Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Zweites Buch. §. 127. in seine Gewalt bekam. Er konnte mit ihnen nach Belieben ver-fahren, wenn er sich nicht durch Vertrag zu einer bestimmten Schonung verpflichtet hatte -- und auch dieser schützte nicht im- mer; er konnte sie tödten, mißhandeln, oder in Knechtschaft ge- ben. 1 Nur bei einzelnen Völkerstämmen finden sich theilweis mildere Grundsätze, obgleich sie nicht immer befolgt wurden. So das Gesetz der Amphictyonen, die in die Tempel geflüchteten nicht zu tödten; 2 oder der angeblich allgemeine Brauch der Hellenen, solche die sich freiwillig übergeben und um ihr Leben flehen, am Leben zu schonen, 3 oder, was bei den Römern beobachtet zu sein scheint, das Leben der Belagerten zu schonen, wenn sie sich noch vor dem Berennen der Mauern mit dem Belagerungsgeschütz überlieferten. 4 Im Mittelalter trat zwar die Kirche vermittelnd für gewisse 127. Nach heutigem Kriegsrecht 8 unterliegen der Kriegsge- 1 Details bei Groot III, 11, 7 f. 2 Saint-Croix gouv. federat. p. 51. 3 Thucydid. III, 52. 4 Cäsar, bell. gall. II, 32. Cicero, de offic. I, 12. 5 Vgl. c. 2. X. de treuga. 6 Ward liefert dazu an mehreren Stellen die gräßlichsten Beweise. S. auch Pütter Beiträge, S. 47 ff. 7 Im Abendlande verbot das dritte Lateranische Concil unter Alexander III. Christen zu Sclaven zu machen und zu verkaufen. (1179.) Auch bei den orientalischen Christen hatte man denselben Grundsatz angenommen, wie Nicephorus Greg c. 1260. berichtet. Vgl. Pütter Beitr. 69. 86. 8 Schriften bei v. Ompteda §. 311. und v. Kamptz §. 305. Dazu Groot
III, c. 7. Moser Vers. IX, 2, 250. 311 f. Bynkershoek, Quaest. jur. publ. I, 3. Vattel III, §. 139 f. Klüber §. 249. Wheaton IV, 2, 2. Zweites Buch. §. 127. in ſeine Gewalt bekam. Er konnte mit ihnen nach Belieben ver-fahren, wenn er ſich nicht durch Vertrag zu einer beſtimmten Schonung verpflichtet hatte — und auch dieſer ſchützte nicht im- mer; er konnte ſie tödten, mißhandeln, oder in Knechtſchaft ge- ben. 1 Nur bei einzelnen Völkerſtämmen finden ſich theilweis mildere Grundſätze, obgleich ſie nicht immer befolgt wurden. So das Geſetz der Amphictyonen, die in die Tempel geflüchteten nicht zu tödten; 2 oder der angeblich allgemeine Brauch der Hellenen, ſolche die ſich freiwillig übergeben und um ihr Leben flehen, am Leben zu ſchonen, 3 oder, was bei den Römern beobachtet zu ſein ſcheint, das Leben der Belagerten zu ſchonen, wenn ſie ſich noch vor dem Berennen der Mauern mit dem Belagerungsgeſchütz überlieferten. 4 Im Mittelalter trat zwar die Kirche vermittelnd für gewiſſe 127. Nach heutigem Kriegsrecht 8 unterliegen der Kriegsge- 1 Details bei Groot III, 11, 7 f. 2 Saint-Croix gouv. fédérat. p. 51. 3 Thucydid. III, 52. 4 Cäſar, bell. gall. II, 32. Cicero, de offic. I, 12. 5 Vgl. c. 2. X. de treuga. 6 Ward liefert dazu an mehreren Stellen die gräßlichſten Beweiſe. S. auch Pütter Beiträge, S. 47 ff. 7 Im Abendlande verbot das dritte Lateraniſche Concil unter Alexander III. Chriſten zu Sclaven zu machen und zu verkaufen. (1179.) Auch bei den orientaliſchen Chriſten hatte man denſelben Grundſatz angenommen, wie Nicephorus Greg c. 1260. berichtet. Vgl. Pütter Beitr. 69. 86. 8 Schriften bei v. Ompteda §. 311. und v. Kamptz §. 305. Dazu Groot
III, c. 7. Moſer Verſ. IX, 2, 250. 311 f. Bynkershoek, Quaest. jur. publ. I, 3. Vattel III, §. 139 f. Klüber §. 249. Wheaton IV, 2, 2. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0238" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 127.</fw><lb/> in ſeine Gewalt bekam. Er konnte mit ihnen nach Belieben ver-<lb/> fahren, wenn er ſich nicht durch Vertrag zu einer beſtimmten<lb/> Schonung verpflichtet hatte — und auch dieſer ſchützte nicht im-<lb/> mer; er konnte ſie tödten, mißhandeln, oder in Knechtſchaft ge-<lb/> ben. <note place="foot" n="1">Details bei Groot <hi rendition="#aq">III,</hi> 11, 7 f.</note> Nur bei einzelnen Völkerſtämmen finden ſich theilweis<lb/> mildere Grundſätze, obgleich ſie nicht immer befolgt wurden. So<lb/> das Geſetz der Amphictyonen, die in die Tempel geflüchteten nicht<lb/> zu tödten; <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Saint-Croix gouv. fédérat. p.</hi> 51.</note> oder der angeblich allgemeine Brauch der Hellenen,<lb/> ſolche die ſich freiwillig übergeben und um ihr Leben flehen, am<lb/> Leben zu ſchonen, <note place="foot" n="3">Thucydid. <hi rendition="#aq">III,</hi> 52.</note> oder, was bei den Römern beobachtet zu ſein<lb/> ſcheint, das Leben der Belagerten zu ſchonen, wenn ſie ſich noch vor<lb/> dem Berennen der Mauern mit dem Belagerungsgeſchütz überlieferten. <note place="foot" n="4">Cäſar, <hi rendition="#aq">bell. gall. II,</hi> 32. Cicero, <hi rendition="#aq">de offic. I,</hi> 12.</note></p><lb/> <p>Im Mittelalter trat zwar die Kirche vermittelnd für gewiſſe<lb/> Claſſen durch Gottesfrieden ein, <note place="foot" n="5">Vgl. <hi rendition="#aq">c. 2. X. de treuga.</hi></note> allein es blieb die willkührlichſte<lb/> ja ſelbſt grauſame Behandlung der feindlichen Unterthanen und<lb/> Kriegsgefangenen in ungehinderter Uebung; <note place="foot" n="6">Ward liefert dazu an mehreren Stellen die gräßlichſten Beweiſe. S. auch<lb/> Pütter Beiträge, S. 47 ff.</note> nur die Ausſicht auf<lb/> Löſegeld und ritterlicher Sinn führten zu Schonung, auch ſetzte<lb/> die Kirche allmählig jede Sclaverei chriſtlicher Kriegsgefangener<lb/> unter chriſtlichen Nationen außer Gebrauch. <note place="foot" n="7">Im Abendlande verbot das dritte Lateraniſche Concil unter Alexander <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> Chriſten zu Sclaven zu machen und zu verkaufen. (1179.) Auch bei den<lb/> orientaliſchen Chriſten hatte man denſelben Grundſatz angenommen, wie<lb/> Nicephorus Greg <hi rendition="#aq">c.</hi> 1260. berichtet. Vgl. Pütter Beitr. 69. 86.</note></p><lb/> <p>127. Nach heutigem Kriegsrecht <note place="foot" n="8">Schriften bei v. Ompteda §. 311. und v. Kamptz §. 305. Dazu Groot<lb/><hi rendition="#aq">III, c.</hi> 7. Moſer Verſ. <hi rendition="#aq">IX,</hi> 2, 250. 311 f. <hi rendition="#aq">Bynkershoek, Quaest. jur.<lb/> publ. I,</hi> 3. Vattel <hi rendition="#aq">III,</hi> §. 139 f. Klüber §. 249. Wheaton <hi rendition="#aq">IV,</hi> 2, 2.</note> unterliegen der Kriegsge-<lb/> fangenſchaft, wie ſchon angedeutet ward, nur der Souverän mit<lb/> den waffentragenden oder waffenfähigen Gliedern ſeiner Familie,<lb/> ſodann alle zur bewaffneten activen Macht gehörigen Perſonen.<lb/> Ausnahmsweiſe hat man auch noch in einzelnen Fällen die in<lb/> Feindesland befindlichen Unterthanen des anderen Staates als<lb/> Kriegsgefangene behandelt. (§. 125. <hi rendition="#aq">II.</hi>)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0238]
Zweites Buch. §. 127.
in ſeine Gewalt bekam. Er konnte mit ihnen nach Belieben ver-
fahren, wenn er ſich nicht durch Vertrag zu einer beſtimmten
Schonung verpflichtet hatte — und auch dieſer ſchützte nicht im-
mer; er konnte ſie tödten, mißhandeln, oder in Knechtſchaft ge-
ben. 1 Nur bei einzelnen Völkerſtämmen finden ſich theilweis
mildere Grundſätze, obgleich ſie nicht immer befolgt wurden. So
das Geſetz der Amphictyonen, die in die Tempel geflüchteten nicht
zu tödten; 2 oder der angeblich allgemeine Brauch der Hellenen,
ſolche die ſich freiwillig übergeben und um ihr Leben flehen, am
Leben zu ſchonen, 3 oder, was bei den Römern beobachtet zu ſein
ſcheint, das Leben der Belagerten zu ſchonen, wenn ſie ſich noch vor
dem Berennen der Mauern mit dem Belagerungsgeſchütz überlieferten. 4
Im Mittelalter trat zwar die Kirche vermittelnd für gewiſſe
Claſſen durch Gottesfrieden ein, 5 allein es blieb die willkührlichſte
ja ſelbſt grauſame Behandlung der feindlichen Unterthanen und
Kriegsgefangenen in ungehinderter Uebung; 6 nur die Ausſicht auf
Löſegeld und ritterlicher Sinn führten zu Schonung, auch ſetzte
die Kirche allmählig jede Sclaverei chriſtlicher Kriegsgefangener
unter chriſtlichen Nationen außer Gebrauch. 7
127. Nach heutigem Kriegsrecht 8 unterliegen der Kriegsge-
fangenſchaft, wie ſchon angedeutet ward, nur der Souverän mit
den waffentragenden oder waffenfähigen Gliedern ſeiner Familie,
ſodann alle zur bewaffneten activen Macht gehörigen Perſonen.
Ausnahmsweiſe hat man auch noch in einzelnen Fällen die in
Feindesland befindlichen Unterthanen des anderen Staates als
Kriegsgefangene behandelt. (§. 125. II.)
1 Details bei Groot III, 11, 7 f.
2 Saint-Croix gouv. fédérat. p. 51.
3 Thucydid. III, 52.
4 Cäſar, bell. gall. II, 32. Cicero, de offic. I, 12.
5 Vgl. c. 2. X. de treuga.
6 Ward liefert dazu an mehreren Stellen die gräßlichſten Beweiſe. S. auch
Pütter Beiträge, S. 47 ff.
7 Im Abendlande verbot das dritte Lateraniſche Concil unter Alexander III.
Chriſten zu Sclaven zu machen und zu verkaufen. (1179.) Auch bei den
orientaliſchen Chriſten hatte man denſelben Grundſatz angenommen, wie
Nicephorus Greg c. 1260. berichtet. Vgl. Pütter Beitr. 69. 86.
8 Schriften bei v. Ompteda §. 311. und v. Kamptz §. 305. Dazu Groot
III, c. 7. Moſer Verſ. IX, 2, 250. 311 f. Bynkershoek, Quaest. jur.
publ. I, 3. Vattel III, §. 139 f. Klüber §. 249. Wheaton IV, 2, 2.
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