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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Einleitung.
der That die Veränderungen fast mehr nur in Weglas-
sungen bestehen -- so ist daraus eher zu folgern, daß
sie um so mehr einer totalen Umarbeitung bedürfe; denn
ein zweytausendjähriges Fortarbeiten des Geistes, muß
ihm ein höheres Bewußtseyn über sein Denken und über
seine reine Wesenheit in sich selbst, verschaft haben.
Die Vergleichung der Gestalten, zu denen sich der Geist
der Welt und der Geist der Wissenschaft in jeder Art
reellen und ideellen Bewußtseyns, emporgehoben hat, mit
der Gestalt, in der sich die Logik, sein Bewußtseyn über
sein reines Wesen, befindet, zeigt einen zu großen Unter-
schied, als daß es nicht der oberflächlichsten Betrachtung
sogleich auffallen sollte, daß diß letztere Bewußtseyn den
erstern Erhebungen durchaus unangemessen und ihrer
unwürdig ist.

In der That ist das Bedürfniß einer Umgestaltung
der Logik längst gefühlt worden. In der Form und In-
halt, wie sie sich in den Lehrbüchern zeigt, ist sie, man
darf sagen, in Verachtung gekommen. Sie wird noch
mit geschleppt mehr im Gefühle, daß eine Logik über-
haupt nicht zu entbehren sey, und aus einer noch fort-
dauernden Gewohnheit an die Tradition von ihrer Wich-
tigkeit, als aus Ueberzeugung, daß jener gewöhnliche
Inhalt und die Beschäftigung mit jenen leeren Formen,
Werth und Nutzen habe.

Die Erweiterungen, die ihr durch psychologisches,
pädagogisches und selbst physiologisches Material eine
Zeitlang gegeben wurden, sind nachher für Verunstaltun-
gen ziemlich allgemein anerkannt worden. An und für

sich

Einleitung.
der That die Veraͤnderungen faſt mehr nur in Weglaſ-
ſungen beſtehen — ſo iſt daraus eher zu folgern, daß
ſie um ſo mehr einer totalen Umarbeitung beduͤrfe; denn
ein zweytauſendjaͤhriges Fortarbeiten des Geiſtes, muß
ihm ein hoͤheres Bewußtſeyn uͤber ſein Denken und uͤber
ſeine reine Weſenheit in ſich ſelbſt, verſchaft haben.
Die Vergleichung der Geſtalten, zu denen ſich der Geiſt
der Welt und der Geiſt der Wiſſenſchaft in jeder Art
reellen und ideellen Bewußtſeyns, emporgehoben hat, mit
der Geſtalt, in der ſich die Logik, ſein Bewußtſeyn uͤber
ſein reines Weſen, befindet, zeigt einen zu großen Unter-
ſchied, als daß es nicht der oberflaͤchlichſten Betrachtung
ſogleich auffallen ſollte, daß diß letztere Bewußtſeyn den
erſtern Erhebungen durchaus unangemeſſen und ihrer
unwuͤrdig iſt.

In der That iſt das Beduͤrfniß einer Umgeſtaltung
der Logik laͤngſt gefuͤhlt worden. In der Form und In-
halt, wie ſie ſich in den Lehrbuͤchern zeigt, iſt ſie, man
darf ſagen, in Verachtung gekommen. Sie wird noch
mit geſchleppt mehr im Gefuͤhle, daß eine Logik uͤber-
haupt nicht zu entbehren ſey, und aus einer noch fort-
dauernden Gewohnheit an die Tradition von ihrer Wich-
tigkeit, als aus Ueberzeugung, daß jener gewoͤhnliche
Inhalt und die Beſchaͤftigung mit jenen leeren Formen,
Werth und Nutzen habe.

Die Erweiterungen, die ihr durch pſychologiſches,
paͤdagogiſches und ſelbſt phyſiologiſches Material eine
Zeitlang gegeben wurden, ſind nachher fuͤr Verunſtaltun-
gen ziemlich allgemein anerkannt worden. An und fuͤr

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[XVI/0036] Einleitung. der That die Veraͤnderungen faſt mehr nur in Weglaſ- ſungen beſtehen — ſo iſt daraus eher zu folgern, daß ſie um ſo mehr einer totalen Umarbeitung beduͤrfe; denn ein zweytauſendjaͤhriges Fortarbeiten des Geiſtes, muß ihm ein hoͤheres Bewußtſeyn uͤber ſein Denken und uͤber ſeine reine Weſenheit in ſich ſelbſt, verſchaft haben. Die Vergleichung der Geſtalten, zu denen ſich der Geiſt der Welt und der Geiſt der Wiſſenſchaft in jeder Art reellen und ideellen Bewußtſeyns, emporgehoben hat, mit der Geſtalt, in der ſich die Logik, ſein Bewußtſeyn uͤber ſein reines Weſen, befindet, zeigt einen zu großen Unter- ſchied, als daß es nicht der oberflaͤchlichſten Betrachtung ſogleich auffallen ſollte, daß diß letztere Bewußtſeyn den erſtern Erhebungen durchaus unangemeſſen und ihrer unwuͤrdig iſt. In der That iſt das Beduͤrfniß einer Umgeſtaltung der Logik laͤngſt gefuͤhlt worden. In der Form und In- halt, wie ſie ſich in den Lehrbuͤchern zeigt, iſt ſie, man darf ſagen, in Verachtung gekommen. Sie wird noch mit geſchleppt mehr im Gefuͤhle, daß eine Logik uͤber- haupt nicht zu entbehren ſey, und aus einer noch fort- dauernden Gewohnheit an die Tradition von ihrer Wich- tigkeit, als aus Ueberzeugung, daß jener gewoͤhnliche Inhalt und die Beſchaͤftigung mit jenen leeren Formen, Werth und Nutzen habe. Die Erweiterungen, die ihr durch pſychologiſches, paͤdagogiſches und ſelbſt phyſiologiſches Material eine Zeitlang gegeben wurden, ſind nachher fuͤr Verunſtaltun- gen ziemlich allgemein anerkannt worden. An und fuͤr ſich

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/36>, abgerufen am 20.04.2024.