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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Quantität.

Wenn die Billigkeit des gemeinen Menschenverstan-
des eine solche Ungenauigkeit erlaubt, so haben dagegen
alle Geometer diese Vorstellung verworfen. -- Es dringt
sich von selbst auf, daß in der Wissenschaft der Mathe-
matik von einer solchen empirischen Genauigkeit ganz und
gar nicht die Rede ist, daß das mathematische Messen
durch Operationen des Calculs oder durch Constructio-
nen und Beweise der Geometrie gänzlich vom Feldmessen,
vom Messen empirischer Linien, Figuren u. s. f. unter-
schieden ist. Ohnehin zeigen, wie oben angeführt, die
Analytiker durch die Vergleichung des Resultats, wie es
auf streng geometrischem Wege und wie es nach der Methode
der unendlichen Differenzen erhalten wird, daß das eine
dasselbe ist als das andere, und daß ein Mehr oder We-
niger von Genauigkeit ganz und gar nicht Statt findet.
Und es versteht sich von selbst, daß ein absolut genaues
Resultat nicht aus einem Verfahren herkommen könne,
das ungenau wäre. Jedoch kann auf der andern Seite
wieder das Verfahren selbst, jener Vernachlässi-
gung aus dem Grunde der Unbedeutenheit nicht entbeh-
ren. Und diß ist die Schwierigkeit, um welche die Be-
mühungen der Analytiker gehen, sich selbst das hierin
liegende Widersinnige begreiflich zu machen.

Euler, indem er die allgemeine Newtonische Defi-
nition zu Grunde legt, dringt vornemlich darauf, daß
die Differentialrechnung die Verhältnisse der In-
cremente
einer Größe betrachte, daß aber die un-
endliche Differenz
als solche ganz als Null zu
betrachten sey. -- Es ist zur Genüge erläutert, wie diß
zu verstehen ist; die unendliche Differenz ist Null nur des
Quantums, nicht eine qualitative Null, sondern als Null
des Quantums ist sie vielmehr reines Moment nur des
Verhältnisses. Sie ist nicht ein Unterschied um eine
Größe
; wie wenn ein Quantum von einem andern

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Quantitaͤt.

Wenn die Billigkeit des gemeinen Menſchenverſtan-
des eine ſolche Ungenauigkeit erlaubt, ſo haben dagegen
alle Geometer dieſe Vorſtellung verworfen. — Es dringt
ſich von ſelbſt auf, daß in der Wiſſenſchaft der Mathe-
matik von einer ſolchen empiriſchen Genauigkeit ganz und
gar nicht die Rede iſt, daß das mathematiſche Meſſen
durch Operationen des Calculs oder durch Conſtructio-
nen und Beweiſe der Geometrie gaͤnzlich vom Feldmeſſen,
vom Meſſen empiriſcher Linien, Figuren u. ſ. f. unter-
ſchieden iſt. Ohnehin zeigen, wie oben angefuͤhrt, die
Analytiker durch die Vergleichung des Reſultats, wie es
auf ſtreng geometriſchem Wege und wie es nach der Methode
der unendlichen Differenzen erhalten wird, daß das eine
daſſelbe iſt als das andere, und daß ein Mehr oder We-
niger von Genauigkeit ganz und gar nicht Statt findet.
Und es verſteht ſich von ſelbſt, daß ein abſolut genaues
Reſultat nicht aus einem Verfahren herkommen koͤnne,
das ungenau waͤre. Jedoch kann auf der andern Seite
wieder das Verfahren ſelbſt, jener Vernachlaͤſſi-
gung aus dem Grunde der Unbedeutenheit nicht entbeh-
ren. Und diß iſt die Schwierigkeit, um welche die Be-
muͤhungen der Analytiker gehen, ſich ſelbſt das hierin
liegende Widerſinnige begreiflich zu machen.

Euler, indem er die allgemeine Newtoniſche Defi-
nition zu Grunde legt, dringt vornemlich darauf, daß
die Differentialrechnung die Verhaͤltniſſe der In-
cremente
einer Groͤße betrachte, daß aber die un-
endliche Differenz
als ſolche ganz als Null zu
betrachten ſey. — Es iſt zur Genuͤge erlaͤutert, wie diß
zu verſtehen iſt; die unendliche Differenz iſt Null nur des
Quantums, nicht eine qualitative Null, ſondern als Null
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Verhaͤltniſſes. Sie iſt nicht ein Unterſchied um eine
Groͤße
; wie wenn ein Quantum von einem andern

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[231/0279] Quantitaͤt. Wenn die Billigkeit des gemeinen Menſchenverſtan- des eine ſolche Ungenauigkeit erlaubt, ſo haben dagegen alle Geometer dieſe Vorſtellung verworfen. — Es dringt ſich von ſelbſt auf, daß in der Wiſſenſchaft der Mathe- matik von einer ſolchen empiriſchen Genauigkeit ganz und gar nicht die Rede iſt, daß das mathematiſche Meſſen durch Operationen des Calculs oder durch Conſtructio- nen und Beweiſe der Geometrie gaͤnzlich vom Feldmeſſen, vom Meſſen empiriſcher Linien, Figuren u. ſ. f. unter- ſchieden iſt. Ohnehin zeigen, wie oben angefuͤhrt, die Analytiker durch die Vergleichung des Reſultats, wie es auf ſtreng geometriſchem Wege und wie es nach der Methode der unendlichen Differenzen erhalten wird, daß das eine daſſelbe iſt als das andere, und daß ein Mehr oder We- niger von Genauigkeit ganz und gar nicht Statt findet. Und es verſteht ſich von ſelbſt, daß ein abſolut genaues Reſultat nicht aus einem Verfahren herkommen koͤnne, das ungenau waͤre. Jedoch kann auf der andern Seite wieder das Verfahren ſelbſt, jener Vernachlaͤſſi- gung aus dem Grunde der Unbedeutenheit nicht entbeh- ren. Und diß iſt die Schwierigkeit, um welche die Be- muͤhungen der Analytiker gehen, ſich ſelbſt das hierin liegende Widerſinnige begreiflich zu machen. Euler, indem er die allgemeine Newtoniſche Defi- nition zu Grunde legt, dringt vornemlich darauf, daß die Differentialrechnung die Verhaͤltniſſe der In- cremente einer Groͤße betrachte, daß aber die un- endliche Differenz als ſolche ganz als Null zu betrachten ſey. — Es iſt zur Genuͤge erlaͤutert, wie diß zu verſtehen iſt; die unendliche Differenz iſt Null nur des Quantums, nicht eine qualitative Null, ſondern als Null des Quantums iſt ſie vielmehr reines Moment nur des Verhaͤltniſſes. Sie iſt nicht ein Unterſchied um eine Groͤße; wie wenn ein Quantum von einem andern ſub- R 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/279>, abgerufen am 22.11.2024.