Das Andersseyn ist zunächst Andersseyn an und für sich, nicht das Andre von Etwas, so daß das Da- seyn dem Andern noch gegenüber stehen geblieben wäre, und daß wir hätten, ein Daseyn, und ein anderes Daseyn. Denn das Daseyn ist überhaupt übergegangen in Andersseyn. Das Andersseyn ist selbst Daseyn; aber Daseyn als solches ist das Unmittelbare; diese Unmittel- barkeit ist aber nicht geblieben, sondern das Daseyn ist nur Daseyn als Nichtdaseyn, oder es ist Andersseyn.
Wie Seyn in Nichts überging, so Daseyn in An- dersseyn; Andersseyn ist das Nichts, aber als Bezie- hung. Anderes ist Nichtdiß; aber diß ist gleichfalls ein Anderes, also auch Nichtdiß. Es ist kein Daseyn, das nicht zugleich als Anderes bestimmt wäre, oder eine negative Beziehung hätte.
Die Vorstellung gibt diß gleichfalls zu. Wenn wir ein Daseyn A nennen, das andere aber B; so ist zu- nächst B als das Andere bestimmt. Allein A ist eben so sehr das Andere des B. Beyde sind andere.
Hiebey erscheint aber das Andersseyn als eine dem so bestimmten Daseyn fremde Bestimmung, oder das An- dere ausser dem einen Daseyn; theils so, daß ein Da- seyn erst durch die Vergleichung eines Dritten, als an- deres bestimmt werde, für sich aber nicht ein anderes sey, theils so, daß es nur um des andern willen, das ausser ihm ist, als anderes bestimmt werde, aber nicht an und für sich. Allein in der That bestimmt sich jedes Daseyn auch für die Vorstellung eben so sehr als ein an- deres Daseyn, so daß ihm nicht ein Daseyn bleibt, das nur als ein Daseyn, nicht als ein anderes bestimmt wä- re; oder nicht ein Daseyn, das nicht ausserhalb eines Daseyns, also nicht selbst ein Anderes wäre. -- Die
Vor-
Erſtes Buch. I.Abſchnitt.
Das Andersſeyn iſt zunaͤchſt Andersſeyn an und fuͤr ſich, nicht das Andre von Etwas, ſo daß das Da- ſeyn dem Andern noch gegenuͤber ſtehen geblieben waͤre, und daß wir haͤtten, ein Daſeyn, und ein anderes Daſeyn. Denn das Daſeyn iſt uͤberhaupt uͤbergegangen in Andersſeyn. Das Andersſeyn iſt ſelbſt Daſeyn; aber Daſeyn als ſolches iſt das Unmittelbare; dieſe Unmittel- barkeit iſt aber nicht geblieben, ſondern das Daſeyn iſt nur Daſeyn als Nichtdaſeyn, oder es iſt Andersſeyn.
Wie Seyn in Nichts uͤberging, ſo Daſeyn in An- dersſeyn; Andersſeyn iſt das Nichts, aber als Bezie- hung. Anderes iſt Nichtdiß; aber diß iſt gleichfalls ein Anderes, alſo auch Nichtdiß. Es iſt kein Daſeyn, das nicht zugleich als Anderes beſtimmt waͤre, oder eine negative Beziehung haͤtte.
Die Vorſtellung gibt diß gleichfalls zu. Wenn wir ein Daſeyn A nennen, das andere aber B; ſo iſt zu- naͤchſt B als das Andere beſtimmt. Allein A iſt eben ſo ſehr das Andere des B. Beyde ſind andere.
Hiebey erſcheint aber das Andersſeyn als eine dem ſo beſtimmten Daſeyn fremde Beſtimmung, oder das An- dere auſſer dem einen Daſeyn; theils ſo, daß ein Da- ſeyn erſt durch die Vergleichung eines Dritten, als an- deres beſtimmt werde, fuͤr ſich aber nicht ein anderes ſey, theils ſo, daß es nur um des andern willen, das auſſer ihm iſt, als anderes beſtimmt werde, aber nicht an und fuͤr ſich. Allein in der That beſtimmt ſich jedes Daſeyn auch fuͤr die Vorſtellung eben ſo ſehr als ein an- deres Daſeyn, ſo daß ihm nicht ein Daſeyn bleibt, das nur als ein Daſeyn, nicht als ein anderes beſtimmt waͤ- re; oder nicht ein Daſeyn, das nicht auſſerhalb eines Daſeyns, alſo nicht ſelbſt ein Anderes waͤre. — Die
Vor-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0098"n="50"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>. <hirendition="#aq">I.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt</hi>.</fw><lb/><p>Das Andersſeyn iſt zunaͤchſt Andersſeyn an und<lb/>
fuͤr ſich, nicht das Andre von Etwas, ſo daß das Da-<lb/>ſeyn dem Andern noch gegenuͤber ſtehen geblieben waͤre,<lb/>
und daß wir haͤtten, <hirendition="#g">ein</hi> Daſeyn, und <hirendition="#g">ein anderes</hi><lb/>
Daſeyn. Denn das Daſeyn iſt uͤberhaupt uͤbergegangen<lb/>
in Andersſeyn. Das Andersſeyn iſt ſelbſt Daſeyn; aber<lb/>
Daſeyn als ſolches iſt das Unmittelbare; dieſe Unmittel-<lb/>
barkeit iſt aber nicht geblieben, ſondern das Daſeyn iſt<lb/>
nur Daſeyn als Nichtdaſeyn, oder es iſt Andersſeyn.</p><lb/><p>Wie Seyn in Nichts uͤberging, ſo Daſeyn in An-<lb/>
dersſeyn; Andersſeyn iſt das Nichts, aber als <hirendition="#g">Bezie-<lb/>
hung. Anderes</hi> iſt <hirendition="#g">Nichtdiß</hi>; aber <hirendition="#g">diß</hi> iſt<lb/>
gleichfalls ein <hirendition="#g">Anderes</hi>, alſo auch Nichtdiß. Es iſt<lb/>
kein Daſeyn, das nicht zugleich als Anderes beſtimmt<lb/>
waͤre, oder eine negative Beziehung haͤtte.</p><lb/><p>Die Vorſtellung gibt diß gleichfalls zu. Wenn wir<lb/>
ein Daſeyn <hirendition="#aq">A</hi> nennen, das andere aber <hirendition="#aq">B</hi>; ſo iſt zu-<lb/>
naͤchſt <hirendition="#aq">B</hi> als das Andere beſtimmt. Allein <hirendition="#aq">A</hi> iſt eben ſo<lb/>ſehr das Andere des <hirendition="#aq">B</hi>. Beyde ſind andere.</p><lb/><p>Hiebey erſcheint aber das Andersſeyn als eine dem<lb/>ſo beſtimmten Daſeyn fremde Beſtimmung, oder das An-<lb/>
dere <hirendition="#g">auſſer</hi> dem einen Daſeyn; theils ſo, daß ein Da-<lb/>ſeyn erſt durch die Vergleichung eines Dritten, als an-<lb/>
deres beſtimmt werde, fuͤr ſich aber nicht ein anderes<lb/>ſey, theils ſo, daß es nur um des andern willen, das<lb/>
auſſer ihm iſt, als anderes beſtimmt werde, aber nicht<lb/>
an und fuͤr ſich. Allein in der That beſtimmt ſich jedes<lb/>
Daſeyn auch fuͤr die Vorſtellung eben ſo ſehr als ein an-<lb/>
deres Daſeyn, ſo daß ihm nicht ein Daſeyn bleibt, das<lb/>
nur als ein Daſeyn, nicht als ein anderes beſtimmt waͤ-<lb/>
re; oder nicht ein Daſeyn, das nicht auſſerhalb eines<lb/>
Daſeyns, alſo nicht ſelbſt ein Anderes waͤre. — Die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vor-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[50/0098]
Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
Das Andersſeyn iſt zunaͤchſt Andersſeyn an und
fuͤr ſich, nicht das Andre von Etwas, ſo daß das Da-
ſeyn dem Andern noch gegenuͤber ſtehen geblieben waͤre,
und daß wir haͤtten, ein Daſeyn, und ein anderes
Daſeyn. Denn das Daſeyn iſt uͤberhaupt uͤbergegangen
in Andersſeyn. Das Andersſeyn iſt ſelbſt Daſeyn; aber
Daſeyn als ſolches iſt das Unmittelbare; dieſe Unmittel-
barkeit iſt aber nicht geblieben, ſondern das Daſeyn iſt
nur Daſeyn als Nichtdaſeyn, oder es iſt Andersſeyn.
Wie Seyn in Nichts uͤberging, ſo Daſeyn in An-
dersſeyn; Andersſeyn iſt das Nichts, aber als Bezie-
hung. Anderes iſt Nichtdiß; aber diß iſt
gleichfalls ein Anderes, alſo auch Nichtdiß. Es iſt
kein Daſeyn, das nicht zugleich als Anderes beſtimmt
waͤre, oder eine negative Beziehung haͤtte.
Die Vorſtellung gibt diß gleichfalls zu. Wenn wir
ein Daſeyn A nennen, das andere aber B; ſo iſt zu-
naͤchſt B als das Andere beſtimmt. Allein A iſt eben ſo
ſehr das Andere des B. Beyde ſind andere.
Hiebey erſcheint aber das Andersſeyn als eine dem
ſo beſtimmten Daſeyn fremde Beſtimmung, oder das An-
dere auſſer dem einen Daſeyn; theils ſo, daß ein Da-
ſeyn erſt durch die Vergleichung eines Dritten, als an-
deres beſtimmt werde, fuͤr ſich aber nicht ein anderes
ſey, theils ſo, daß es nur um des andern willen, das
auſſer ihm iſt, als anderes beſtimmt werde, aber nicht
an und fuͤr ſich. Allein in der That beſtimmt ſich jedes
Daſeyn auch fuͤr die Vorſtellung eben ſo ſehr als ein an-
deres Daſeyn, ſo daß ihm nicht ein Daſeyn bleibt, das
nur als ein Daſeyn, nicht als ein anderes beſtimmt waͤ-
re; oder nicht ein Daſeyn, das nicht auſſerhalb eines
Daſeyns, alſo nicht ſelbſt ein Anderes waͤre. — Die
Vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/98>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.