung nicht. Die Materien ſind daher weſentlich poroͤs, ſo daß die eine beſteht in den Poren oder in dem Nichtbeſtehen der andern; aber dieſe andern ſind ſelbſt poroͤs; in ihren Poren oder ihrem Nichtbeſtehen be- ſteht auch die erſte, und alle die uͤbrigen; ihr Beſtehen iſt zugleich ihr Aufgehobenſeyn, und das Beſtehen von andern; und diß Beſtehen der andern iſt eben ſo ſehr dieſer ihr Aufgehobenſeyn und das Beſtehen der erſtern und auf gleiche Weiſe aller andern. Das Ding iſt daher die ſich widerſprechende Vermittlung des ſelbſt- ſtaͤndigen Beſtehens mit ſich durch ſein Gegentheil, nem- lich durch ſeine Negation, oder einer ſelbſtſtaͤndigen Materie durch das Beſtehen und Nichtbeſtehen einer andern. — Die Exiſtenz hat in dieſem Din- ge ihre Vollſtaͤndigkeit erreicht, nemlich in Einem an ſich ſeyendes Seyn oder ſelbſtſtaͤndiges Beſtehen, und unweſentliche Exiſtenz zu ſeyn; die Wahrheit der Exiſtenz iſt daher, ihr Anſichſeyn in der Unweſent- lichkeit, oder ihr Beſtehen in einem andern und zwar dem abſolut andern, oder zu ihrer Grundlage ihre Nich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/172
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/172>, abgerufen am 04.05.2024.