Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
von der dialektischen Betrachtung derselben die Rede
war.

Der consequenter durchgeführte transcendentale Idea-
lismus hat die Nichtigkeit des von der kritischen Philoso-
phie noch übrig gelassenen Gespensts des Dings-an
- sich
, dieses abstracten von allem Inhalt abgeschiede-
nen Schattens erkannt, und den Zweck gehabt, ihn vol-
lends zu zerstören. Auch machte diese Philosophie den
Anfang, die Vernunft aus sich selbst ihre Bestimmungen
darstellen zu lassen. Aber die subjective Haltung dieses
Versuchs ließ ihn nicht zur Vollendung kommen. Ferner-
hin ist mit dieser Haltung auch jener Anfang um die
Ausbildung der reinen Wissenschaft aufgegeben worden.

Ganz ohne Rüksicht auf metaphysische Bedeutung
aber wird dasjenige betrachtet, was gemeinhin unter Lo-
gik begriffen wird. Diese Wissenschaft, in dem Zustande,
worin sie sich noch befindet, hat freylich keinen Inhalt der
Art, wie er als Realität und als eine wahrhafte Sache
in dem gewöhnlichen Bewußtseyn gilt. Aber sie ist nicht
aus diesem Grunde eine formelle, inhaltsvoller Wahr-
heit entbehrende Wissenschaft. In jenem Stoffe, der in
ihr vermißt, und dessen Mangel das Unbefriedigende der-
selben zugeschrieben zu werden pflegt, ist ohnehin das
Gebiet der Wahrheit nicht zu suchen. Sondern das Ge-
haltlose der logischen Formen liegt vielmehr allein in der
Art, sie zu betrachten und zu behandeln. Indem sie
nemlich als feste Bestimmungen aus einander fallen, und
nicht in organischer Einheit zusammengehalten werden,
sind sie todte Formen, und haben den Geist in ihnen nicht

wohnen,

Einleitung.
von der dialektiſchen Betrachtung derſelben die Rede
war.

Der conſequenter durchgefuͤhrte tranſcendentale Idea-
lismus hat die Nichtigkeit des von der kritiſchen Philoſo-
phie noch uͤbrig gelaſſenen Geſpenſts des Dings-an
‒ ſich
, dieſes abſtracten von allem Inhalt abgeſchiede-
nen Schattens erkannt, und den Zweck gehabt, ihn vol-
lends zu zerſtoͤren. Auch machte dieſe Philoſophie den
Anfang, die Vernunft aus ſich ſelbſt ihre Beſtimmungen
darſtellen zu laſſen. Aber die ſubjective Haltung dieſes
Verſuchs ließ ihn nicht zur Vollendung kommen. Ferner-
hin iſt mit dieſer Haltung auch jener Anfang um die
Ausbildung der reinen Wiſſenſchaft aufgegeben worden.

Ganz ohne Ruͤkſicht auf metaphyſiſche Bedeutung
aber wird dasjenige betrachtet, was gemeinhin unter Lo-
gik begriffen wird. Dieſe Wiſſenſchaft, in dem Zuſtande,
worin ſie ſich noch befindet, hat freylich keinen Inhalt der
Art, wie er als Realitaͤt und als eine wahrhafte Sache
in dem gewoͤhnlichen Bewußtſeyn gilt. Aber ſie iſt nicht
aus dieſem Grunde eine formelle, inhaltsvoller Wahr-
heit entbehrende Wiſſenſchaft. In jenem Stoffe, der in
ihr vermißt, und deſſen Mangel das Unbefriedigende der-
ſelben zugeſchrieben zu werden pflegt, iſt ohnehin das
Gebiet der Wahrheit nicht zu ſuchen. Sondern das Ge-
haltloſe der logiſchen Formen liegt vielmehr allein in der
Art, ſie zu betrachten und zu behandeln. Indem ſie
nemlich als feſte Beſtimmungen aus einander fallen, und
nicht in organiſcher Einheit zuſammengehalten werden,
ſind ſie todte Formen, und haben den Geiſt in ihnen nicht

wohnen,
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="IX"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
von der dialekti&#x017F;chen Betrachtung der&#x017F;elben die Rede<lb/>
war.</p><lb/>
        <p>Der con&#x017F;equenter durchgefu&#x0364;hrte tran&#x017F;cendentale Idea-<lb/>
lismus hat die Nichtigkeit des von der kriti&#x017F;chen Philo&#x017F;o-<lb/>
phie noch u&#x0364;brig gela&#x017F;&#x017F;enen Ge&#x017F;pen&#x017F;ts des <hi rendition="#g">Dings-an<lb/>
&#x2012; &#x017F;ich</hi>, die&#x017F;es ab&#x017F;tracten von allem Inhalt abge&#x017F;chiede-<lb/>
nen Schattens erkannt, und den Zweck gehabt, ihn vol-<lb/>
lends zu zer&#x017F;to&#x0364;ren. Auch machte die&#x017F;e Philo&#x017F;ophie den<lb/>
Anfang, die Vernunft aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ihre Be&#x017F;timmungen<lb/>
dar&#x017F;tellen zu la&#x017F;&#x017F;en. Aber die &#x017F;ubjective Haltung die&#x017F;es<lb/>
Ver&#x017F;uchs ließ ihn nicht zur Vollendung kommen. Ferner-<lb/>
hin i&#x017F;t mit die&#x017F;er Haltung auch jener Anfang um die<lb/>
Ausbildung der reinen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft aufgegeben worden.</p><lb/>
        <p>Ganz ohne Ru&#x0364;k&#x017F;icht auf metaphy&#x017F;i&#x017F;che Bedeutung<lb/>
aber wird dasjenige betrachtet, was gemeinhin unter Lo-<lb/>
gik begriffen wird. Die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, in dem Zu&#x017F;tande,<lb/>
worin &#x017F;ie &#x017F;ich noch befindet, hat freylich keinen Inhalt der<lb/>
Art, wie er als Realita&#x0364;t und als eine wahrhafte Sache<lb/>
in dem gewo&#x0364;hnlichen Bewußt&#x017F;eyn gilt. Aber &#x017F;ie i&#x017F;t nicht<lb/>
aus die&#x017F;em Grunde eine formelle, inhaltsvoller Wahr-<lb/>
heit entbehrende Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. In jenem Stoffe, der in<lb/>
ihr vermißt, und de&#x017F;&#x017F;en Mangel das Unbefriedigende der-<lb/>
&#x017F;elben zuge&#x017F;chrieben zu werden pflegt, i&#x017F;t ohnehin das<lb/>
Gebiet der Wahrheit nicht zu &#x017F;uchen. Sondern das Ge-<lb/>
haltlo&#x017F;e der logi&#x017F;chen Formen liegt vielmehr allein in der<lb/>
Art, &#x017F;ie zu betrachten und zu behandeln. Indem &#x017F;ie<lb/>
nemlich als fe&#x017F;te Be&#x017F;timmungen aus einander fallen, und<lb/>
nicht in organi&#x017F;cher Einheit zu&#x017F;ammengehalten werden,<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie todte Formen, und haben den Gei&#x017F;t in ihnen nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wohnen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0029] Einleitung. von der dialektiſchen Betrachtung derſelben die Rede war. Der conſequenter durchgefuͤhrte tranſcendentale Idea- lismus hat die Nichtigkeit des von der kritiſchen Philoſo- phie noch uͤbrig gelaſſenen Geſpenſts des Dings-an ‒ ſich, dieſes abſtracten von allem Inhalt abgeſchiede- nen Schattens erkannt, und den Zweck gehabt, ihn vol- lends zu zerſtoͤren. Auch machte dieſe Philoſophie den Anfang, die Vernunft aus ſich ſelbſt ihre Beſtimmungen darſtellen zu laſſen. Aber die ſubjective Haltung dieſes Verſuchs ließ ihn nicht zur Vollendung kommen. Ferner- hin iſt mit dieſer Haltung auch jener Anfang um die Ausbildung der reinen Wiſſenſchaft aufgegeben worden. Ganz ohne Ruͤkſicht auf metaphyſiſche Bedeutung aber wird dasjenige betrachtet, was gemeinhin unter Lo- gik begriffen wird. Dieſe Wiſſenſchaft, in dem Zuſtande, worin ſie ſich noch befindet, hat freylich keinen Inhalt der Art, wie er als Realitaͤt und als eine wahrhafte Sache in dem gewoͤhnlichen Bewußtſeyn gilt. Aber ſie iſt nicht aus dieſem Grunde eine formelle, inhaltsvoller Wahr- heit entbehrende Wiſſenſchaft. In jenem Stoffe, der in ihr vermißt, und deſſen Mangel das Unbefriedigende der- ſelben zugeſchrieben zu werden pflegt, iſt ohnehin das Gebiet der Wahrheit nicht zu ſuchen. Sondern das Ge- haltloſe der logiſchen Formen liegt vielmehr allein in der Art, ſie zu betrachten und zu behandeln. Indem ſie nemlich als feſte Beſtimmungen aus einander fallen, und nicht in organiſcher Einheit zuſammengehalten werden, ſind ſie todte Formen, und haben den Geiſt in ihnen nicht wohnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/29
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/29>, abgerufen am 23.11.2024.