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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 185.
zuschließen, ohne einen andern Titel als den der Eroberung -- die
eigentlich s. g. Usurpation. 1

Durch eine solche Usurpation wird nun zuweilen der alte Staat
ganz aufgelöset, wenn er dem des Eroberers incorporirt oder gänz-
lich dismembrirt wird; zuweilen aber auch der alte Staat in sei-
ner Abschließung fortgesetzt, so daß nur das Subject des Souve-
ränetätsbesitzes wechselt. Unzweifelhaft haben in jedem dieser Fälle
die Acte des Usurpators für die seiner Herrschaft thatsächlich Un-
terworfenen gleiche Kraft wie die Acte einer legitimen Staatsge-
walt. Dann ein Staat, wie er auch bestehen mag, hat in sich
die Fülle der Machtvollkommenheit oder ganzen Regierungsgewalt.
Der Eroberer ist dabei auch keinesweges, wie Manche behaupten, 2
an die Regel des früheren Staates gebunden. Er hat nur die all-
gemeinen Menschenrechte so wie die demgemäß erworbenen speciel-
len Privatrechte der Unterthanen zu beachten; aber die Form des
öffentlichen Verhältnisses hat er allein als freier Inhaber der Staats-
gewalt zu bestimmen. Das Staatsgut steht unter seiner Dispo-
sition. Gesetzgebung und Verwaltung ordnet er nach Belieben.
Nur bis dieses geschieht, bleibt es bei der früheren Formel. Nie-
mals kann indeß ein solches Gewaltverhältniß das Recht des prä-
existirenden Staates, so lange dessen Wiederherstellung möglich bleibt
und nicht darauf verzichtet wird, thatsächlich beseitigen; 3 diesem
bleibt das Postliminium gleichwie denjenigen, welche sich außer dem
usurpatorischen Staate befinden, oder ihm fortdauernd Widerstand

1 Schriften über diesen wichtigen Punct s. bei v. Kamptz, Lit. §. 312. Am
bedeutendsten ist Sam. de Cocceji diss. de regimine usurpatoris. Frcf.
Viadr.
1702. (auch in dem Commentar zu H. Groot I, 4, §. 15.) Ludw.
Schaumann, die rechtl. Verhältnisse des legitimen Fürsten, des Usurpators
und des unterjochten Volks. Cassel 1820. Pfeiffer, das Recht der Kriegs-
eroberung in Bezug auf Staatscapitalien. Cassel 1823. Ferner die Zeit-
schrift Nemesis X, 2, 127 f.
2 Z. B. Zachariä 40 Bücher v. Staat, IV, 1, S. 104., worin er seine
früheren Ansichten in der Schrift: über die verbindende Kraft der Regie-
rungshandlungen des Eroberers. Heidelb. 1816. bedeutend modificirt hat.
3 Chr. Gottl. Schwarz, de iure victoris in res incorpor. Altort. 1720.
ch. XXVII. "invasor quem usurpatorum vocant, ex victoria in subje-
ctos nanciscitur exercitium iuris regii, quod in ipsa possessione et ad-
ministratione consistit, quia illi ipsi devicti subjectique cives victori non
possunt non praestare obsequium. Interim rex injuste expulsus retinet
salvum et intactum ius regni."
S. auch Cocceji a. a. O.

Zweites Buch. §. 185.
zuſchließen, ohne einen andern Titel als den der Eroberung — die
eigentlich ſ. g. Uſurpation. 1

Durch eine ſolche Uſurpation wird nun zuweilen der alte Staat
ganz aufgelöſet, wenn er dem des Eroberers incorporirt oder gänz-
lich dismembrirt wird; zuweilen aber auch der alte Staat in ſei-
ner Abſchließung fortgeſetzt, ſo daß nur das Subject des Souve-
ränetätsbeſitzes wechſelt. Unzweifelhaft haben in jedem dieſer Fälle
die Acte des Uſurpators für die ſeiner Herrſchaft thatſächlich Un-
terworfenen gleiche Kraft wie die Acte einer legitimen Staatsge-
walt. Dann ein Staat, wie er auch beſtehen mag, hat in ſich
die Fülle der Machtvollkommenheit oder ganzen Regierungsgewalt.
Der Eroberer iſt dabei auch keinesweges, wie Manche behaupten, 2
an die Regel des früheren Staates gebunden. Er hat nur die all-
gemeinen Menſchenrechte ſo wie die demgemäß erworbenen ſpeciel-
len Privatrechte der Unterthanen zu beachten; aber die Form des
öffentlichen Verhältniſſes hat er allein als freier Inhaber der Staats-
gewalt zu beſtimmen. Das Staatsgut ſteht unter ſeiner Dispo-
ſition. Geſetzgebung und Verwaltung ordnet er nach Belieben.
Nur bis dieſes geſchieht, bleibt es bei der früheren Formel. Nie-
mals kann indeß ein ſolches Gewaltverhältniß das Recht des prä-
exiſtirenden Staates, ſo lange deſſen Wiederherſtellung möglich bleibt
und nicht darauf verzichtet wird, thatſächlich beſeitigen; 3 dieſem
bleibt das Poſtliminium gleichwie denjenigen, welche ſich außer dem
uſurpatoriſchen Staate befinden, oder ihm fortdauernd Widerſtand

1 Schriften über dieſen wichtigen Punct ſ. bei v. Kamptz, Lit. §. 312. Am
bedeutendſten iſt Sam. de Cocceji diss. de regimine usurpatoris. Frcf.
Viadr.
1702. (auch in dem Commentar zu H. Groot I, 4, §. 15.) Ludw.
Schaumann, die rechtl. Verhältniſſe des legitimen Fürſten, des Uſurpators
und des unterjochten Volks. Caſſel 1820. Pfeiffer, das Recht der Kriegs-
eroberung in Bezug auf Staatscapitalien. Caſſel 1823. Ferner die Zeit-
ſchrift Nemeſis X, 2, 127 f.
2 Z. B. Zachariä 40 Bücher v. Staat, IV, 1, S. 104., worin er ſeine
früheren Anſichten in der Schrift: über die verbindende Kraft der Regie-
rungshandlungen des Eroberers. Heidelb. 1816. bedeutend modificirt hat.
3 Chr. Gottl. Schwarz, de iure victoris in res incorpor. Altort. 1720.
ch. XXVII. „invasor quem usurpatorum vocant, ex victoria in subje-
ctos nanciscitur exercitium iuris regii, quod in ipsa possessione et ad-
ministratione consistit, quia illi ipsi devicti subjectique cives victori non
possunt non praestare obsequium. Interim rex injuste expulsus retinet
salvum et intactum ius regni.“
S. auch Cocceji a. a. O.
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[308/0332] Zweites Buch. §. 185. zuſchließen, ohne einen andern Titel als den der Eroberung — die eigentlich ſ. g. Uſurpation. 1 Durch eine ſolche Uſurpation wird nun zuweilen der alte Staat ganz aufgelöſet, wenn er dem des Eroberers incorporirt oder gänz- lich dismembrirt wird; zuweilen aber auch der alte Staat in ſei- ner Abſchließung fortgeſetzt, ſo daß nur das Subject des Souve- ränetätsbeſitzes wechſelt. Unzweifelhaft haben in jedem dieſer Fälle die Acte des Uſurpators für die ſeiner Herrſchaft thatſächlich Un- terworfenen gleiche Kraft wie die Acte einer legitimen Staatsge- walt. Dann ein Staat, wie er auch beſtehen mag, hat in ſich die Fülle der Machtvollkommenheit oder ganzen Regierungsgewalt. Der Eroberer iſt dabei auch keinesweges, wie Manche behaupten, 2 an die Regel des früheren Staates gebunden. Er hat nur die all- gemeinen Menſchenrechte ſo wie die demgemäß erworbenen ſpeciel- len Privatrechte der Unterthanen zu beachten; aber die Form des öffentlichen Verhältniſſes hat er allein als freier Inhaber der Staats- gewalt zu beſtimmen. Das Staatsgut ſteht unter ſeiner Dispo- ſition. Geſetzgebung und Verwaltung ordnet er nach Belieben. Nur bis dieſes geſchieht, bleibt es bei der früheren Formel. Nie- mals kann indeß ein ſolches Gewaltverhältniß das Recht des prä- exiſtirenden Staates, ſo lange deſſen Wiederherſtellung möglich bleibt und nicht darauf verzichtet wird, thatſächlich beſeitigen; 3 dieſem bleibt das Poſtliminium gleichwie denjenigen, welche ſich außer dem uſurpatoriſchen Staate befinden, oder ihm fortdauernd Widerſtand 1 Schriften über dieſen wichtigen Punct ſ. bei v. Kamptz, Lit. §. 312. Am bedeutendſten iſt Sam. de Cocceji diss. de regimine usurpatoris. Frcf. Viadr. 1702. (auch in dem Commentar zu H. Groot I, 4, §. 15.) Ludw. Schaumann, die rechtl. Verhältniſſe des legitimen Fürſten, des Uſurpators und des unterjochten Volks. Caſſel 1820. Pfeiffer, das Recht der Kriegs- eroberung in Bezug auf Staatscapitalien. Caſſel 1823. Ferner die Zeit- ſchrift Nemeſis X, 2, 127 f. 2 Z. B. Zachariä 40 Bücher v. Staat, IV, 1, S. 104., worin er ſeine früheren Anſichten in der Schrift: über die verbindende Kraft der Regie- rungshandlungen des Eroberers. Heidelb. 1816. bedeutend modificirt hat. 3 Chr. Gottl. Schwarz, de iure victoris in res incorpor. Altort. 1720. ch. XXVII. „invasor quem usurpatorum vocant, ex victoria in subje- ctos nanciscitur exercitium iuris regii, quod in ipsa possessione et ad- ministratione consistit, quia illi ipsi devicti subjectique cives victori non possunt non praestare obsequium. Interim rex injuste expulsus retinet salvum et intactum ius regni.“ S. auch Cocceji a. a. O.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/332>, abgerufen am 21.11.2024.