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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 164. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
Anspruch machen darf, wenn nur der Kauf selbst bona fide
geschieht und kein bloßes Scheingeschäft ist. 1

Ein activer Speditionshandel aus neutralem Lande nach feind-
lichem Lande darf, so weit nicht die Grundsätze des Blocaderechts
oder der Contrebande entgegenstehen, dem neutralen Absender recht-
licher Weise niemals sein Eigenthum gefährden.

Abweichungen von diesen Regeln und besondere Rechte der
Kriegführenden können indessen noch aus der Art und Weise der
Verladung entstehen, wovon in den nachfolgenden Sätzen das Nä-
here bemerkt werden muß.

Beschränkungen des Frachtverkehrs zur See.

164. Da nach einem allgemeinen noch immer andauernden
Kriegsgebrauch der ganze Handels- und Schiffsverkehr der mit
Einander im Kriege begriffenen Nationen ein Gegenstand feindli-
cher Maaßregeln unter ihnen wird und die dazu gehörigen Sachen
und Güter als gute Prise betrachtet werden: so mußte schon längst
die Frage entstehen: welchen Rückschlag diese Maxime auf den an
sich freien Frachtverkehr der Neutralen äußere, wenn feindliches
Gut damit versendet wird; so wie umgekehrt auf die Versendun-
gen neutraler an sich unverbotener Güter mit feindlichen Trans-
portmitteln.

Im Laufe der Zeiten und nach Maaßgabe der Entfaltung des
Handels- und Schiffsverkehrs, so wie der bewaffneten Marinen
haben sich seit dem Mittelalter 2 zwei Systeme neben Einander ge-
stellt, ohne daß Eines derselben schon zur Ausschließung des An-
deren gelangt ist.

I. Das Eine System besteht in der Maxime: feindliches Gut
darf, wenn es die Gegenpartei entdeckt, auch auf neutralen
Schiffen weggenommen und confiscirt werden, wogegen die
neutrale Ladung feindlicher Schiffe dem neutralen Eigenthü-
1 Die englische und französische Praxis ist auch hierin meist sehr streng gewe-
sen. Vgl. Jouffroy p. 206. Jacobsen Seerecht S. 694. 741.
2 In der alten Welt findet sich keine Frage der Art. Der Seekrieg war
Piraterie, der Seehandel ziemlich einfacher Natur, ohne die vielfachen Com-
plicationen des neueren directen und indirecten Handels- und Frachtver-
kehrs. Streitigkeiten mit befreundeten Neutralen wurden schiedsrichterlich
oder sonst in conventionellem Wege verhandelt; Nichtverbündeten hielt man
sich zu keinem Recht schuldig.
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§. 164. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Anſpruch machen darf, wenn nur der Kauf ſelbſt bona fide
geſchieht und kein bloßes Scheingeſchäft iſt. 1

Ein activer Speditionshandel aus neutralem Lande nach feind-
lichem Lande darf, ſo weit nicht die Grundſätze des Blocaderechts
oder der Contrebande entgegenſtehen, dem neutralen Abſender recht-
licher Weiſe niemals ſein Eigenthum gefährden.

Abweichungen von dieſen Regeln und beſondere Rechte der
Kriegführenden können indeſſen noch aus der Art und Weiſe der
Verladung entſtehen, wovon in den nachfolgenden Sätzen das Nä-
here bemerkt werden muß.

Beſchränkungen des Frachtverkehrs zur See.

164. Da nach einem allgemeinen noch immer andauernden
Kriegsgebrauch der ganze Handels- und Schiffsverkehr der mit
Einander im Kriege begriffenen Nationen ein Gegenſtand feindli-
cher Maaßregeln unter ihnen wird und die dazu gehörigen Sachen
und Güter als gute Priſe betrachtet werden: ſo mußte ſchon längſt
die Frage entſtehen: welchen Rückſchlag dieſe Maxime auf den an
ſich freien Frachtverkehr der Neutralen äußere, wenn feindliches
Gut damit verſendet wird; ſo wie umgekehrt auf die Verſendun-
gen neutraler an ſich unverbotener Güter mit feindlichen Trans-
portmitteln.

Im Laufe der Zeiten und nach Maaßgabe der Entfaltung des
Handels- und Schiffsverkehrs, ſo wie der bewaffneten Marinen
haben ſich ſeit dem Mittelalter 2 zwei Syſteme neben Einander ge-
ſtellt, ohne daß Eines derſelben ſchon zur Ausſchließung des An-
deren gelangt iſt.

I. Das Eine Syſtem beſteht in der Maxime: feindliches Gut
darf, wenn es die Gegenpartei entdeckt, auch auf neutralen
Schiffen weggenommen und confiscirt werden, wogegen die
neutrale Ladung feindlicher Schiffe dem neutralen Eigenthü-
1 Die engliſche und franzöſiſche Praxis iſt auch hierin meiſt ſehr ſtreng gewe-
ſen. Vgl. Jouffroy p. 206. Jacobſen Seerecht S. 694. 741.
2 In der alten Welt findet ſich keine Frage der Art. Der Seekrieg war
Piraterie, der Seehandel ziemlich einfacher Natur, ohne die vielfachen Com-
plicationen des neueren directen und indirecten Handels- und Frachtver-
kehrs. Streitigkeiten mit befreundeten Neutralen wurden ſchiedsrichterlich
oder ſonſt in conventionellem Wege verhandelt; Nichtverbündeten hielt man
ſich zu keinem Recht ſchuldig.
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[275/0299] §. 164. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Anſpruch machen darf, wenn nur der Kauf ſelbſt bona fide geſchieht und kein bloßes Scheingeſchäft iſt. 1 Ein activer Speditionshandel aus neutralem Lande nach feind- lichem Lande darf, ſo weit nicht die Grundſätze des Blocaderechts oder der Contrebande entgegenſtehen, dem neutralen Abſender recht- licher Weiſe niemals ſein Eigenthum gefährden. Abweichungen von dieſen Regeln und beſondere Rechte der Kriegführenden können indeſſen noch aus der Art und Weiſe der Verladung entſtehen, wovon in den nachfolgenden Sätzen das Nä- here bemerkt werden muß. Beſchränkungen des Frachtverkehrs zur See. 164. Da nach einem allgemeinen noch immer andauernden Kriegsgebrauch der ganze Handels- und Schiffsverkehr der mit Einander im Kriege begriffenen Nationen ein Gegenſtand feindli- cher Maaßregeln unter ihnen wird und die dazu gehörigen Sachen und Güter als gute Priſe betrachtet werden: ſo mußte ſchon längſt die Frage entſtehen: welchen Rückſchlag dieſe Maxime auf den an ſich freien Frachtverkehr der Neutralen äußere, wenn feindliches Gut damit verſendet wird; ſo wie umgekehrt auf die Verſendun- gen neutraler an ſich unverbotener Güter mit feindlichen Trans- portmitteln. Im Laufe der Zeiten und nach Maaßgabe der Entfaltung des Handels- und Schiffsverkehrs, ſo wie der bewaffneten Marinen haben ſich ſeit dem Mittelalter 2 zwei Syſteme neben Einander ge- ſtellt, ohne daß Eines derſelben ſchon zur Ausſchließung des An- deren gelangt iſt. I. Das Eine Syſtem beſteht in der Maxime: feindliches Gut darf, wenn es die Gegenpartei entdeckt, auch auf neutralen Schiffen weggenommen und confiscirt werden, wogegen die neutrale Ladung feindlicher Schiffe dem neutralen Eigenthü- 1 Die engliſche und franzöſiſche Praxis iſt auch hierin meiſt ſehr ſtreng gewe- ſen. Vgl. Jouffroy p. 206. Jacobſen Seerecht S. 694. 741. 2 In der alten Welt findet ſich keine Frage der Art. Der Seekrieg war Piraterie, der Seehandel ziemlich einfacher Natur, ohne die vielfachen Com- plicationen des neueren directen und indirecten Handels- und Frachtver- kehrs. Streitigkeiten mit befreundeten Neutralen wurden ſchiedsrichterlich oder ſonſt in conventionellem Wege verhandelt; Nichtverbündeten hielt man ſich zu keinem Recht ſchuldig. 18*

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/299>, abgerufen am 27.11.2024.