Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch. §. 246.
men, ist lediglich nach Grundsätzen des inneren Staatsrechtes zu
beurtheilen.

Militärische Kundschafter.

246. Als Militärspione können nur diejenigen gelten, welche
außer ihrem ordentlichen militärischen Beruf über feindliche Ver-
hältnisse und in Beziehung auf einen Kriegsstand zwischen dem
absendenden und fremden Staate heimliche Erkundigungen einzie-
hen, und zwar entweder in dem feindlichen Staate selbst oder doch
in den von seinen Truppen besetzten Ländern, Lagern und Linien,
nicht aber auch derjenige, welcher ohne Verheimlichung, seinem or-
dentlichen Militärberufe gemäß, in einen jener Bereiche eindringt,
um Nachrichten zu sammeln; z. B. auf einer Recognoscirung; oder
wer auf dem ihm angewiesenen Posten von Personen, deren er hier
habhaft werden kann, Erkundigungen einzieht; und ebenso wenig
ist derjenige ein eigentlicher Kriegskundschafter, welcher nur für seine
eigenen Zwecke sich von der Lage einer feindlichen Partei aufzuklä-
ren unternommen hat.

Ist nun auch an und für sich in der Uebernahme eines Kund-
schaftauftrages kein Verbrechen enthalten, so wird es doch ein sol-
ches, wenn ihn ein Unterthan gegen seinen eigenen Staat unter-
nimmt; denn er begeht einen Verrath; überdies steht dem Feinde
unbedenklich zu, wider das Auskundschaften seiner Lage und Ver-
hältnisse Reactionen als Vertheidigungsmittel zu gebrauchen. Der
Späher ist in einem feindlichen Unternehmen begriffen. Der Kriegs-
gebrauch hat ihm daher längst, wenn er auf solcher That betroffen
wird, den Strang, oder zuweilen in neuerer Zeit die Kugel be-
stimmt, wie es das Martialgesetz jeder Nation mit sich bringt.
Auch hier kann eine ausdrückliche Auftragsertheilung der fremden
Regierung nicht schützen, so wenig als die Berufung auf die Pflicht
des Gehorsams im Militärdienst. 1

Die nachherige Ergreifung, nachdem der Späher aufgehört hat,
ein solcher zu sein, kann höchstens nur Sicherungsmittel gegen

1 Ein trauriges, wenngleich in den Grenzen des Völkerrechts gehaltenes Ver-
fahren
fand nach diesen Grundsätzen im Jahre 1780 gegen den britischen
Major Andre, ungeachtet aller Verwendungen, Statt. v. Martens Erzäh-
lungen I, 303.

Drittes Buch. §. 246.
men, iſt lediglich nach Grundſätzen des inneren Staatsrechtes zu
beurtheilen.

Militäriſche Kundſchafter.

246. Als Militärſpione können nur diejenigen gelten, welche
außer ihrem ordentlichen militäriſchen Beruf über feindliche Ver-
hältniſſe und in Beziehung auf einen Kriegsſtand zwiſchen dem
abſendenden und fremden Staate heimliche Erkundigungen einzie-
hen, und zwar entweder in dem feindlichen Staate ſelbſt oder doch
in den von ſeinen Truppen beſetzten Ländern, Lagern und Linien,
nicht aber auch derjenige, welcher ohne Verheimlichung, ſeinem or-
dentlichen Militärberufe gemäß, in einen jener Bereiche eindringt,
um Nachrichten zu ſammeln; z. B. auf einer Recognoscirung; oder
wer auf dem ihm angewieſenen Poſten von Perſonen, deren er hier
habhaft werden kann, Erkundigungen einzieht; und ebenſo wenig
iſt derjenige ein eigentlicher Kriegskundſchafter, welcher nur für ſeine
eigenen Zwecke ſich von der Lage einer feindlichen Partei aufzuklä-
ren unternommen hat.

Iſt nun auch an und für ſich in der Uebernahme eines Kund-
ſchaftauftrages kein Verbrechen enthalten, ſo wird es doch ein ſol-
ches, wenn ihn ein Unterthan gegen ſeinen eigenen Staat unter-
nimmt; denn er begeht einen Verrath; überdies ſteht dem Feinde
unbedenklich zu, wider das Auskundſchaften ſeiner Lage und Ver-
hältniſſe Reactionen als Vertheidigungsmittel zu gebrauchen. Der
Späher iſt in einem feindlichen Unternehmen begriffen. Der Kriegs-
gebrauch hat ihm daher längſt, wenn er auf ſolcher That betroffen
wird, den Strang, oder zuweilen in neuerer Zeit die Kugel be-
ſtimmt, wie es das Martialgeſetz jeder Nation mit ſich bringt.
Auch hier kann eine ausdrückliche Auftragsertheilung der fremden
Regierung nicht ſchützen, ſo wenig als die Berufung auf die Pflicht
des Gehorſams im Militärdienſt. 1

Die nachherige Ergreifung, nachdem der Späher aufgehört hat,
ein ſolcher zu ſein, kann höchſtens nur Sicherungsmittel gegen

1 Ein trauriges, wenngleich in den Grenzen des Völkerrechts gehaltenes Ver-
fahren
fand nach dieſen Grundſätzen im Jahre 1780 gegen den britiſchen
Major André, ungeachtet aller Verwendungen, Statt. v. Martens Erzäh-
lungen I, 303.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0420" n="396"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch</hi>. §. 246.</fw><lb/>
men, i&#x017F;t lediglich nach Grund&#x017F;ätzen des inneren Staatsrechtes zu<lb/>
beurtheilen.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head>Militäri&#x017F;che Kund&#x017F;chafter.</head><lb/>
            <p>246. Als Militär&#x017F;pione können nur diejenigen gelten, welche<lb/>
außer ihrem ordentlichen militäri&#x017F;chen Beruf über feindliche Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e und in Beziehung auf einen Kriegs&#x017F;tand zwi&#x017F;chen dem<lb/>
ab&#x017F;endenden und fremden Staate heimliche Erkundigungen einzie-<lb/>
hen, und zwar entweder in dem feindlichen Staate &#x017F;elb&#x017F;t oder doch<lb/>
in den von &#x017F;einen Truppen be&#x017F;etzten Ländern, Lagern und Linien,<lb/>
nicht aber auch derjenige, welcher ohne Verheimlichung, &#x017F;einem or-<lb/>
dentlichen Militärberufe gemäß, in einen jener Bereiche eindringt,<lb/>
um Nachrichten zu &#x017F;ammeln; z. B. auf einer Recognoscirung; oder<lb/>
wer auf dem ihm angewie&#x017F;enen Po&#x017F;ten von Per&#x017F;onen, deren er hier<lb/>
habhaft werden kann, Erkundigungen einzieht; und eben&#x017F;o wenig<lb/>
i&#x017F;t derjenige ein eigentlicher Kriegskund&#x017F;chafter, welcher nur für &#x017F;eine<lb/>
eigenen Zwecke &#x017F;ich von der Lage einer feindlichen Partei aufzuklä-<lb/>
ren unternommen hat.</p><lb/>
            <p>I&#x017F;t nun auch an und für &#x017F;ich in der Uebernahme eines Kund-<lb/>
&#x017F;chaftauftrages kein Verbrechen enthalten, &#x017F;o wird es doch ein &#x017F;ol-<lb/>
ches, wenn ihn ein Unterthan gegen &#x017F;einen eigenen Staat unter-<lb/>
nimmt; denn er begeht einen Verrath; überdies &#x017F;teht dem Feinde<lb/>
unbedenklich zu, wider das <choice><sic>Auskundfchaften</sic><corr>Auskund&#x017F;chaften</corr></choice> &#x017F;einer Lage und Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e Reactionen als Vertheidigungsmittel zu gebrauchen. Der<lb/>
Späher i&#x017F;t in einem feindlichen Unternehmen begriffen. Der Kriegs-<lb/>
gebrauch hat ihm daher läng&#x017F;t, wenn er auf &#x017F;olcher That betroffen<lb/>
wird, den Strang, oder zuweilen in neuerer Zeit die Kugel be-<lb/>
&#x017F;timmt, wie es das Martialge&#x017F;etz jeder Nation mit &#x017F;ich bringt.<lb/>
Auch hier kann eine ausdrückliche Auftragsertheilung der fremden<lb/>
Regierung nicht &#x017F;chützen, &#x017F;o wenig als die Berufung auf die Pflicht<lb/>
des Gehor&#x017F;ams im Militärdien&#x017F;t. <note place="foot" n="1">Ein trauriges, wenngleich in den Grenzen des Völkerrechts gehaltenes <choice><sic>Ver-<lb/>
&#x017F;ahren</sic><corr>Ver-<lb/>
fahren</corr></choice> fand nach die&#x017F;en Grund&#x017F;ätzen im Jahre 1780 gegen den briti&#x017F;chen<lb/>
Major Andr<hi rendition="#aq">é</hi>, ungeachtet aller Verwendungen, Statt. v. Martens Erzäh-<lb/>
lungen <hi rendition="#aq">I,</hi> 303.</note></p><lb/>
            <p>Die nachherige Ergreifung, nachdem der Späher aufgehört hat,<lb/>
ein &#x017F;olcher zu &#x017F;ein, kann höch&#x017F;tens nur Sicherungsmittel gegen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0420] Drittes Buch. §. 246. men, iſt lediglich nach Grundſätzen des inneren Staatsrechtes zu beurtheilen. Militäriſche Kundſchafter. 246. Als Militärſpione können nur diejenigen gelten, welche außer ihrem ordentlichen militäriſchen Beruf über feindliche Ver- hältniſſe und in Beziehung auf einen Kriegsſtand zwiſchen dem abſendenden und fremden Staate heimliche Erkundigungen einzie- hen, und zwar entweder in dem feindlichen Staate ſelbſt oder doch in den von ſeinen Truppen beſetzten Ländern, Lagern und Linien, nicht aber auch derjenige, welcher ohne Verheimlichung, ſeinem or- dentlichen Militärberufe gemäß, in einen jener Bereiche eindringt, um Nachrichten zu ſammeln; z. B. auf einer Recognoscirung; oder wer auf dem ihm angewieſenen Poſten von Perſonen, deren er hier habhaft werden kann, Erkundigungen einzieht; und ebenſo wenig iſt derjenige ein eigentlicher Kriegskundſchafter, welcher nur für ſeine eigenen Zwecke ſich von der Lage einer feindlichen Partei aufzuklä- ren unternommen hat. Iſt nun auch an und für ſich in der Uebernahme eines Kund- ſchaftauftrages kein Verbrechen enthalten, ſo wird es doch ein ſol- ches, wenn ihn ein Unterthan gegen ſeinen eigenen Staat unter- nimmt; denn er begeht einen Verrath; überdies ſteht dem Feinde unbedenklich zu, wider das Auskundſchaften ſeiner Lage und Ver- hältniſſe Reactionen als Vertheidigungsmittel zu gebrauchen. Der Späher iſt in einem feindlichen Unternehmen begriffen. Der Kriegs- gebrauch hat ihm daher längſt, wenn er auf ſolcher That betroffen wird, den Strang, oder zuweilen in neuerer Zeit die Kugel be- ſtimmt, wie es das Martialgeſetz jeder Nation mit ſich bringt. Auch hier kann eine ausdrückliche Auftragsertheilung der fremden Regierung nicht ſchützen, ſo wenig als die Berufung auf die Pflicht des Gehorſams im Militärdienſt. 1 Die nachherige Ergreifung, nachdem der Späher aufgehört hat, ein ſolcher zu ſein, kann höchſtens nur Sicherungsmittel gegen 1 Ein trauriges, wenngleich in den Grenzen des Völkerrechts gehaltenes Ver- fahren fand nach dieſen Grundſätzen im Jahre 1780 gegen den britiſchen Major André, ungeachtet aller Verwendungen, Statt. v. Martens Erzäh- lungen I, 303.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/420
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/420>, abgerufen am 21.11.2024.