Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Zweites Buch. §. 110. dung von einzelnen Repressalien 1 (von reprendere) d. h. sol-chen Gewaltmaaßregeln, wodurch Personen oder Sachen der an- deren Partei der einstweiligen Verfügung des sein Recht verfolgen- den oder vertheidigenden Theiles unterworfen werden, um dadurch Erstere zur Nachgiebigkeit oder zur Leistung schuldiger Genugthuung zu veranlassen. Hierunter gehört in weiterer Bedeutung: die Retaliation derselben rechtswidrigen Handlung oder Un- terlassung, deren sich der andere Theil schuldig gemacht hat, an Personen oder Objecten, welche demselben angehören, so weit ein solches Verfahren mit den Gesetzen der Menschlichkeit zu- sammen bestehen kann; 2 sodann die Innebehaltung und Beschlagnahme von Personen, Sachen und Forderungen des anderen Theiles, welche sich im Bereiche des verletzten Theiles befinden; eine Art von Arrest oder Pfän- dung, wodurch jedoch weder ein Recht auf Leben und Tod der gepfändeten Personen, noch auf Appropriation der gepfän- deten Sachen begründet wird. Erst wenn das Mittel bei dem Gegner seinen Zweck nicht erreicht, können jene Sachen zur Genugthuung für die verletzten Interessen verwendet wer- den. Die Personen aber sind als Geißeln zu behandeln. 3 1 Schriften ohne Zahl über diesen Gegenstand s. bei v. Ompteda §. 288. v. Kamptz §. 270. Der Gebrauch der Repressalien, selbst im Privatver- kehr, ist uralt. Sie heißen im Mittelalter auch pressaliae. Ueber ihre Anwendung im Mittelalter vgl. Hüllmann, Städtewesen I, 197. Pütter, Beitr. z. Völkerr. Gesch. I, 49. dann auch P. Frider. de Process. I, cap. 46 sq. Ueber den neueren völkerrechtlichen Gebrauch: Groot III, 2. v. Neumann, ius Princ. priv. t. VIII, §. 35. Martens Essai conc. les armateurs I, §. 4. Steck, Essais p. 42. Vattel II, §. 342 f. Whea- ton IV, 1, §. 2. 3. Nicht zu billigen ist die Unterscheidung von allge- meinen und besondern Repressalien, wenn man unter Ersteren die Verhän- gung oder Erlaubniß aller und jeder Gewaltmaaßregeln wider Personen und Sachen eines fremden Staates versteht, ohne bestimmte Grenze. Dieses wäre, wie schon der Großpensionar Witt bemerkt hat, nichts anderes als Eröffnung eines Kriegszustandes. 2 Z. B. wenn Gesandte eines Staates von einer fremden Staatsgewalt völ- kerrechtswidrig behandelt sind und keine Genugthuung gegeben wird. Hier sind die Repressalien die Genugthuung, die Strafe selbst, zugleich auch ein Zwang zu correcterem Handeln für die Zukunft. 3 Schon Schilter de jure obsidum stellt Repressalien gegen Personen mit
den Geißeln zusammen. S. auch Vattel §. 351. Selbst wenn nächstdem Zweites Buch. §. 110. dung von einzelnen Repreſſalien 1 (von reprendere) d. h. ſol-chen Gewaltmaaßregeln, wodurch Perſonen oder Sachen der an- deren Partei der einſtweiligen Verfügung des ſein Recht verfolgen- den oder vertheidigenden Theiles unterworfen werden, um dadurch Erſtere zur Nachgiebigkeit oder zur Leiſtung ſchuldiger Genugthuung zu veranlaſſen. Hierunter gehört in weiterer Bedeutung: die Retaliation derſelben rechtswidrigen Handlung oder Un- terlaſſung, deren ſich der andere Theil ſchuldig gemacht hat, an Perſonen oder Objecten, welche demſelben angehören, ſo weit ein ſolches Verfahren mit den Geſetzen der Menſchlichkeit zu- ſammen beſtehen kann; 2 ſodann die Innebehaltung und Beſchlagnahme von Perſonen, Sachen und Forderungen des anderen Theiles, welche ſich im Bereiche des verletzten Theiles befinden; eine Art von Arreſt oder Pfän- dung, wodurch jedoch weder ein Recht auf Leben und Tod der gepfändeten Perſonen, noch auf Appropriation der gepfän- deten Sachen begründet wird. Erſt wenn das Mittel bei dem Gegner ſeinen Zweck nicht erreicht, können jene Sachen zur Genugthuung für die verletzten Intereſſen verwendet wer- den. Die Perſonen aber ſind als Geißeln zu behandeln. 3 1 Schriften ohne Zahl über dieſen Gegenſtand ſ. bei v. Ompteda §. 288. v. Kamptz §. 270. Der Gebrauch der Repreſſalien, ſelbſt im Privatver- kehr, iſt uralt. Sie heißen im Mittelalter auch pressaliae. Ueber ihre Anwendung im Mittelalter vgl. Hüllmann, Städteweſen I, 197. Pütter, Beitr. z. Völkerr. Geſch. I, 49. dann auch P. Frider. de Process. I, cap. 46 sq. Ueber den neueren völkerrechtlichen Gebrauch: Groot III, 2. v. Neumann, ius Princ. priv. t. VIII, §. 35. Martens Essai conc. les armateurs I, §. 4. Steck, Essais p. 42. Vattel II, §. 342 f. Whea- ton IV, 1, §. 2. 3. Nicht zu billigen iſt die Unterſcheidung von allge- meinen und beſondern Repreſſalien, wenn man unter Erſteren die Verhän- gung oder Erlaubniß aller und jeder Gewaltmaaßregeln wider Perſonen und Sachen eines fremden Staates verſteht, ohne beſtimmte Grenze. Dieſes wäre, wie ſchon der Großpenſionar Witt bemerkt hat, nichts anderes als Eröffnung eines Kriegszuſtandes. 2 Z. B. wenn Geſandte eines Staates von einer fremden Staatsgewalt völ- kerrechtswidrig behandelt ſind und keine Genugthuung gegeben wird. Hier ſind die Repreſſalien die Genugthuung, die Strafe ſelbſt, zugleich auch ein Zwang zu correcterem Handeln für die Zukunft. 3 Schon Schilter de jure obsidum ſtellt Repreſſalien gegen Perſonen mit
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Zweites Buch. §. 110.
dung von einzelnen Repreſſalien 1 (von reprendere) d. h. ſol-
chen Gewaltmaaßregeln, wodurch Perſonen oder Sachen der an-
deren Partei der einſtweiligen Verfügung des ſein Recht verfolgen-
den oder vertheidigenden Theiles unterworfen werden, um dadurch
Erſtere zur Nachgiebigkeit oder zur Leiſtung ſchuldiger Genugthuung
zu veranlaſſen. Hierunter gehört in weiterer Bedeutung:
die Retaliation derſelben rechtswidrigen Handlung oder Un-
terlaſſung, deren ſich der andere Theil ſchuldig gemacht hat, an
Perſonen oder Objecten, welche demſelben angehören, ſo weit
ein ſolches Verfahren mit den Geſetzen der Menſchlichkeit zu-
ſammen beſtehen kann; 2
ſodann
die Innebehaltung und Beſchlagnahme von Perſonen, Sachen
und Forderungen des anderen Theiles, welche ſich im Bereiche
des verletzten Theiles befinden; eine Art von Arreſt oder Pfän-
dung, wodurch jedoch weder ein Recht auf Leben und Tod
der gepfändeten Perſonen, noch auf Appropriation der gepfän-
deten Sachen begründet wird. Erſt wenn das Mittel bei
dem Gegner ſeinen Zweck nicht erreicht, können jene Sachen
zur Genugthuung für die verletzten Intereſſen verwendet wer-
den. Die Perſonen aber ſind als Geißeln zu behandeln. 3
1 Schriften ohne Zahl über dieſen Gegenſtand ſ. bei v. Ompteda §. 288.
v. Kamptz §. 270. Der Gebrauch der Repreſſalien, ſelbſt im Privatver-
kehr, iſt uralt. Sie heißen im Mittelalter auch pressaliae. Ueber ihre
Anwendung im Mittelalter vgl. Hüllmann, Städteweſen I, 197. Pütter,
Beitr. z. Völkerr. Geſch. I, 49. dann auch P. Frider. de Process. I,
cap. 46 sq. Ueber den neueren völkerrechtlichen Gebrauch: Groot III, 2.
v. Neumann, ius Princ. priv. t. VIII, §. 35. Martens Essai conc. les
armateurs I, §. 4. Steck, Essais p. 42. Vattel II, §. 342 f. Whea-
ton IV, 1, §. 2. 3. Nicht zu billigen iſt die Unterſcheidung von allge-
meinen und beſondern Repreſſalien, wenn man unter Erſteren die Verhän-
gung oder Erlaubniß aller und jeder Gewaltmaaßregeln wider Perſonen und
Sachen eines fremden Staates verſteht, ohne beſtimmte Grenze. Dieſes
wäre, wie ſchon der Großpenſionar Witt bemerkt hat, nichts anderes als
Eröffnung eines Kriegszuſtandes.
2 Z. B. wenn Geſandte eines Staates von einer fremden Staatsgewalt völ-
kerrechtswidrig behandelt ſind und keine Genugthuung gegeben wird. Hier
ſind die Repreſſalien die Genugthuung, die Strafe ſelbſt, zugleich auch ein
Zwang zu correcterem Handeln für die Zukunft.
3 Schon Schilter de jure obsidum ſtellt Repreſſalien gegen Perſonen mit
den Geißeln zuſammen. S. auch Vattel §. 351. Selbſt wenn nächſtdem
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