Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch. §. 125.
eine Gleichheit des Kampfes zu erhalten. -- Nicht-Com-
battanten, welche blos zum Troß oder zur Ausrüstung der
Truppen gehören, als Feldprediger, Wundärzte, Marketen-
der, Quartiermeister, werden zwar vereinzelt am Leben ge-
schont, theilen aber natürlich im Gemenge die Schicksale der
Combattanten und verfallen in Kriegsgefangenschaft, wenn
sie nicht ausdrücklich in allgemeinen Verträgen oder in Capi-
tulationen ausgenommen sind. Verwundete, welche selbst
nicht mehr die Waffen gebrauchen oder zu gebrauchen im
Stande sind, müssen nach den Grundsätzen der erlaubten
Selbsthilfe, welche auch die Grundsätze des Krieges sind, mit
weiteren Angriffen auf ihre Person verschont werden. Dem
Loose der Kriegsgefangenschaft sind sie nicht entzogen; die
Sorge für ihre Heilung ist zwar nur der Menschlichkeit und
Großmuth des Siegers anheimgestellt, allein sie darf bei der
hierin bestehenden Gegenseitigkeit sogar erwartet werden, nach-
dem der Sieger für seine eigenen Verwundeten und Kran-
ken zu sorgen im Stande gewesen ist. Tödtung der feind-
lichen Verwundeten und Kranken kann im Allgemeinen nie
und in keiner Hinsicht gerechtfertigt werden, höchstens an
denjenigen, von denen man die bestimmte Kenntniß hat, daß
sie selbst sich auf gleiche Weise vergangen haben. -- Parla-
mentirende Militärpersonen, wenn sie mit den herkömmlichen
Zeichen sich nähern, müssen als unverletzbar gelten und auch
zur Rückkehr Zeit und Sicherheit erlangen.
II. Personen, welche nicht zur feindlichen Heeresmacht gehören,
mit Einschluß der blos zur Erhaltung der inneren Sicher-
heit und Ordnung dienenden obschon bewaffneten Personen,
stehen unter dem Schutze des Kriegsrechtes und werden, so
lange sie selbst keine Feindseligkeiten begehen, mit persönlicher
Vergewaltigung verschont. Zur Schändung von Personen
kann auch der Feind niemals ein Recht haben. 1 Natür-
lich sind demselben Sicherungsmaaßregeln jeder Art zustän-
dig, z. B. Abforderung oder Wegnahme von Waffen oder
Geißeln. Befinden sich feindliche Unterthanen bei dem Aus-
bruche des Krieges in des anderen Theiles Gebiet, oder wer-
den sie dorthin durch einen Zufall während des Krieges ver-
1 Vgl. Groot III, 4, 19.
Zweites Buch. §. 125.
eine Gleichheit des Kampfes zu erhalten. — Nicht-Com-
battanten, welche blos zum Troß oder zur Ausrüſtung der
Truppen gehören, als Feldprediger, Wundärzte, Marketen-
der, Quartiermeiſter, werden zwar vereinzelt am Leben ge-
ſchont, theilen aber natürlich im Gemenge die Schickſale der
Combattanten und verfallen in Kriegsgefangenſchaft, wenn
ſie nicht ausdrücklich in allgemeinen Verträgen oder in Capi-
tulationen ausgenommen ſind. Verwundete, welche ſelbſt
nicht mehr die Waffen gebrauchen oder zu gebrauchen im
Stande ſind, müſſen nach den Grundſätzen der erlaubten
Selbſthilfe, welche auch die Grundſätze des Krieges ſind, mit
weiteren Angriffen auf ihre Perſon verſchont werden. Dem
Looſe der Kriegsgefangenſchaft ſind ſie nicht entzogen; die
Sorge für ihre Heilung iſt zwar nur der Menſchlichkeit und
Großmuth des Siegers anheimgeſtellt, allein ſie darf bei der
hierin beſtehenden Gegenſeitigkeit ſogar erwartet werden, nach-
dem der Sieger für ſeine eigenen Verwundeten und Kran-
ken zu ſorgen im Stande geweſen iſt. Tödtung der feind-
lichen Verwundeten und Kranken kann im Allgemeinen nie
und in keiner Hinſicht gerechtfertigt werden, höchſtens an
denjenigen, von denen man die beſtimmte Kenntniß hat, daß
ſie ſelbſt ſich auf gleiche Weiſe vergangen haben. — Parla-
mentirende Militärperſonen, wenn ſie mit den herkömmlichen
Zeichen ſich nähern, müſſen als unverletzbar gelten und auch
zur Rückkehr Zeit und Sicherheit erlangen.
II. Perſonen, welche nicht zur feindlichen Heeresmacht gehören,
mit Einſchluß der blos zur Erhaltung der inneren Sicher-
heit und Ordnung dienenden obſchon bewaffneten Perſonen,
ſtehen unter dem Schutze des Kriegsrechtes und werden, ſo
lange ſie ſelbſt keine Feindſeligkeiten begehen, mit perſönlicher
Vergewaltigung verſchont. Zur Schändung von Perſonen
kann auch der Feind niemals ein Recht haben. 1 Natür-
lich ſind demſelben Sicherungsmaaßregeln jeder Art zuſtän-
dig, z. B. Abforderung oder Wegnahme von Waffen oder
Geißeln. Befinden ſich feindliche Unterthanen bei dem Aus-
bruche des Krieges in des anderen Theiles Gebiet, oder wer-
den ſie dorthin durch einen Zufall während des Krieges ver-
1 Vgl. Groot III, 4, 19.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0236" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 125.</fw><lb/>
eine Gleichheit des Kampfes zu erhalten. &#x2014; Nicht-Com-<lb/>
battanten, welche blos zum Troß oder zur Ausrü&#x017F;tung der<lb/>
Truppen gehören, als Feldprediger, Wundärzte, Marketen-<lb/>
der, Quartiermei&#x017F;ter, werden zwar vereinzelt am Leben ge-<lb/>
&#x017F;chont, theilen aber natürlich im Gemenge die Schick&#x017F;ale der<lb/>
Combattanten und verfallen in Kriegsgefangen&#x017F;chaft, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht ausdrücklich in allgemeinen Verträgen oder in Capi-<lb/>
tulationen ausgenommen &#x017F;ind. Verwundete, welche &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht mehr die Waffen gebrauchen oder zu gebrauchen im<lb/>
Stande &#x017F;ind, mü&#x017F;&#x017F;en nach den Grund&#x017F;ätzen der erlaubten<lb/>
Selb&#x017F;thilfe, welche auch die Grund&#x017F;ätze des Krieges &#x017F;ind, mit<lb/>
weiteren Angriffen auf ihre Per&#x017F;on ver&#x017F;chont werden. Dem<lb/>
Loo&#x017F;e der Kriegsgefangen&#x017F;chaft &#x017F;ind &#x017F;ie nicht entzogen; die<lb/>
Sorge für ihre Heilung i&#x017F;t zwar nur der Men&#x017F;chlichkeit und<lb/>
Großmuth des Siegers anheimge&#x017F;tellt, allein &#x017F;ie darf bei der<lb/>
hierin be&#x017F;tehenden Gegen&#x017F;eitigkeit &#x017F;ogar erwartet werden, nach-<lb/>
dem der Sieger für &#x017F;eine eigenen Verwundeten und Kran-<lb/>
ken zu &#x017F;orgen im Stande gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Tödtung der feind-<lb/>
lichen Verwundeten und Kranken kann im Allgemeinen nie<lb/>
und in keiner Hin&#x017F;icht gerechtfertigt werden, höch&#x017F;tens an<lb/>
denjenigen, von denen man die be&#x017F;timmte Kenntniß hat, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich auf gleiche Wei&#x017F;e vergangen haben. &#x2014; Parla-<lb/>
mentirende Militärper&#x017F;onen, wenn &#x017F;ie mit den herkömmlichen<lb/>
Zeichen &#x017F;ich nähern, mü&#x017F;&#x017F;en als unverletzbar gelten und auch<lb/>
zur Rückkehr Zeit und Sicherheit erlangen.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen, welche nicht zur feindlichen Heeresmacht gehören,<lb/>
mit Ein&#x017F;chluß der blos zur Erhaltung der inneren Sicher-<lb/>
heit und Ordnung dienenden ob&#x017F;chon bewaffneten Per&#x017F;onen,<lb/>
&#x017F;tehen unter dem Schutze des Kriegsrechtes und werden, &#x017F;o<lb/>
lange &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t keine Feind&#x017F;eligkeiten begehen, mit per&#x017F;önlicher<lb/>
Vergewaltigung ver&#x017F;chont. Zur Schändung von Per&#x017F;onen<lb/>
kann auch der Feind niemals ein Recht haben. <note place="foot" n="1">Vgl. Groot <hi rendition="#aq">III,</hi> 4, 19.</note> Natür-<lb/>
lich &#x017F;ind dem&#x017F;elben Sicherungsmaaßregeln jeder Art zu&#x017F;tän-<lb/>
dig, z. B. Abforderung oder Wegnahme von Waffen oder<lb/>
Geißeln. Befinden &#x017F;ich feindliche Unterthanen bei dem Aus-<lb/>
bruche des Krieges in des anderen Theiles Gebiet, oder wer-<lb/>
den &#x017F;ie dorthin durch einen Zufall während des Krieges ver-<lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0236] Zweites Buch. §. 125. eine Gleichheit des Kampfes zu erhalten. — Nicht-Com- battanten, welche blos zum Troß oder zur Ausrüſtung der Truppen gehören, als Feldprediger, Wundärzte, Marketen- der, Quartiermeiſter, werden zwar vereinzelt am Leben ge- ſchont, theilen aber natürlich im Gemenge die Schickſale der Combattanten und verfallen in Kriegsgefangenſchaft, wenn ſie nicht ausdrücklich in allgemeinen Verträgen oder in Capi- tulationen ausgenommen ſind. Verwundete, welche ſelbſt nicht mehr die Waffen gebrauchen oder zu gebrauchen im Stande ſind, müſſen nach den Grundſätzen der erlaubten Selbſthilfe, welche auch die Grundſätze des Krieges ſind, mit weiteren Angriffen auf ihre Perſon verſchont werden. Dem Looſe der Kriegsgefangenſchaft ſind ſie nicht entzogen; die Sorge für ihre Heilung iſt zwar nur der Menſchlichkeit und Großmuth des Siegers anheimgeſtellt, allein ſie darf bei der hierin beſtehenden Gegenſeitigkeit ſogar erwartet werden, nach- dem der Sieger für ſeine eigenen Verwundeten und Kran- ken zu ſorgen im Stande geweſen iſt. Tödtung der feind- lichen Verwundeten und Kranken kann im Allgemeinen nie und in keiner Hinſicht gerechtfertigt werden, höchſtens an denjenigen, von denen man die beſtimmte Kenntniß hat, daß ſie ſelbſt ſich auf gleiche Weiſe vergangen haben. — Parla- mentirende Militärperſonen, wenn ſie mit den herkömmlichen Zeichen ſich nähern, müſſen als unverletzbar gelten und auch zur Rückkehr Zeit und Sicherheit erlangen. II. Perſonen, welche nicht zur feindlichen Heeresmacht gehören, mit Einſchluß der blos zur Erhaltung der inneren Sicher- heit und Ordnung dienenden obſchon bewaffneten Perſonen, ſtehen unter dem Schutze des Kriegsrechtes und werden, ſo lange ſie ſelbſt keine Feindſeligkeiten begehen, mit perſönlicher Vergewaltigung verſchont. Zur Schändung von Perſonen kann auch der Feind niemals ein Recht haben. 1 Natür- lich ſind demſelben Sicherungsmaaßregeln jeder Art zuſtän- dig, z. B. Abforderung oder Wegnahme von Waffen oder Geißeln. Befinden ſich feindliche Unterthanen bei dem Aus- bruche des Krieges in des anderen Theiles Gebiet, oder wer- den ſie dorthin durch einen Zufall während des Krieges ver- 1 Vgl. Groot III, 4, 19.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/236
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/236>, abgerufen am 02.05.2024.