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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 151.

Unbewegliches Gut eines neutralen Staates oder seiner Unter-
thanen in Ländern der kriegführenden Staaten kann natürlich der
Mitleidenheit an den Kriegslasten nicht entzogen werden. Dage-
gen ist es höchstens nur als eine Maaßregel der höchsten Noth
zu entschuldigen und nur gegen vollständige Entschädigung zulässig,
wenn ein kriegführender Theil neutrale Sachen, z. B. Schiffe in
Beschlag nimmt und zu seinen Zwecken verwendet, 1 oder neutrale
Waaren, Magazine, Getreide und dgl. was sich zufällig in seinem
Gebiete befindet oder auf offener See angetroffen wird, für seine
Zwecke gebraucht, wenngleich gegen Vergütung des Werthes ver-
mittelst eines sogenannten Vorkaufs. 2

Dasselbe gilt von der Wegnahme und dem eigenmächtigen Ver-
brauch der Matrosen oder Schiffsführer eines neutralen Staates.

Rechte der Neutralen in Ansehung des Handels.

151. Welche Uebereinstimmung auch im Ganzen über die vor-
ausgeschickten Grundsätze obwaltet, so mißlich steht es mit der An-
wendung derselben auf das Recht des freien Verkehrs der Nationen,
insbesondere auf den Seehandel. Zwar findet, was den Verkehr
der Neutralen unter einander selbst
betrifft, kein Bedenken
über die unbedingte Freiheit desselben Statt; nur die Signalisirung
oder Kenntlichmachung eines solchen Verkehrs und die Abwehrung
einzelner Plackereien, welche der Kriegsstand unter anderen Natio-
nen nach der bisherigen Praxis mit sich gebracht hat, macht noch
die Feststellung gewisser Principien auf die Zukunft nothwendig,
welche jedoch wieder mit der Hauptfrage zusammenhängen, ob und
was für Beschränkungen nämlich der neutrale Handelsverkehr mit
den kriegführenden Theilen selbst sich auferlegen lassen müsse. Diese
Frage nun ist schon seit Jahrhunderten ein Apfel der Eris für
die Staaten geworden; sie ist es, welche am meisten den Mangel
eines Staatencodex oder doch Staatentribunals fühlbar macht; bei
ihrer Entscheidung tritt in der Praxis vorzüglich das Recht des

1 Ludwig XIV. erklärte ein solches Embargo geradezu für ein Recht. Vgl.
de Real V, 2. a. E. In neueren Verträgen ist es entweder ganz aufge-
hoben oder ausdrücklich nur gegen volle Entschädigung gestattet. Vgl. Nau,
Völkerseer. §. 260. u. im Allgem. nach Groot III, 17, 1. v. Steck Essais, p. 7.
2 Le droit de preemtion, ausgeübt freilich auch wohl anßer dem Falle der
Noth. Es wird davon noch weiterhin die Rede sein.
Zweites Buch. §. 151.

Unbewegliches Gut eines neutralen Staates oder ſeiner Unter-
thanen in Ländern der kriegführenden Staaten kann natürlich der
Mitleidenheit an den Kriegslaſten nicht entzogen werden. Dage-
gen iſt es höchſtens nur als eine Maaßregel der höchſten Noth
zu entſchuldigen und nur gegen vollſtändige Entſchädigung zulaͤſſig,
wenn ein kriegführender Theil neutrale Sachen, z. B. Schiffe in
Beſchlag nimmt und zu ſeinen Zwecken verwendet, 1 oder neutrale
Waaren, Magazine, Getreide und dgl. was ſich zufällig in ſeinem
Gebiete befindet oder auf offener See angetroffen wird, für ſeine
Zwecke gebraucht, wenngleich gegen Vergütung des Werthes ver-
mittelſt eines ſogenannten Vorkaufs. 2

Daſſelbe gilt von der Wegnahme und dem eigenmächtigen Ver-
brauch der Matroſen oder Schiffsführer eines neutralen Staates.

Rechte der Neutralen in Anſehung des Handels.

151. Welche Uebereinſtimmung auch im Ganzen über die vor-
ausgeſchickten Grundſätze obwaltet, ſo mißlich ſteht es mit der An-
wendung derſelben auf das Recht des freien Verkehrs der Nationen,
insbeſondere auf den Seehandel. Zwar findet, was den Verkehr
der Neutralen unter einander ſelbſt
betrifft, kein Bedenken
über die unbedingte Freiheit deſſelben Statt; nur die Signaliſirung
oder Kenntlichmachung eines ſolchen Verkehrs und die Abwehrung
einzelner Plackereien, welche der Kriegsſtand unter anderen Natio-
nen nach der bisherigen Praxis mit ſich gebracht hat, macht noch
die Feſtſtellung gewiſſer Principien auf die Zukunft nothwendig,
welche jedoch wieder mit der Hauptfrage zuſammenhängen, ob und
was für Beſchränkungen nämlich der neutrale Handelsverkehr mit
den kriegführenden Theilen ſelbſt ſich auferlegen laſſen müſſe. Dieſe
Frage nun iſt ſchon ſeit Jahrhunderten ein Apfel der Eris für
die Staaten geworden; ſie iſt es, welche am meiſten den Mangel
eines Staatencodex oder doch Staatentribunals fühlbar macht; bei
ihrer Entſcheidung tritt in der Praxis vorzüglich das Recht des

1 Ludwig XIV. erklärte ein ſolches Embargo geradezu für ein Recht. Vgl.
de Real V, 2. a. E. In neueren Verträgen iſt es entweder ganz aufge-
hoben oder ausdrücklich nur gegen volle Entſchädigung geſtattet. Vgl. Nau,
Völkerſeer. §. 260. u. im Allgem. nach Groot III, 17, 1. v. Steck Essais, p. 7.
2 Le droit de préemtion, ausgeübt freilich auch wohl anßer dem Falle der
Noth. Es wird davon noch weiterhin die Rede ſein.
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[252/0276] Zweites Buch. §. 151. Unbewegliches Gut eines neutralen Staates oder ſeiner Unter- thanen in Ländern der kriegführenden Staaten kann natürlich der Mitleidenheit an den Kriegslaſten nicht entzogen werden. Dage- gen iſt es höchſtens nur als eine Maaßregel der höchſten Noth zu entſchuldigen und nur gegen vollſtändige Entſchädigung zulaͤſſig, wenn ein kriegführender Theil neutrale Sachen, z. B. Schiffe in Beſchlag nimmt und zu ſeinen Zwecken verwendet, 1 oder neutrale Waaren, Magazine, Getreide und dgl. was ſich zufällig in ſeinem Gebiete befindet oder auf offener See angetroffen wird, für ſeine Zwecke gebraucht, wenngleich gegen Vergütung des Werthes ver- mittelſt eines ſogenannten Vorkaufs. 2 Daſſelbe gilt von der Wegnahme und dem eigenmächtigen Ver- brauch der Matroſen oder Schiffsführer eines neutralen Staates. Rechte der Neutralen in Anſehung des Handels. 151. Welche Uebereinſtimmung auch im Ganzen über die vor- ausgeſchickten Grundſätze obwaltet, ſo mißlich ſteht es mit der An- wendung derſelben auf das Recht des freien Verkehrs der Nationen, insbeſondere auf den Seehandel. Zwar findet, was den Verkehr der Neutralen unter einander ſelbſt betrifft, kein Bedenken über die unbedingte Freiheit deſſelben Statt; nur die Signaliſirung oder Kenntlichmachung eines ſolchen Verkehrs und die Abwehrung einzelner Plackereien, welche der Kriegsſtand unter anderen Natio- nen nach der bisherigen Praxis mit ſich gebracht hat, macht noch die Feſtſtellung gewiſſer Principien auf die Zukunft nothwendig, welche jedoch wieder mit der Hauptfrage zuſammenhängen, ob und was für Beſchränkungen nämlich der neutrale Handelsverkehr mit den kriegführenden Theilen ſelbſt ſich auferlegen laſſen müſſe. Dieſe Frage nun iſt ſchon ſeit Jahrhunderten ein Apfel der Eris für die Staaten geworden; ſie iſt es, welche am meiſten den Mangel eines Staatencodex oder doch Staatentribunals fühlbar macht; bei ihrer Entſcheidung tritt in der Praxis vorzüglich das Recht des 1 Ludwig XIV. erklärte ein ſolches Embargo geradezu für ein Recht. Vgl. de Real V, 2. a. E. In neueren Verträgen iſt es entweder ganz aufge- hoben oder ausdrücklich nur gegen volle Entſchädigung geſtattet. Vgl. Nau, Völkerſeer. §. 260. u. im Allgem. nach Groot III, 17, 1. v. Steck Essais, p. 7. 2 Le droit de préemtion, ausgeübt freilich auch wohl anßer dem Falle der Noth. Es wird davon noch weiterhin die Rede ſein.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/276>, abgerufen am 27.11.2024.