Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Erstes Buch. §. 84. Gebrauch gemacht wird. 1 Eben so wenig kann die Nichterkenn-barkeit eines Nutzens für den stipulirenden Theil die Giltigkeit ei- ner Paction aufheben, 2 oder die Behauptung einer enormen Lä- sion, wenn nicht andere Rescissionsgründe damit in Verbindung treten. 3 Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zustand des Friedens b. Dispositionsfähigkeit der Contrahenten. 84. Die zweite wesentliche Voraussetzung zu einem giltigen I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm- nen actuellen (selbst usurpatorischen) Repräsentanten der con- trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), so weit deren Befug- nisse in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän- gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der- mahlige außer Streit befindliche Verfassung des Staates 6 beschränkt werden, während der nicht im Besitz befindliche obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec- tiven Wiedererlangung seiner Rechte Verträge für den Staat 1 Grot. II, 14, 4 et 12. de Neumann in Wolffsfeldt, de Pact. prin- cip. I, 3, 90. I, 5, 219. Günther, Völkerr. II, 95. 2 de Neumann l. c. I, 5, 220. 3 Vattel §. 158. Martens E. Völkerr. §. 45. a. E. Schmelzing §. 381. 4 Darauf muß wohl reducirt werden, was von früheren Publicisten über die Gleichheit und Ungleichheit der Völkerverträge gesagt worden ist. S. z. B. Vattel §. 172 ff. Groot hat die Theorie zuerst mit darauf geführt, be- stimmt durch Aristoteles. Dagegen hat sich mit Recht schon Cocceji zu Groot II, 12, 8 f. erklärt. S. auch Martens, E. Völkerr. §. 46 a. E. u. §. 55. 5 Vgl. oben §. 19 f. Wheaton, intern. L. III, 2, 1. 6 "Außer Streit befindliche." Denn andern Nationen gegenüber kann hier
nur der Besitzstand entscheiden. Vergl. schon oben §. 10. 23. und 49. Wegen der in der Britischen und Nordamerikanischen Verfassung liegen- den Beschränkungen vergl. Wheaton l. c. §. 5. 6. Auch andere neuere Constitutionen bieten dergleichen dar. Allein die Präsumtion ist für die Staatsgewalt. Die Verfassung selbst jedoch kann sie nicht für sich allein zum Opfer bringen. Erſtes Buch. §. 84. Gebrauch gemacht wird. 1 Eben ſo wenig kann die Nichterkenn-barkeit eines Nutzens für den ſtipulirenden Theil die Giltigkeit ei- ner Paction aufheben, 2 oder die Behauptung einer enormen Lä- ſion, wenn nicht andere Reſciſſionsgründe damit in Verbindung treten. 3 Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zuſtand des Friedens b. Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten. 84. Die zweite weſentliche Vorausſetzung zu einem giltigen I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm- nen actuellen (ſelbſt uſurpatoriſchen) Repräſentanten der con- trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), ſo weit deren Befug- niſſe in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän- gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der- mahlige außer Streit befindliche Verfaſſung des Staates 6 beſchränkt werden, während der nicht im Beſitz befindliche obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec- tiven Wiedererlangung ſeiner Rechte Verträge für den Staat 1 Grot. II, 14, 4 et 12. de Neumann in Wolffsfeldt, de Pact. prin- cip. I, 3, 90. I, 5, 219. Günther, Völkerr. II, 95. 2 de Neumann l. c. I, 5, 220. 3 Vattel §. 158. Martens E. Völkerr. §. 45. a. E. Schmelzing §. 381. 4 Darauf muß wohl reducirt werden, was von früheren Publiciſten über die Gleichheit und Ungleichheit der Völkerverträge geſagt worden iſt. S. z. B. Vattel §. 172 ff. Groot hat die Theorie zuerſt mit darauf geführt, be- ſtimmt durch Ariſtoteles. Dagegen hat ſich mit Recht ſchon Cocceji zu Groot II, 12, 8 f. erklärt. S. auch Martens, E. Völkerr. §. 46 a. E. u. §. 55. 5 Vgl. oben §. 19 f. Wheaton, intern. L. III, 2, 1. 6 „Außer Streit befindliche.“ Denn andern Nationen gegenüber kann hier
nur der Beſitzſtand entſcheiden. Vergl. ſchon oben §. 10. 23. und 49. Wegen der in der Britiſchen und Nordamerikaniſchen Verfaſſung liegen- den Beſchränkungen vergl. Wheaton l. c. §. 5. 6. Auch andere neuere Conſtitutionen bieten dergleichen dar. Allein die Präſumtion iſt für die Staatsgewalt. Die Verfaſſung ſelbſt jedoch kann ſie nicht für ſich allein zum Opfer bringen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0174" n="150"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Buch</hi>. §. 84.</fw><lb/> Gebrauch gemacht wird. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Grot</hi>. II, 14, 4 et 12. de Neumann in Wolffsfeldt, de Pact. prin-<lb/> cip. I, 3, 90. I,</hi> 5, 219. Günther, Völkerr. <hi rendition="#aq">II,</hi> 95.</note> Eben ſo wenig kann die Nichterkenn-<lb/> barkeit eines Nutzens für den ſtipulirenden Theil die Giltigkeit ei-<lb/> ner Paction aufheben, <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">de Neumann</hi> l. c. I,</hi> 5, 220.</note> oder die Behauptung einer enormen Lä-<lb/> ſion, wenn nicht andere Reſciſſionsgründe damit in Verbindung<lb/> treten. <note place="foot" n="3">Vattel §. 158. Martens E. Völkerr. §. 45. a. E. Schmelzing §. 381.</note></p><lb/> <p>Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zuſtand des Friedens<lb/> eine bleibende vertragsmäßige Unterwerfung unter den Willen eines<lb/> Andern oder Dritten ſein, wodurch die Fortexiſtenz einer freien<lb/> Perſönlichkeit für immer unmöglich gemacht und nicht vielmehr ein<lb/> Schutz derſelben erlangt würde. <note place="foot" n="4">Darauf muß wohl reducirt werden, was von früheren Publiciſten über die<lb/> Gleichheit und Ungleichheit der Völkerverträge geſagt worden iſt. S. z. B.<lb/> Vattel §. 172 ff. Groot hat die Theorie zuerſt mit darauf geführt, be-<lb/> ſtimmt durch Ariſtoteles. Dagegen hat ſich mit Recht ſchon Cocceji zu<lb/> Groot <hi rendition="#aq">II,</hi> 12, 8 f. erklärt. S. auch Martens, E. Völkerr. §. 46 a. E.<lb/> u. §. 55.</note></p> </div><lb/> <div n="5"> <head><hi rendition="#aq">b.</hi><hi rendition="#g">Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten</hi>.</head><lb/> <p>84. Die zweite weſentliche Vorausſetzung zu einem giltigen<lb/> Vertrage iſt Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten. Dieſe haben</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> für eigentliche Staatenverträge (§. 82. <hi rendition="#aq">I.</hi>) die machtvollkomm-<lb/> nen actuellen (ſelbſt uſurpatoriſchen) Repräſentanten der con-<lb/> trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), ſo weit deren Befug-<lb/> niſſe in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän-<lb/> gigkeitsverhältniß zu andern Staaten <note place="foot" n="5">Vgl. oben §. 19 f. <hi rendition="#aq">Wheaton, intern. L. III,</hi> 2, 1.</note> oder durch die der-<lb/> mahlige außer Streit befindliche Verfaſſung des Staates <note place="foot" n="6">„Außer Streit befindliche.“ Denn andern Nationen gegenüber kann hier<lb/> nur der Beſitzſtand entſcheiden. Vergl. ſchon oben §. 10. 23. und 49.<lb/> Wegen der in der Britiſchen und Nordamerikaniſchen Verfaſſung liegen-<lb/> den Beſchränkungen vergl. <hi rendition="#aq">Wheaton l. c.</hi> §. 5. 6. Auch andere neuere<lb/> Conſtitutionen bieten dergleichen dar. Allein die Präſumtion iſt für die<lb/> Staatsgewalt. Die Verfaſſung ſelbſt jedoch kann ſie nicht für ſich allein<lb/> zum Opfer bringen.</note><lb/> beſchränkt werden, während der nicht im Beſitz befindliche<lb/> obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec-<lb/> tiven Wiedererlangung ſeiner Rechte Verträge für den Staat<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0174]
Erſtes Buch. §. 84.
Gebrauch gemacht wird. 1 Eben ſo wenig kann die Nichterkenn-
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ner Paction aufheben, 2 oder die Behauptung einer enormen Lä-
ſion, wenn nicht andere Reſciſſionsgründe damit in Verbindung
treten. 3
Unverbindlich würde jedoch vorzüglich im Zuſtand des Friedens
eine bleibende vertragsmäßige Unterwerfung unter den Willen eines
Andern oder Dritten ſein, wodurch die Fortexiſtenz einer freien
Perſönlichkeit für immer unmöglich gemacht und nicht vielmehr ein
Schutz derſelben erlangt würde. 4
b. Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten.
84. Die zweite weſentliche Vorausſetzung zu einem giltigen
Vertrage iſt Dispoſitionsfähigkeit der Contrahenten. Dieſe haben
I. für eigentliche Staatenverträge (§. 82. I.) die machtvollkomm-
nen actuellen (ſelbſt uſurpatoriſchen) Repräſentanten der con-
trahirenden Staatsgewalten (§. 49.), ſo weit deren Befug-
niſſe in auswärtigen Beziehungen nicht durch ein Abhän-
gigkeitsverhältniß zu andern Staaten 5 oder durch die der-
mahlige außer Streit befindliche Verfaſſung des Staates 6
beſchränkt werden, während der nicht im Beſitz befindliche
obwohl rechtmäßige Souverän nur für den Fall der effec-
tiven Wiedererlangung ſeiner Rechte Verträge für den Staat
1 Grot. II, 14, 4 et 12. de Neumann in Wolffsfeldt, de Pact. prin-
cip. I, 3, 90. I, 5, 219. Günther, Völkerr. II, 95.
2 de Neumann l. c. I, 5, 220.
3 Vattel §. 158. Martens E. Völkerr. §. 45. a. E. Schmelzing §. 381.
4 Darauf muß wohl reducirt werden, was von früheren Publiciſten über die
Gleichheit und Ungleichheit der Völkerverträge geſagt worden iſt. S. z. B.
Vattel §. 172 ff. Groot hat die Theorie zuerſt mit darauf geführt, be-
ſtimmt durch Ariſtoteles. Dagegen hat ſich mit Recht ſchon Cocceji zu
Groot II, 12, 8 f. erklärt. S. auch Martens, E. Völkerr. §. 46 a. E.
u. §. 55.
5 Vgl. oben §. 19 f. Wheaton, intern. L. III, 2, 1.
6 „Außer Streit befindliche.“ Denn andern Nationen gegenüber kann hier
nur der Beſitzſtand entſcheiden. Vergl. ſchon oben §. 10. 23. und 49.
Wegen der in der Britiſchen und Nordamerikaniſchen Verfaſſung liegen-
den Beſchränkungen vergl. Wheaton l. c. §. 5. 6. Auch andere neuere
Conſtitutionen bieten dergleichen dar. Allein die Präſumtion iſt für die
Staatsgewalt. Die Verfaſſung ſelbſt jedoch kann ſie nicht für ſich allein
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