endlich nur in der Beziehung auf das Sollen oder auf das Unendliche, und das Unendliche ist nur unendlich in Beziehung auf das Endliche. Sie sind schlechthin Ande- re gegeneinander, und jedes hat das Andere seiner an ihm selbst.
Diese Wechselbestimmung ist es, welche näher im Quantitativen als der Progreß ins Unendliche auf- tritt, der in so vielen Gestalten und Anwendungen als ein Letztes gilt, über das nicht mehr hinausgegangen wird, sondern angekommen bey jenem: Und so fort ins Unendliche, pflegt der Gedanke sein Ende erreicht zu haben.
Der Grund, daß über diß Hinausgehen nicht selbst hinausgegangen wird, hat sich ergeben. Es ist nur das schlechte Unendliche vorhanden; über das- selbe wird allerdings hinausgegangen, denn es wird eine neue Grenze gesetzt, aber damit eben wird vielmehr nur zum Endlichen zurückgekehrt. Die schlechte Unendlich- keit ist dasselbe, was das perennirende Sollen, sie ist zwar die Negation des Endlichen, aber sie vermag sich nicht in Wahrheit davon zu befreyen; diß tritt an ihr selbst wieder hervor, als ihr Anderes, weil diß Un- endliche nur ist als in Beziehung auf das ihm andre Endliche. Der Progreß ins Unendliche ist daher nur die sich wiederhohlende Einerleyheit, eine und dieselbe lang- weilige Abwechslung dieses Endlichen und Unendlichen.
Diese Unendlichkeit des unendlichen Progresses, die mit dem Endlichen behafftet bleibt, hat an ihr selbst ihr Anderes, das Endliche; sie ist somit dadurch begrenzt und selbst endlich; sie ist darum die schlechte Unendlich- keit, weil sie nicht an und für sich, sondern nur ist, als Beziehung auf ihr Anderes.
Diß
Erſtes Buch. I.Abſchnitt.
endlich nur in der Beziehung auf das Sollen oder auf das Unendliche, und das Unendliche iſt nur unendlich in Beziehung auf das Endliche. Sie ſind ſchlechthin Ande- re gegeneinander, und jedes hat das Andere ſeiner an ihm ſelbſt.
Dieſe Wechſelbeſtimmung iſt es, welche naͤher im Quantitativen als der Progreß ins Unendliche auf- tritt, der in ſo vielen Geſtalten und Anwendungen als ein Letztes gilt, uͤber das nicht mehr hinausgegangen wird, ſondern angekommen bey jenem: Und ſo fort ins Unendliche, pflegt der Gedanke ſein Ende erreicht zu haben.
Der Grund, daß uͤber diß Hinausgehen nicht ſelbſt hinausgegangen wird, hat ſich ergeben. Es iſt nur das ſchlechte Unendliche vorhanden; uͤber daſ- ſelbe wird allerdings hinausgegangen, denn es wird eine neue Grenze geſetzt, aber damit eben wird vielmehr nur zum Endlichen zuruͤckgekehrt. Die ſchlechte Unendlich- keit iſt daſſelbe, was das perennirende Sollen, ſie iſt zwar die Negation des Endlichen, aber ſie vermag ſich nicht in Wahrheit davon zu befreyen; diß tritt an ihr ſelbſt wieder hervor, als ihr Anderes, weil diß Un- endliche nur iſt als in Beziehung auf das ihm andre Endliche. Der Progreß ins Unendliche iſt daher nur die ſich wiederhohlende Einerleyheit, eine und dieſelbe lang- weilige Abwechslung dieſes Endlichen und Unendlichen.
Dieſe Unendlichkeit des unendlichen Progreſſes, die mit dem Endlichen behafftet bleibt, hat an ihr ſelbſt ihr Anderes, das Endliche; ſie iſt ſomit dadurch begrenzt und ſelbſt endlich; ſie iſt darum die ſchlechte Unendlich- keit, weil ſie nicht an und fuͤr ſich, ſondern nur iſt, als Beziehung auf ihr Anderes.
Diß
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Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
endlich nur in der Beziehung auf das Sollen oder auf
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Beziehung auf das Endliche. Sie ſind ſchlechthin Ande-
re gegeneinander, und jedes hat das Andere ſeiner an
ihm ſelbſt.
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Quantitativen als der Progreß ins Unendliche auf-
tritt, der in ſo vielen Geſtalten und Anwendungen als
ein Letztes gilt, uͤber das nicht mehr hinausgegangen
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haben.
Der Grund, daß uͤber diß Hinausgehen
nicht ſelbſt hinausgegangen wird, hat ſich ergeben.
Es iſt nur das ſchlechte Unendliche vorhanden; uͤber daſ-
ſelbe wird allerdings hinausgegangen, denn es wird eine
neue Grenze geſetzt, aber damit eben wird vielmehr nur
zum Endlichen zuruͤckgekehrt. Die ſchlechte Unendlich-
keit iſt daſſelbe, was das perennirende Sollen, ſie iſt
zwar die Negation des Endlichen, aber ſie vermag ſich
nicht in Wahrheit davon zu befreyen; diß tritt an ihr
ſelbſt wieder hervor, als ihr Anderes, weil diß Un-
endliche nur iſt als in Beziehung auf das ihm andre
Endliche. Der Progreß ins Unendliche iſt daher nur die
ſich wiederhohlende Einerleyheit, eine und dieſelbe lang-
weilige Abwechslung dieſes Endlichen und Unendlichen.
Dieſe Unendlichkeit des unendlichen Progreſſes, die
mit dem Endlichen behafftet bleibt, hat an ihr ſelbſt ihr
Anderes, das Endliche; ſie iſt ſomit dadurch begrenzt
und ſelbſt endlich; ſie iſt darum die ſchlechte Unendlich-
keit, weil ſie nicht an und fuͤr ſich, ſondern nur iſt,
als Beziehung auf ihr Anderes.
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/132>, abgerufen am 04.07.2024.
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