Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Buch. §. 21.
der Mexicanische Staatenbund. In dergleichen Unions-
verhältnissen ist ein besonderes staatliches Sein dem einzel-
nen mitvereinigten Staat nicht abgesprochen, wenn auch
abhängig von der Centralstaatsgewalt bis zu einer ver-
fassungsmäßigen Grenze. Diese Centralgewalt wird aber
oft eine sehr ohnmächtige den einzelnen Staaten gegen-
über, sobald diese ihre eigene Kraft fühlen und ein cen-
trifugales Streben beginnen. Die nächste Geburt ist
dann meist ein Staatenbund.

21. Sehr verschieden von dem zusammengesetzten Staat ist der
Staatenbund, bei welchem es keine gemeinsame oberste Staats-
gewalt, sondern nur Vertragsrechte und gemeinsame Organe zur Er-
reichung der vereinbarten Bundeszwecke giebt; eine bleibende Staa-
tengesellschaft mit eigenen organischen Einrichtungen für jene Zwecke.
Die einzelnen verbündeten Staaten bleiben hier in allen Beziehun-
gen souverän und sind von dem gemeinsamen Willen des Vereins nur
in so weit abhängig, als sie sich demselben vertragsweise unterge-
ordnet haben; im Bundesstaat können sie höchstens nur halbsou-
verän sein. Ein derartiger Staatenbund ist meistens die erste Pro-
gression der sich selbst aufgebenden und als ohnmächtig erkennen-
den Kleinstaaterei, gewöhnlich auch zusammenhängend mit nationa-
len Stamminteressen; oder, wie bereits vorhin bemerkt, eine Auf-
lösung des Bundesstaates. Wir finden ihn im Alterthum, in den
Verbindungen griechischer und lateinischer Städte (reine Schutz-
und Trutzvereine); in der neueren Zeit in der Schweitzerischen Eid-
genossenschaft, in dem vormaligen Freistaat der sieben vereinigten
Niederlande, endlich jetzt in dem Deutschen Bunde. Der Einfluß
des Bundesverhältnisses auf die einzelnen Staaten kann natürlich
ein sehr verschiedener sein und dasselbe sich bald mehr bald weni-
ger einem Bundesstaat annähern. Seine Hauptwirksamkeit geht auf
das äußere Verhältniß der Verbündeten zu anderen Mächten; nur
in so fern ist er selbst auch eine völkerrechtliche Person. Als Haupt-
arten lassen sich unterscheiden:
der dynastische Staatenbund, wo nur die Regierungen mit
einander verbündet sind und in der Bundesmacht zugleich ihre
Anlehnung und Verstärkung suchen; dann
der Völker-Staatenbund, welcher auch die beherrschten
Stämme selbst organisch mit vereinigt.


Erſtes Buch. §. 21.
der Mexicaniſche Staatenbund. In dergleichen Unions-
verhältniſſen iſt ein beſonderes ſtaatliches Sein dem einzel-
nen mitvereinigten Staat nicht abgeſprochen, wenn auch
abhängig von der Centralſtaatsgewalt bis zu einer ver-
faſſungsmäßigen Grenze. Dieſe Centralgewalt wird aber
oft eine ſehr ohnmächtige den einzelnen Staaten gegen-
über, ſobald dieſe ihre eigene Kraft fühlen und ein cen-
trifugales Streben beginnen. Die nächſte Geburt iſt
dann meiſt ein Staatenbund.

21. Sehr verſchieden von dem zuſammengeſetzten Staat iſt der
Staatenbund, bei welchem es keine gemeinſame oberſte Staats-
gewalt, ſondern nur Vertragsrechte und gemeinſame Organe zur Er-
reichung der vereinbarten Bundeszwecke giebt; eine bleibende Staa-
tengeſellſchaft mit eigenen organiſchen Einrichtungen für jene Zwecke.
Die einzelnen verbündeten Staaten bleiben hier in allen Beziehun-
gen ſouverän und ſind von dem gemeinſamen Willen des Vereins nur
in ſo weit abhängig, als ſie ſich demſelben vertragsweiſe unterge-
ordnet haben; im Bundesſtaat können ſie höchſtens nur halbſou-
verän ſein. Ein derartiger Staatenbund iſt meiſtens die erſte Pro-
greſſion der ſich ſelbſt aufgebenden und als ohnmächtig erkennen-
den Kleinſtaaterei, gewöhnlich auch zuſammenhängend mit nationa-
len Stammintereſſen; oder, wie bereits vorhin bemerkt, eine Auf-
löſung des Bundesſtaates. Wir finden ihn im Alterthum, in den
Verbindungen griechiſcher und lateiniſcher Städte (reine Schutz-
und Trutzvereine); in der neueren Zeit in der Schweitzeriſchen Eid-
genoſſenſchaft, in dem vormaligen Freiſtaat der ſieben vereinigten
Niederlande, endlich jetzt in dem Deutſchen Bunde. Der Einfluß
des Bundesverhältniſſes auf die einzelnen Staaten kann natürlich
ein ſehr verſchiedener ſein und daſſelbe ſich bald mehr bald weni-
ger einem Bundesſtaat annähern. Seine Hauptwirkſamkeit geht auf
das äußere Verhältniß der Verbündeten zu anderen Mächten; nur
in ſo fern iſt er ſelbſt auch eine völkerrechtliche Perſon. Als Haupt-
arten laſſen ſich unterſcheiden:
der dynaſtiſche Staatenbund, wo nur die Regierungen mit
einander verbündet ſind und in der Bundesmacht zugleich ihre
Anlehnung und Verſtärkung ſuchen; dann
der Völker-Staatenbund, welcher auch die beherrſchten
Stämme ſelbſt organiſch mit vereinigt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item>
                  <list>
                    <item><pb facs="#f0060" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. §. 21.</fw><lb/>
der Mexicani&#x017F;che Staatenbund. In dergleichen Unions-<lb/>
verhältni&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t ein be&#x017F;onderes &#x017F;taatliches Sein dem einzel-<lb/>
nen mitvereinigten Staat nicht abge&#x017F;prochen, wenn auch<lb/>
abhängig von der Central&#x017F;taatsgewalt bis zu einer ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ungsmäßigen Grenze. Die&#x017F;e Centralgewalt wird aber<lb/>
oft eine &#x017F;ehr ohnmächtige den einzelnen Staaten gegen-<lb/>
über, &#x017F;obald die&#x017F;e ihre eigene Kraft fühlen und ein cen-<lb/>
trifugales Streben beginnen. Die näch&#x017F;te Geburt i&#x017F;t<lb/>
dann mei&#x017F;t ein Staatenbund.</item>
                  </list>
                </item>
              </list><lb/>
              <p>21. Sehr ver&#x017F;chieden von dem zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Staat i&#x017F;t der<lb/><hi rendition="#g">Staatenbund</hi>, bei welchem es keine gemein&#x017F;ame ober&#x017F;te Staats-<lb/>
gewalt, &#x017F;ondern nur Vertragsrechte und gemein&#x017F;ame Organe zur Er-<lb/>
reichung der vereinbarten Bundeszwecke giebt; eine bleibende Staa-<lb/>
tenge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit eigenen organi&#x017F;chen Einrichtungen für jene Zwecke.<lb/>
Die einzelnen verbündeten Staaten bleiben hier in allen Beziehun-<lb/>
gen &#x017F;ouverän und &#x017F;ind von dem gemein&#x017F;amen Willen des Vereins nur<lb/>
in &#x017F;o weit abhängig, als &#x017F;ie &#x017F;ich dem&#x017F;elben vertragswei&#x017F;e unterge-<lb/>
ordnet haben; im Bundes&#x017F;taat können &#x017F;ie höch&#x017F;tens nur halb&#x017F;ou-<lb/>
verän &#x017F;ein. Ein derartiger Staatenbund i&#x017F;t mei&#x017F;tens die er&#x017F;te Pro-<lb/>
gre&#x017F;&#x017F;ion der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t aufgebenden und als ohnmächtig erkennen-<lb/>
den Klein&#x017F;taaterei, gewöhnlich auch zu&#x017F;ammenhängend mit nationa-<lb/>
len Stammintere&#x017F;&#x017F;en; oder, wie bereits vorhin bemerkt, eine Auf-<lb/>&#x017F;ung des Bundes&#x017F;taates. Wir finden ihn im Alterthum, in den<lb/>
Verbindungen griechi&#x017F;cher und lateini&#x017F;cher Städte (reine Schutz-<lb/>
und Trutzvereine); in der neueren Zeit in der Schweitzeri&#x017F;chen Eid-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, in dem vormaligen Frei&#x017F;taat der &#x017F;ieben vereinigten<lb/>
Niederlande, endlich jetzt in dem Deut&#x017F;chen Bunde. Der Einfluß<lb/>
des Bundesverhältni&#x017F;&#x017F;es auf die einzelnen Staaten kann natürlich<lb/>
ein &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedener &#x017F;ein und da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ich bald mehr bald weni-<lb/>
ger einem Bundes&#x017F;taat annähern. Seine Hauptwirk&#x017F;amkeit geht auf<lb/>
das äußere Verhältniß der Verbündeten zu anderen Mächten; nur<lb/>
in &#x017F;o fern i&#x017F;t er &#x017F;elb&#x017F;t auch eine völkerrechtliche Per&#x017F;on. Als Haupt-<lb/>
arten la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich unter&#x017F;cheiden:<lb/><hi rendition="#et">der dyna&#x017F;ti&#x017F;che Staatenbund, wo nur die Regierungen mit<lb/>
einander verbündet &#x017F;ind und in der Bundesmacht zugleich ihre<lb/>
Anlehnung und Ver&#x017F;tärkung &#x017F;uchen; dann<lb/>
der Völker-Staatenbund, welcher auch die beherr&#x017F;chten<lb/>
Stämme &#x017F;elb&#x017F;t organi&#x017F;ch mit vereinigt.</hi></p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0060] Erſtes Buch. §. 21. der Mexicaniſche Staatenbund. In dergleichen Unions- verhältniſſen iſt ein beſonderes ſtaatliches Sein dem einzel- nen mitvereinigten Staat nicht abgeſprochen, wenn auch abhängig von der Centralſtaatsgewalt bis zu einer ver- faſſungsmäßigen Grenze. Dieſe Centralgewalt wird aber oft eine ſehr ohnmächtige den einzelnen Staaten gegen- über, ſobald dieſe ihre eigene Kraft fühlen und ein cen- trifugales Streben beginnen. Die nächſte Geburt iſt dann meiſt ein Staatenbund. 21. Sehr verſchieden von dem zuſammengeſetzten Staat iſt der Staatenbund, bei welchem es keine gemeinſame oberſte Staats- gewalt, ſondern nur Vertragsrechte und gemeinſame Organe zur Er- reichung der vereinbarten Bundeszwecke giebt; eine bleibende Staa- tengeſellſchaft mit eigenen organiſchen Einrichtungen für jene Zwecke. Die einzelnen verbündeten Staaten bleiben hier in allen Beziehun- gen ſouverän und ſind von dem gemeinſamen Willen des Vereins nur in ſo weit abhängig, als ſie ſich demſelben vertragsweiſe unterge- ordnet haben; im Bundesſtaat können ſie höchſtens nur halbſou- verän ſein. Ein derartiger Staatenbund iſt meiſtens die erſte Pro- greſſion der ſich ſelbſt aufgebenden und als ohnmächtig erkennen- den Kleinſtaaterei, gewöhnlich auch zuſammenhängend mit nationa- len Stammintereſſen; oder, wie bereits vorhin bemerkt, eine Auf- löſung des Bundesſtaates. Wir finden ihn im Alterthum, in den Verbindungen griechiſcher und lateiniſcher Städte (reine Schutz- und Trutzvereine); in der neueren Zeit in der Schweitzeriſchen Eid- genoſſenſchaft, in dem vormaligen Freiſtaat der ſieben vereinigten Niederlande, endlich jetzt in dem Deutſchen Bunde. Der Einfluß des Bundesverhältniſſes auf die einzelnen Staaten kann natürlich ein ſehr verſchiedener ſein und daſſelbe ſich bald mehr bald weni- ger einem Bundesſtaat annähern. Seine Hauptwirkſamkeit geht auf das äußere Verhältniß der Verbündeten zu anderen Mächten; nur in ſo fern iſt er ſelbſt auch eine völkerrechtliche Perſon. Als Haupt- arten laſſen ſich unterſcheiden: der dynaſtiſche Staatenbund, wo nur die Regierungen mit einander verbündet ſind und in der Bundesmacht zugleich ihre Anlehnung und Verſtärkung ſuchen; dann der Völker-Staatenbund, welcher auch die beherrſchten Stämme ſelbſt organiſch mit vereinigt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/60
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/60>, abgerufen am 02.05.2024.