Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Drittes Buch. §. 236. Indessen sind Rücksichten und Speculationen dieser Art immer nurals exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben sich auch in die- sem Stücke geändert; die Schicksale der Völker sind nicht mehr so unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfas- sungsentwickelung hat insbesondere einen größeren Ernst und grö- ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt, und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharnischt. Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatischer Per- Bei dem Unterhändler kommt es zunächst auf die Zwecke an, 1 In diesem Sinne schrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präsidenten
Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-meme les principales instructions de ce que vous avez a faire. Drittes Buch. §. 236. Indeſſen ſind Rückſichten und Speculationen dieſer Art immer nurals exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben ſich auch in die- ſem Stücke geändert; die Schickſale der Völker ſind nicht mehr ſo unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfaſ- ſungsentwickelung hat insbeſondere einen größeren Ernſt und grö- ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt, und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharniſcht. Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatiſcher Per- Bei dem Unterhändler kommt es zunächſt auf die Zwecke an, 1 In dieſem Sinne ſchrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präſidenten
Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-même les principales instructions de ce que vous avez à faire. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0408" n="384"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch</hi>. §. 236.</fw><lb/> Indeſſen ſind Rückſichten und Speculationen dieſer Art immer nur<lb/> als exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben ſich auch in die-<lb/> ſem Stücke geändert; die Schickſale der Völker ſind nicht mehr ſo<lb/> unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfaſ-<lb/> ſungsentwickelung hat insbeſondere einen größeren Ernſt und grö-<lb/> ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt,<lb/> und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharniſcht.</p><lb/> <p>Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatiſcher Per-<lb/> ſönlichkeiten an, ſo werden andere Geſichtspuncte für einen Leiter<lb/> der geſammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und<lb/> wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen ſein. Für die<lb/> erſtere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; ſeine<lb/> Stellung iſt mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu<lb/> zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Gan-<lb/> zen feſtzuhalten; er kann kühner, kräftiger und gemeſſener auf-<lb/> treten als der Unterhändler. Seine Perſönlichkeit muß die Poli-<lb/> tik des ganzen Staates repräſentiren, folglich auf der Geſchichte<lb/> und den wohlverſtandenen Intereſſen und Kräften des Staates be-<lb/> ruhen.</p><lb/> <p>Bei dem Unterhändler kommt es zunächſt auf die Zwecke an,<lb/> welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten die ſich voll-<lb/> kommen überſehen laſſen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar<lb/> und die Motiven abgeſchloſſen ſind, wird ſchon ein mittelmäßiger<lb/> Kopf genügen, welcher ſich ſtreng an ſeine Inſtructionen hält und<lb/> darnach in den conventionellen Formen zu handeln verſteht. Hier-<lb/> mit aber iſt in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo<lb/> ſich keine detaillirten Inſtructionen geben laſſen, wo vielleicht nur<lb/> zu retten iſt, was nach Gunſt der Umſtände noch gerettet werden<lb/> kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch un-<lb/> beſtimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben<lb/> ſolcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Miniſter<lb/> des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig ſind, einer beſonderen Ge-<lb/> ſchmeidigkeit und eines extemporirenden Handelns. <note place="foot" n="1">In dieſem Sinne ſchrieb Villeroi unter Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi> an den Präſidenten<lb/> Janin: <hi rendition="#aq">mais le roi entend que Vous tirez Vous-même les principales<lb/> instructions de ce que vous avez à faire</hi>.</note> Die eigen-<lb/> thümlichen Zierden des Unterhändlers aber ſind: Natürlichkeit des<lb/> Benehmens, Freiheit von aller Affectation; Selbſtkenntniß und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [384/0408]
Drittes Buch. §. 236.
Indeſſen ſind Rückſichten und Speculationen dieſer Art immer nur
als exceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben ſich auch in die-
ſem Stücke geändert; die Schickſale der Völker ſind nicht mehr ſo
unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfaſ-
ſungsentwickelung hat insbeſondere einen größeren Ernſt und grö-
ßere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt,
und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten geharniſcht.
Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatiſcher Per-
ſönlichkeiten an, ſo werden andere Geſichtspuncte für einen Leiter
der geſammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und
wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen ſein. Für die
erſtere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; ſeine
Stellung iſt mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu
zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Gan-
zen feſtzuhalten; er kann kühner, kräftiger und gemeſſener auf-
treten als der Unterhändler. Seine Perſönlichkeit muß die Poli-
tik des ganzen Staates repräſentiren, folglich auf der Geſchichte
und den wohlverſtandenen Intereſſen und Kräften des Staates be-
ruhen.
Bei dem Unterhändler kommt es zunächſt auf die Zwecke an,
welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten die ſich voll-
kommen überſehen laſſen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar
und die Motiven abgeſchloſſen ſind, wird ſchon ein mittelmäßiger
Kopf genügen, welcher ſich ſtreng an ſeine Inſtructionen hält und
darnach in den conventionellen Formen zu handeln verſteht. Hier-
mit aber iſt in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo
ſich keine detaillirten Inſtructionen geben laſſen, wo vielleicht nur
zu retten iſt, was nach Gunſt der Umſtände noch gerettet werden
kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch un-
beſtimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben
ſolcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Miniſter
des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig ſind, einer beſonderen Ge-
ſchmeidigkeit und eines extemporirenden Handelns. 1 Die eigen-
thümlichen Zierden des Unterhändlers aber ſind: Natürlichkeit des
Benehmens, Freiheit von aller Affectation; Selbſtkenntniß und
1 In dieſem Sinne ſchrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präſidenten
Janin: mais le roi entend que Vous tirez Vous-même les principales
instructions de ce que vous avez à faire.
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