In der ersten so eben gegebenen Darstellung des Seyns als des Anfangs ist der Begriff des Wissens vor- ausgesetzt. Somit ist dieser Anfang nicht absolut, son- dern kommt aus der vorhergehenden Bewegung des Be- wußtseyns her. Die Wissenschaft dieser Bewegung, aus der das Wissen resultirt, müßte nun den absoluten An- fang haben. Sie macht ihn mit dem unmittelbaren Bewußtseyn, dem Wissen, daß etwas ist. -- Das Seyn macht so hier gleichfalls den Anfang, aber als Bestim- mung einer concreten Gestalt, des Bewußtseyns; erst das reine Wissen, der Geist, der sich von seiner Er- scheinung als Bewußtseyn befreyt hat, hat auch das freye, reine Seyn zu seinem Anfang. -- Aber jener An- fang, das unmittelbare Bewußtseyn, enthält das Ich als bezogen auf ein schlechthin Anderes, und umgekehrt, den Gegenstand bezogen auf Ich; somit eine Vermittlung. -- Zwar enthält das Bewußtseyn die beyden Vermittelnden, -- die auch wiederum die Vermittelten sind, -- selbst, weißt somit nicht über sich hinaus, und ist in sich be- schlossen. Aber indem die Vermittlung gegenseitig ist, so ist jedes Vermittelnde auch vermittelt, somit keine wahr- hafte Unmittelbarkeit vorhanden. -- Aber umgekehrt wäre eine solche vorhanden, so ist sie, da sie nicht begründet ist, etwas willkührliches und zufälliges.
Die Einsicht, daß das Absolut-Wahre ein Resul- tat seyn müsse, und umgekehrt, daß ein Resultat ein Er- stes Wahres voraussetzt, das aber, weil es Erstes ist, objectiv betrachtet, nicht nothwendig, und nach der sub- jectiven Seite, nicht erkannt ist, -- hat in neuern Zeiten den Gedanken hervorgebracht, daß die Philosophie nur mit einem hypothetischen und problematischen Wahren anfangen, und das Philosophiren daher zuerst nur ein Suchen seyn könne.
Nach
Erſtes Buch.
In der erſten ſo eben gegebenen Darſtellung des Seyns als des Anfangs iſt der Begriff des Wiſſens vor- ausgeſetzt. Somit iſt dieſer Anfang nicht abſolut, ſon- dern kommt aus der vorhergehenden Bewegung des Be- wußtſeyns her. Die Wiſſenſchaft dieſer Bewegung, aus der das Wiſſen reſultirt, muͤßte nun den abſoluten An- fang haben. Sie macht ihn mit dem unmittelbaren Bewußtſeyn, dem Wiſſen, daß etwas iſt. — Das Seyn macht ſo hier gleichfalls den Anfang, aber als Beſtim- mung einer concreten Geſtalt, des Bewußtſeyns; erſt das reine Wiſſen, der Geiſt, der ſich von ſeiner Er- ſcheinung als Bewußtſeyn befreyt hat, hat auch das freye, reine Seyn zu ſeinem Anfang. — Aber jener An- fang, das unmittelbare Bewußtſeyn, enthaͤlt das Ich als bezogen auf ein ſchlechthin Anderes, und umgekehrt, den Gegenſtand bezogen auf Ich; ſomit eine Vermittlung. — Zwar enthaͤlt das Bewußtſeyn die beyden Vermittelnden, — die auch wiederum die Vermittelten ſind, — ſelbſt, weißt ſomit nicht uͤber ſich hinaus, und iſt in ſich be- ſchloſſen. Aber indem die Vermittlung gegenſeitig iſt, ſo iſt jedes Vermittelnde auch vermittelt, ſomit keine wahr- hafte Unmittelbarkeit vorhanden. — Aber umgekehrt waͤre eine ſolche vorhanden, ſo iſt ſie, da ſie nicht begruͤndet iſt, etwas willkuͤhrliches und zufaͤlliges.
Die Einſicht, daß das Abſolut-Wahre ein Reſul- tat ſeyn muͤſſe, und umgekehrt, daß ein Reſultat ein Er- ſtes Wahres vorausſetzt, das aber, weil es Erſtes iſt, objectiv betrachtet, nicht nothwendig, und nach der ſub- jectiven Seite, nicht erkannt iſt, — hat in neuern Zeiten den Gedanken hervorgebracht, daß die Philoſophie nur mit einem hypothetiſchen und problematiſchen Wahren anfangen, und das Philoſophiren daher zuerſt nur ein Suchen ſeyn koͤnne.
Nach
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0056"n="8"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>.</fw><lb/><p>In der erſten ſo eben gegebenen Darſtellung des<lb/>
Seyns als des Anfangs iſt der Begriff des Wiſſens vor-<lb/>
ausgeſetzt. Somit iſt dieſer Anfang nicht abſolut, ſon-<lb/>
dern kommt aus der vorhergehenden Bewegung des Be-<lb/>
wußtſeyns her. Die Wiſſenſchaft dieſer Bewegung, aus<lb/>
der das Wiſſen reſultirt, muͤßte nun den abſoluten An-<lb/>
fang haben. Sie macht ihn mit dem <hirendition="#g">unmittelbaren<lb/>
Bewußtſeyn</hi>, dem Wiſſen, daß etwas <hirendition="#g">iſt</hi>. — Das Seyn<lb/>
macht ſo hier gleichfalls den Anfang, aber als Beſtim-<lb/>
mung einer concreten Geſtalt, des Bewußtſeyns;<lb/>
erſt das reine Wiſſen, der Geiſt, der ſich von ſeiner Er-<lb/>ſcheinung als Bewußtſeyn befreyt hat, hat auch das<lb/>
freye, reine Seyn zu ſeinem Anfang. — Aber jener An-<lb/>
fang, das unmittelbare Bewußtſeyn, enthaͤlt das Ich als<lb/>
bezogen auf ein ſchlechthin Anderes, und umgekehrt, den<lb/>
Gegenſtand bezogen auf Ich; ſomit eine Vermittlung. —<lb/>
Zwar enthaͤlt das Bewußtſeyn die beyden Vermittelnden,<lb/>— die auch wiederum die Vermittelten ſind, —ſelbſt,<lb/>
weißt ſomit nicht uͤber ſich hinaus, und iſt in ſich be-<lb/>ſchloſſen. Aber indem die Vermittlung gegenſeitig iſt, ſo<lb/>
iſt jedes Vermittelnde auch vermittelt, ſomit keine wahr-<lb/>
hafte Unmittelbarkeit vorhanden. — Aber umgekehrt waͤre<lb/>
eine ſolche vorhanden, ſo iſt ſie, da ſie nicht begruͤndet iſt,<lb/>
etwas willkuͤhrliches und zufaͤlliges.</p><lb/><p>Die Einſicht, daß das Abſolut-Wahre ein Reſul-<lb/>
tat ſeyn muͤſſe, und umgekehrt, daß ein Reſultat ein Er-<lb/>ſtes Wahres vorausſetzt, das aber, weil es Erſtes iſt,<lb/>
objectiv betrachtet, nicht nothwendig, und nach der ſub-<lb/>
jectiven Seite, nicht erkannt iſt, — hat in neuern Zeiten<lb/>
den Gedanken hervorgebracht, daß die Philoſophie nur<lb/>
mit einem hypothetiſchen und problematiſchen Wahren<lb/>
anfangen, und das Philoſophiren daher zuerſt nur ein<lb/>
Suchen ſeyn koͤnne.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nach</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0056]
Erſtes Buch.
In der erſten ſo eben gegebenen Darſtellung des
Seyns als des Anfangs iſt der Begriff des Wiſſens vor-
ausgeſetzt. Somit iſt dieſer Anfang nicht abſolut, ſon-
dern kommt aus der vorhergehenden Bewegung des Be-
wußtſeyns her. Die Wiſſenſchaft dieſer Bewegung, aus
der das Wiſſen reſultirt, muͤßte nun den abſoluten An-
fang haben. Sie macht ihn mit dem unmittelbaren
Bewußtſeyn, dem Wiſſen, daß etwas iſt. — Das Seyn
macht ſo hier gleichfalls den Anfang, aber als Beſtim-
mung einer concreten Geſtalt, des Bewußtſeyns;
erſt das reine Wiſſen, der Geiſt, der ſich von ſeiner Er-
ſcheinung als Bewußtſeyn befreyt hat, hat auch das
freye, reine Seyn zu ſeinem Anfang. — Aber jener An-
fang, das unmittelbare Bewußtſeyn, enthaͤlt das Ich als
bezogen auf ein ſchlechthin Anderes, und umgekehrt, den
Gegenſtand bezogen auf Ich; ſomit eine Vermittlung. —
Zwar enthaͤlt das Bewußtſeyn die beyden Vermittelnden,
— die auch wiederum die Vermittelten ſind, — ſelbſt,
weißt ſomit nicht uͤber ſich hinaus, und iſt in ſich be-
ſchloſſen. Aber indem die Vermittlung gegenſeitig iſt, ſo
iſt jedes Vermittelnde auch vermittelt, ſomit keine wahr-
hafte Unmittelbarkeit vorhanden. — Aber umgekehrt waͤre
eine ſolche vorhanden, ſo iſt ſie, da ſie nicht begruͤndet iſt,
etwas willkuͤhrliches und zufaͤlliges.
Die Einſicht, daß das Abſolut-Wahre ein Reſul-
tat ſeyn muͤſſe, und umgekehrt, daß ein Reſultat ein Er-
ſtes Wahres vorausſetzt, das aber, weil es Erſtes iſt,
objectiv betrachtet, nicht nothwendig, und nach der ſub-
jectiven Seite, nicht erkannt iſt, — hat in neuern Zeiten
den Gedanken hervorgebracht, daß die Philoſophie nur
mit einem hypothetiſchen und problematiſchen Wahren
anfangen, und das Philoſophiren daher zuerſt nur ein
Suchen ſeyn koͤnne.
Nach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/56>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.