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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 236.
Indessen sind Rücksichten und Speculationen dieser Art immer nur
als exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben sich auch in die-
sem Stücke geändert; die Schicksale der Völker sind nicht mehr so
unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfas-
sungsentwickelung hat insbesondere einen größeren Ernst und grö-
ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt,
und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharnischt.

Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatischer Per-
sönlichkeiten an, so werden andere Gesichtspuncte für einen Leiter
der gesammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und
wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen sein. Für die
erstere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; seine
Stellung ist mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu
zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Gan-
zen festzuhalten; er kann kühner, kräftiger und gemessener auf-
treten als der Unterhändler. Seine Persönlichkeit muß die Poli-
tik des ganzen Staates repräsentiren, folglich auf der Geschichte
und den wohlverstandenen Interessen und Kräften des Staates be-
ruhen.

Bei dem Unterhändler kommt es zunächst auf die Zwecke an,
welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten die sich voll-
kommen übersehen lassen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar
und die Motiven abgeschlossen sind, wird schon ein mittelmäßiger
Kopf genügen, welcher sich streng an seine Instructionen hält und
darnach in den conventionellen Formen zu handeln versteht. Hier-
mit aber ist in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo
sich keine detaillirten Instructionen geben lassen, wo vielleicht nur
zu retten ist, was nach Gunst der Umstände noch gerettet werden
kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch un-
bestimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben
solcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Minister
des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig sind, einer besonderen Ge-
schmeidigkeit und eines extemporirenden Handelns. 1 Die eigen-
thümlichen Zierden des Unterhändlers aber sind: Natürlichkeit des
Benehmens, Freiheit von aller Affectation; Selbstkenntniß und

1 In diesem Sinne schrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präsidenten
Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-meme les principales
instructions de ce que vous avez a faire
.

Drittes Buch. §. 236.
Indeſſen ſind Rückſichten und Speculationen dieſer Art immer nur
als exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben ſich auch in die-
ſem Stücke geändert; die Schickſale der Völker ſind nicht mehr ſo
unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfaſ-
ſungsentwickelung hat insbeſondere einen größeren Ernſt und grö-
ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt,
und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharniſcht.

Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatiſcher Per-
ſönlichkeiten an, ſo werden andere Geſichtspuncte für einen Leiter
der geſammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und
wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen ſein. Für die
erſtere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; ſeine
Stellung iſt mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu
zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Gan-
zen feſtzuhalten; er kann kühner, kräftiger und gemeſſener auf-
treten als der Unterhändler. Seine Perſönlichkeit muß die Poli-
tik des ganzen Staates repräſentiren, folglich auf der Geſchichte
und den wohlverſtandenen Intereſſen und Kräften des Staates be-
ruhen.

Bei dem Unterhändler kommt es zunächſt auf die Zwecke an,
welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten die ſich voll-
kommen überſehen laſſen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar
und die Motiven abgeſchloſſen ſind, wird ſchon ein mittelmäßiger
Kopf genügen, welcher ſich ſtreng an ſeine Inſtructionen hält und
darnach in den conventionellen Formen zu handeln verſteht. Hier-
mit aber iſt in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo
ſich keine detaillirten Inſtructionen geben laſſen, wo vielleicht nur
zu retten iſt, was nach Gunſt der Umſtände noch gerettet werden
kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch un-
beſtimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben
ſolcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Miniſter
des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig ſind, einer beſonderen Ge-
ſchmeidigkeit und eines extemporirenden Handelns. 1 Die eigen-
thümlichen Zierden des Unterhändlers aber ſind: Natürlichkeit des
Benehmens, Freiheit von aller Affectation; Selbſtkenntniß und

1 In dieſem Sinne ſchrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präſidenten
Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-même les principales
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.
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[384/0408] Drittes Buch. §. 236. Indeſſen ſind Rückſichten und Speculationen dieſer Art immer nur als exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben ſich auch in die- ſem Stücke geändert; die Schickſale der Völker ſind nicht mehr ſo unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfaſ- ſungsentwickelung hat insbeſondere einen größeren Ernſt und grö- ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt, und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharniſcht. Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatiſcher Per- ſönlichkeiten an, ſo werden andere Geſichtspuncte für einen Leiter der geſammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen ſein. Für die erſtere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; ſeine Stellung iſt mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Gan- zen feſtzuhalten; er kann kühner, kräftiger und gemeſſener auf- treten als der Unterhändler. Seine Perſönlichkeit muß die Poli- tik des ganzen Staates repräſentiren, folglich auf der Geſchichte und den wohlverſtandenen Intereſſen und Kräften des Staates be- ruhen. Bei dem Unterhändler kommt es zunächſt auf die Zwecke an, welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten die ſich voll- kommen überſehen laſſen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar und die Motiven abgeſchloſſen ſind, wird ſchon ein mittelmäßiger Kopf genügen, welcher ſich ſtreng an ſeine Inſtructionen hält und darnach in den conventionellen Formen zu handeln verſteht. Hier- mit aber iſt in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo ſich keine detaillirten Inſtructionen geben laſſen, wo vielleicht nur zu retten iſt, was nach Gunſt der Umſtände noch gerettet werden kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch un- beſtimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben ſolcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Miniſter des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig ſind, einer beſonderen Ge- ſchmeidigkeit und eines extemporirenden Handelns. 1 Die eigen- thümlichen Zierden des Unterhändlers aber ſind: Natürlichkeit des Benehmens, Freiheit von aller Affectation; Selbſtkenntniß und 1 In dieſem Sinne ſchrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präſidenten Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-même les principales instructions de ce que vous avez à faire.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/408>, abgerufen am 21.11.2024.