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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 142.
weit, als letztere sich im Bereich des forderungsberechtigten Occu-
panten befinden; natürlich kann dieser aber auch selbst im Wege
der Gewalt die Realisirung herbeiführen. -- In wie weit derglei-
chen Verpflichtungen auch nach vorübergegangener Occupation noch
fortdauern, wird durch die Grundsätze des Abschn. IV. bestimmt.

b) Loslassungs- oder Ranzionirungs-Verträge bei
der Seecaperei, wenn der von einem feindlichen Caper genom-
mene Schiffer seine Loslassung gegen ein bestimmtes Lösegeld mit-
telst Ausstellung eines billet de rancon und Bestellung einer oder
der anderen Geißel erhält; üblich etwa seit dem Ausgang des
17ten Jahrhunderts. Soweit dergleichen Ranzionirung nicht durch
neuere Staatsgesetze den Capern verboten ist, entsteht daraus ei-
nerseits
die unbedingte Verpflichtung zur Bezahlung des Löse-
geldes, sofern die Prise selbst nur rechtmäßig gemacht war, eine
Verpflichtung, welche sogar von den Gerichten des Schuldners ge-
handhabt werden muß; andererseits ein Recht auf Schutz des
feindlichen Staates, dem das Lösegeld zufließen soll, gegen fernere
Angriffe bis zu dem angewiesenen Ziele der Reise unter der Be-
dingung jedoch, daß der Losgelassene davon nicht willkührlich ab-
weicht. Das billet de rancon wird übrigens selbst wieder ein
Gegenstand der Beute, wenn der Caper seinerseits genommen wird.
Gehört der Unternehmer des Caperschiffs zu dem Staate des Ran-
zionschuldners
, so hängt es von den dortigen Gesetzen ab, so-
wie von den weiterhin darzustellenden Grundsätzen der Wiedernahme
oder des Postliminiums, inwiefern der Schuldner von seiner Ver-
bindlichkeit befreit wird. 1

c) Auswechselungsverträge wegen der Gefangenen.
Diese kamen vorzüglich erst in der zweiten Hälfte des 17ten Jahr-
hunderts in lebendigeren Gebrauch. 2 Es werden dabei die ver-
schiedenen Categorien der Militairpersonen berücksichtigt und ge-
wisse Verhältnißzahlen bei der Ausgleichung zum Grunde gelegt.
Die Ausgleichung des plus oder minus geschieht entweder durch
Geld oder in sonstigem Aequivalent. 3


1 Wheaton, intern. L. VI, 2. §. 27. Vgl. v. Martens, Vers. über Ca-
per §. 23.
2 Du Mont, Corps univ. t. VII, I, p. 231. hat den ältesten Cartel dieser
Art aus dem Jahre 1673.
3 Moser Vers. IX, 2, 388 f. Wheaton IV, 2, §. 3. Wegen der älteren
Praxis im Mittelalter: Ward, Enqu. I, 298 s.

Zweites Buch. §. 142.
weit, als letztere ſich im Bereich des forderungsberechtigten Occu-
panten befinden; natürlich kann dieſer aber auch ſelbſt im Wege
der Gewalt die Realiſirung herbeiführen. — In wie weit derglei-
chen Verpflichtungen auch nach vorübergegangener Occupation noch
fortdauern, wird durch die Grundſätze des Abſchn. IV. beſtimmt.

b) Loslaſſungs- oder Ranzionirungs-Verträge bei
der Seecaperei, wenn der von einem feindlichen Caper genom-
mene Schiffer ſeine Loslaſſung gegen ein beſtimmtes Löſegeld mit-
telſt Ausſtellung eines billet de rançon und Beſtellung einer oder
der anderen Geißel erhält; üblich etwa ſeit dem Ausgang des
17ten Jahrhunderts. Soweit dergleichen Ranzionirung nicht durch
neuere Staatsgeſetze den Capern verboten iſt, entſteht daraus ei-
nerſeits
die unbedingte Verpflichtung zur Bezahlung des Löſe-
geldes, ſofern die Priſe ſelbſt nur rechtmäßig gemacht war, eine
Verpflichtung, welche ſogar von den Gerichten des Schuldners ge-
handhabt werden muß; andererſeits ein Recht auf Schutz des
feindlichen Staates, dem das Löſegeld zufließen ſoll, gegen fernere
Angriffe bis zu dem angewieſenen Ziele der Reiſe unter der Be-
dingung jedoch, daß der Losgelaſſene davon nicht willkührlich ab-
weicht. Das billet de rançon wird übrigens ſelbſt wieder ein
Gegenſtand der Beute, wenn der Caper ſeinerſeits genommen wird.
Gehört der Unternehmer des Caperſchiffs zu dem Staate des Ran-
zionſchuldners
, ſo hängt es von den dortigen Geſetzen ab, ſo-
wie von den weiterhin darzuſtellenden Grundſätzen der Wiedernahme
oder des Poſtliminiums, inwiefern der Schuldner von ſeiner Ver-
bindlichkeit befreit wird. 1

c) Auswechſelungsverträge wegen der Gefangenen.
Dieſe kamen vorzüglich erſt in der zweiten Hälfte des 17ten Jahr-
hunderts in lebendigeren Gebrauch. 2 Es werden dabei die ver-
ſchiedenen Categorien der Militairperſonen berückſichtigt und ge-
wiſſe Verhältnißzahlen bei der Ausgleichung zum Grunde gelegt.
Die Ausgleichung des plus oder minus geſchieht entweder durch
Geld oder in ſonſtigem Aequivalent. 3


1 Wheaton, intern. L. VI, 2. §. 27. Vgl. v. Martens, Verſ. über Ca-
per §. 23.
2 Du Mont, Corps univ. t. VII, I, p. 231. hat den älteſten Cartel dieſer
Art aus dem Jahre 1673.
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Praxis im Mittelalter: Ward, Enqu. I, 298 s.
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[240/0264] Zweites Buch. §. 142. weit, als letztere ſich im Bereich des forderungsberechtigten Occu- panten befinden; natürlich kann dieſer aber auch ſelbſt im Wege der Gewalt die Realiſirung herbeiführen. — In wie weit derglei- chen Verpflichtungen auch nach vorübergegangener Occupation noch fortdauern, wird durch die Grundſätze des Abſchn. IV. beſtimmt. b) Loslaſſungs- oder Ranzionirungs-Verträge bei der Seecaperei, wenn der von einem feindlichen Caper genom- mene Schiffer ſeine Loslaſſung gegen ein beſtimmtes Löſegeld mit- telſt Ausſtellung eines billet de rançon und Beſtellung einer oder der anderen Geißel erhält; üblich etwa ſeit dem Ausgang des 17ten Jahrhunderts. Soweit dergleichen Ranzionirung nicht durch neuere Staatsgeſetze den Capern verboten iſt, entſteht daraus ei- nerſeits die unbedingte Verpflichtung zur Bezahlung des Löſe- geldes, ſofern die Priſe ſelbſt nur rechtmäßig gemacht war, eine Verpflichtung, welche ſogar von den Gerichten des Schuldners ge- handhabt werden muß; andererſeits ein Recht auf Schutz des feindlichen Staates, dem das Löſegeld zufließen ſoll, gegen fernere Angriffe bis zu dem angewieſenen Ziele der Reiſe unter der Be- dingung jedoch, daß der Losgelaſſene davon nicht willkührlich ab- weicht. Das billet de rançon wird übrigens ſelbſt wieder ein Gegenſtand der Beute, wenn der Caper ſeinerſeits genommen wird. Gehört der Unternehmer des Caperſchiffs zu dem Staate des Ran- zionſchuldners, ſo hängt es von den dortigen Geſetzen ab, ſo- wie von den weiterhin darzuſtellenden Grundſätzen der Wiedernahme oder des Poſtliminiums, inwiefern der Schuldner von ſeiner Ver- bindlichkeit befreit wird. 1 c) Auswechſelungsverträge wegen der Gefangenen. Dieſe kamen vorzüglich erſt in der zweiten Hälfte des 17ten Jahr- hunderts in lebendigeren Gebrauch. 2 Es werden dabei die ver- ſchiedenen Categorien der Militairperſonen berückſichtigt und ge- wiſſe Verhältnißzahlen bei der Ausgleichung zum Grunde gelegt. Die Ausgleichung des plus oder minus geſchieht entweder durch Geld oder in ſonſtigem Aequivalent. 3 1 Wheaton, intern. L. VI, 2. §. 27. Vgl. v. Martens, Verſ. über Ca- per §. 23. 2 Du Mont, Corps univ. t. VII, I, p. 231. hat den älteſten Cartel dieſer Art aus dem Jahre 1673. 3 Moſer Verſ. IX, 2, 388 f. Wheaton IV, 2, §. 3. Wegen der älteren Praxis im Mittelalter: Ward, Enqu. I, 298 s.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/264>, abgerufen am 17.05.2024.