Behauptung eines jeden der zwey entgegengesetzten Mo- mente der Antinomie. Aber dabey ist diese einfache kate- gorische oder eigentlich assertorische Behauptung in ein schiefes, verdrehtes Gerüste von Räsonnement eingehüllt, wodurch ein Schein von Beweisen hervorgebracht, und das bloß Assertorische der Behauptung versteckt und un- kenntlich gemacht werden soll; wie sich diß bey der nä- hern Betrachtung derselben zeigen wird.
Die Antinomie, die hieher gehört, betrift die soge- nannte unendliche Theilbarkeit der Materie, und beruht auf dem Gegensatze der Momente der Con- tinuität und Discretion, welche der Begriff der Quan- tität in sich enthält.
Die Thesis derselben nach Kantischer Darstellung lautet so:
Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Theilen, und es existirt überall nichts als das Ein- fache, oder was aus diesem zusammenge- setzt ist.
Es wird hier dem Einfachen, dem Atomen, das Zusammengesetzte gegenübergestellt, was gegen das Stätige oder Continuirliche eine sehr zurückstehende Be- stimmung ist. -- Das Substrat, das diesen Abstractio- nen gegeben ist, nemlich empirische Substanzen in der Welt, was hier weiter nichts heißt, als die Dinge, wie sie sinnlich wahrnehmbar sind, hat auf das Antino- mische selbst keinen Einfluß; es konnte eben so gut auch Raum und Zeit genommen werden. -- Indem nun die Thesis nur von Zusammensetzung statt von Con- tinuität lautet, so ist sie eigentlich ein analytischer
oder
Quantitaͤt.
Behauptung eines jeden der zwey entgegengeſetzten Mo- mente der Antinomie. Aber dabey iſt dieſe einfache kate- goriſche oder eigentlich aſſertoriſche Behauptung in ein ſchiefes, verdrehtes Geruͤſte von Raͤſonnement eingehuͤllt, wodurch ein Schein von Beweiſen hervorgebracht, und das bloß Aſſertoriſche der Behauptung verſteckt und un- kenntlich gemacht werden ſoll; wie ſich diß bey der naͤ- hern Betrachtung derſelben zeigen wird.
Die Antinomie, die hieher gehoͤrt, betrift die ſoge- nannte unendliche Theilbarkeit der Materie, und beruht auf dem Gegenſatze der Momente der Con- tinuitaͤt und Diſcretion, welche der Begriff der Quan- titaͤt in ſich enthaͤlt.
Die Theſis derſelben nach Kantiſcher Darſtellung lautet ſo:
Eine jede zuſammengeſetzte Subſtanz in der Welt beſteht aus einfachen Theilen, und es exiſtirt uͤberall nichts als das Ein- fache, oder was aus dieſem zuſammenge- ſetzt iſt.
Es wird hier dem Einfachen, dem Atomen, das Zuſammengeſetzte gegenuͤbergeſtellt, was gegen das Staͤtige oder Continuirliche eine ſehr zuruͤckſtehende Be- ſtimmung iſt. — Das Subſtrat, das dieſen Abſtractio- nen gegeben iſt, nemlich empiriſche Subſtanzen in der Welt, was hier weiter nichts heißt, als die Dinge, wie ſie ſinnlich wahrnehmbar ſind, hat auf das Antino- miſche ſelbſt keinen Einfluß; es konnte eben ſo gut auch Raum und Zeit genommen werden. — Indem nun die Theſis nur von Zuſammenſetzung ſtatt von Con- tinuitaͤt lautet, ſo iſt ſie eigentlich ein analytiſcher
oder
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Quantitaͤt.
Behauptung eines jeden der zwey entgegengeſetzten Mo-
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ſchiefes, verdrehtes Geruͤſte von Raͤſonnement eingehuͤllt,
wodurch ein Schein von Beweiſen hervorgebracht, und
das bloß Aſſertoriſche der Behauptung verſteckt und un-
kenntlich gemacht werden ſoll; wie ſich diß bey der naͤ-
hern Betrachtung derſelben zeigen wird.
Die Antinomie, die hieher gehoͤrt, betrift die ſoge-
nannte unendliche Theilbarkeit der Materie,
und beruht auf dem Gegenſatze der Momente der Con-
tinuitaͤt und Diſcretion, welche der Begriff der Quan-
titaͤt in ſich enthaͤlt.
Die Theſis derſelben nach Kantiſcher Darſtellung
lautet ſo:
Eine jede zuſammengeſetzte Subſtanz
in der Welt beſteht aus einfachen Theilen,
und es exiſtirt uͤberall nichts als das Ein-
fache, oder was aus dieſem zuſammenge-
ſetzt iſt.
Es wird hier dem Einfachen, dem Atomen, das
Zuſammengeſetzte gegenuͤbergeſtellt, was gegen das
Staͤtige oder Continuirliche eine ſehr zuruͤckſtehende Be-
ſtimmung iſt. — Das Subſtrat, das dieſen Abſtractio-
nen gegeben iſt, nemlich empiriſche Subſtanzen in der
Welt, was hier weiter nichts heißt, als die Dinge,
wie ſie ſinnlich wahrnehmbar ſind, hat auf das Antino-
miſche ſelbſt keinen Einfluß; es konnte eben ſo gut auch
Raum und Zeit genommen werden. — Indem nun die
Theſis nur von Zuſammenſetzung ſtatt von Con-
tinuitaͤt lautet, ſo iſt ſie eigentlich ein analytiſcher
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/189>, abgerufen am 25.07.2024.
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