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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 188. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
senen Privatrechte so wie richterliche Entscheidungen über
Privatrechte können nicht angefochten oder umgestoßen wer-
den, 1 dafern sie mit der wiederhergestellten Verfassung ver-
einbarlich sind. Auch Verträge mit auswärtigen Staaten
in rem eingegangen, bleiben giltig (§. 84.) vorbehaltlich
ihrer Aufhebung aus rechtmäßigen Gründen, z. B. wegen
veränderter Umstände.
III. Die restaurirte Staatsgewalt kann sich ihrerseits in Bezie-
hung auf die unter der Zwischenherrschaft abgelaufene Re-
gierungsperiode zu keiner retroactiven Ausübung ihrer Re-
gierungsrechte gegen ihre Unterthanen oder Dritte berechtigt
halten, in sofern es sich von Verhältnissen handelt, welche
jener Periode angehörten und darin zu reguliren waren. Es
findet z. B. keine Nachforderung von Steuern oder Diensten
nach der alten Verfassung für die Zwischenperiode Statt,
worin die alte Staatsgewalt außer Wirksamkeit gesetzt war.
Dahingegen succedirt dieselbe in alle noch nicht realisirte
Rechte und Verbindlichkeiten, welche dem Staate in der
Zwischenzeit zugefallen sind, so wie diese Zwischenregierung
in die Rechte und Verbindlichkeiten des alten Staates ein-
zutreten hatte. (§. 23.) Es können daher z. B. Abgaben-
rückstände und Acquisitionen, welche die Fremdherrschaft wäh-
rend ihres Bestehens für den Staat gemacht hat, auch von
der postliminischen Regierung eingezogen werden.
IV. Hat die Zwischenregierung Staatseigenthum, Domänen,
Staatscapitalien, Renten und dergl., welche nicht Privatei-
genthum des Souveräns oder der Familie desselben sind,
veräußert, 2 so kann die zurückgekehrte Regierung die Ver-
1 In diesem Sinne, wenn auch nicht stets, ist meistens verfahren worden.
Man vergl. schon die Constitutionen der römischen Imperatoren im Titel
des Theodosischen Codex: de infirmandis his quae sub tyrannis ant bar-
baris gesta sunt (15, 14.),
namentlich const. 9. S. übrigens Cocceji
zu Groot III, 6, 9.
2 Dieser ganze Punct ist der allerstreitigste. Um ihn dreht sich vorzüglich
die Entscheidung über die Napoleonisch-Westphälischen Domänenverkäufe
und Einziehung von Staatscapitalien in usurpirten deutschen Landen. Meh-
rere richterliche Entscheidungen sind im obigen Sinne erlassen worden;
doch fehlt es auch nicht an entgegengesetzten Urtheilen. Das Beste, was
für die Nichtgiltigkeit der obigen Veräußerungen gesagt werden konnte, fin-
§. 188. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
ſenen Privatrechte ſo wie richterliche Entſcheidungen über
Privatrechte können nicht angefochten oder umgeſtoßen wer-
den, 1 dafern ſie mit der wiederhergeſtellten Verfaſſung ver-
einbarlich ſind. Auch Verträge mit auswärtigen Staaten
in rem eingegangen, bleiben giltig (§. 84.) vorbehaltlich
ihrer Aufhebung aus rechtmäßigen Gründen, z. B. wegen
veränderter Umſtände.
III. Die reſtaurirte Staatsgewalt kann ſich ihrerſeits in Bezie-
hung auf die unter der Zwiſchenherrſchaft abgelaufene Re-
gierungsperiode zu keiner retroactiven Ausübung ihrer Re-
gierungsrechte gegen ihre Unterthanen oder Dritte berechtigt
halten, in ſofern es ſich von Verhältniſſen handelt, welche
jener Periode angehörten und darin zu reguliren waren. Es
findet z. B. keine Nachforderung von Steuern oder Dienſten
nach der alten Verfaſſung für die Zwiſchenperiode Statt,
worin die alte Staatsgewalt außer Wirkſamkeit geſetzt war.
Dahingegen ſuccedirt dieſelbe in alle noch nicht realiſirte
Rechte und Verbindlichkeiten, welche dem Staate in der
Zwiſchenzeit zugefallen ſind, ſo wie dieſe Zwiſchenregierung
in die Rechte und Verbindlichkeiten des alten Staates ein-
zutreten hatte. (§. 23.) Es können daher z. B. Abgaben-
rückſtände und Acquiſitionen, welche die Fremdherrſchaft wäh-
rend ihres Beſtehens für den Staat gemacht hat, auch von
der poſtliminiſchen Regierung eingezogen werden.
IV. Hat die Zwiſchenregierung Staatseigenthum, Domänen,
Staatscapitalien, Renten und dergl., welche nicht Privatei-
genthum des Souveräns oder der Familie deſſelben ſind,
veräußert, 2 ſo kann die zurückgekehrte Regierung die Ver-
1 In dieſem Sinne, wenn auch nicht ſtets, iſt meiſtens verfahren worden.
Man vergl. ſchon die Conſtitutionen der römiſchen Imperatoren im Titel
des Theodoſiſchen Codex: de infirmandis his quae sub tyrannis ant bar-
baris gesta sunt (15, 14.),
namentlich const. 9. S. übrigens Cocceji
zu Groot III, 6, 9.
2 Dieſer ganze Punct iſt der allerſtreitigſte. Um ihn dreht ſich vorzüglich
die Entſcheidung über die Napoleoniſch-Weſtphäliſchen Domänenverkäufe
und Einziehung von Staatscapitalien in uſurpirten deutſchen Landen. Meh-
rere richterliche Entſcheidungen ſind im obigen Sinne erlaſſen worden;
doch fehlt es auch nicht an entgegengeſetzten Urtheilen. Das Beſte, was
für die Nichtgiltigkeit der obigen Veräußerungen geſagt werden konnte, fin-
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[313/0337] §. 188. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. ſenen Privatrechte ſo wie richterliche Entſcheidungen über Privatrechte können nicht angefochten oder umgeſtoßen wer- den, 1 dafern ſie mit der wiederhergeſtellten Verfaſſung ver- einbarlich ſind. Auch Verträge mit auswärtigen Staaten in rem eingegangen, bleiben giltig (§. 84.) vorbehaltlich ihrer Aufhebung aus rechtmäßigen Gründen, z. B. wegen veränderter Umſtände. III. Die reſtaurirte Staatsgewalt kann ſich ihrerſeits in Bezie- hung auf die unter der Zwiſchenherrſchaft abgelaufene Re- gierungsperiode zu keiner retroactiven Ausübung ihrer Re- gierungsrechte gegen ihre Unterthanen oder Dritte berechtigt halten, in ſofern es ſich von Verhältniſſen handelt, welche jener Periode angehörten und darin zu reguliren waren. Es findet z. B. keine Nachforderung von Steuern oder Dienſten nach der alten Verfaſſung für die Zwiſchenperiode Statt, worin die alte Staatsgewalt außer Wirkſamkeit geſetzt war. Dahingegen ſuccedirt dieſelbe in alle noch nicht realiſirte Rechte und Verbindlichkeiten, welche dem Staate in der Zwiſchenzeit zugefallen ſind, ſo wie dieſe Zwiſchenregierung in die Rechte und Verbindlichkeiten des alten Staates ein- zutreten hatte. (§. 23.) Es können daher z. B. Abgaben- rückſtände und Acquiſitionen, welche die Fremdherrſchaft wäh- rend ihres Beſtehens für den Staat gemacht hat, auch von der poſtliminiſchen Regierung eingezogen werden. IV. Hat die Zwiſchenregierung Staatseigenthum, Domänen, Staatscapitalien, Renten und dergl., welche nicht Privatei- genthum des Souveräns oder der Familie deſſelben ſind, veräußert, 2 ſo kann die zurückgekehrte Regierung die Ver- 1 In dieſem Sinne, wenn auch nicht ſtets, iſt meiſtens verfahren worden. Man vergl. ſchon die Conſtitutionen der römiſchen Imperatoren im Titel des Theodoſiſchen Codex: de infirmandis his quae sub tyrannis ant bar- baris gesta sunt (15, 14.), namentlich const. 9. S. übrigens Cocceji zu Groot III, 6, 9. 2 Dieſer ganze Punct iſt der allerſtreitigſte. Um ihn dreht ſich vorzüglich die Entſcheidung über die Napoleoniſch-Weſtphäliſchen Domänenverkäufe und Einziehung von Staatscapitalien in uſurpirten deutſchen Landen. Meh- rere richterliche Entſcheidungen ſind im obigen Sinne erlaſſen worden; doch fehlt es auch nicht an entgegengeſetzten Urtheilen. Das Beſte, was für die Nichtgiltigkeit der obigen Veräußerungen geſagt werden konnte, fin-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/337>, abgerufen am 27.11.2024.