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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 83.
also Einführung oder Aufrechthaltung von Sclaverei niemals gil-
tig versprochen werden kann, so wenig als eine Verschließung des
Verkehrs der Nationen für ihre gegenseitigen sittlichen oder physi-
schen Bedürfnisse. Niemals kann auch ein Treubruch wider noch
bestehende Verbindlichkeiten gegen Dritte zur Pflicht gemacht wer-
den, wiewohl derjenige Theil, welcher eine solche Pflicht gegen ei-
nen Andern von dem Widerspruch nicht Unterrichteten übernimmt,
für das Interesse des nicht in Ausführung zu setzenden Vertrages
haftet. Niemals kann ferner eine Handlung oder Unterlassung wi-
der unbestreitbare Rechte eines Dritten, oder dasjenige, was man
bereits einem Dritten ausschließlich bewilligt hat, 1 Gegenstand ei-
ner Vertragsverbindlichkeit sein, so wenig als eine Handlung oder
das Recht eines Dritten, worüber man keine Botmäßigkeit oder
Verfügungsgewalt hat. 2 Jedoch darf man sich zu einer thätigen
Verwendung (Intercessio im weitern Sinne) bei einer dritten Per-
son verpflichten, daß dieselbe in ein gewisses Rechtsverhältniß ein-
trete, und zwar entweder durch Anwendung freundlicher Dienste
(bona officia), indem man den Dritten im Wege der Unterhand-
lung für den beabsichtigten Zweck zu gewinnen und zu entsprechen-
den Gewährungen zu veranlassen sucht, oder durch eigentliche In-
tercession
mit Anwendung aller den Umständen entsprechender er-
laubter Mittel, jedoch mit Ausschluß der Waffengewalt, wofern
man nicht auch hierzu ein Recht hat, und eine s. g. bewaffnete
Intercession ausdrücklich übernommen ist. Für die wirkliche Er-
reichung des Zweckes haftet man jedoch nur dann bis zum Be-
trage des Interesse, wenn man auch in dieser Ausdehnung sich
verbindlich gemacht hat. 3 -- Man kann außerdem sich darüber ver-
ständigen, welche Maaßregeln einem Dritten gegenüber ergriffen
werden sollen. Sonst aber kann ein Vertrag nur ein Rechts-
verhältniß unter den Contrahenten zum Gegenstand haben und her-
vorbringen, nicht auch einem Dritten ein Recht oder Verbindlichkeit
erzeugen; 4 ausgenommen

1 Vgl. Moser Vers. VI, 420 f. Vattel §. 165--167. Klüber dr. d. g.
§. 144. Pufendorf III, 7. 11. Mably, droit des gens I, p. 27.
2 Vgl. l. 83. pr. D. de V. O. de Neumann §. 187.
3 Pufendorf a. a. O. §. 10. de Neumann §. 146 s. 187 s.
4 Vgl. Frid. Lang, de nonnullis fundamentis obligationum ex pacto ter-
tii quaesitarum. Goetting.
1798.

Erſtes Buch. §. 83.
alſo Einführung oder Aufrechthaltung von Sclaverei niemals gil-
tig verſprochen werden kann, ſo wenig als eine Verſchließung des
Verkehrs der Nationen für ihre gegenſeitigen ſittlichen oder phyſi-
ſchen Bedürfniſſe. Niemals kann auch ein Treubruch wider noch
beſtehende Verbindlichkeiten gegen Dritte zur Pflicht gemacht wer-
den, wiewohl derjenige Theil, welcher eine ſolche Pflicht gegen ei-
nen Andern von dem Widerſpruch nicht Unterrichteten übernimmt,
für das Intereſſe des nicht in Ausführung zu ſetzenden Vertrages
haftet. Niemals kann ferner eine Handlung oder Unterlaſſung wi-
der unbeſtreitbare Rechte eines Dritten, oder dasjenige, was man
bereits einem Dritten ausſchließlich bewilligt hat, 1 Gegenſtand ei-
ner Vertragsverbindlichkeit ſein, ſo wenig als eine Handlung oder
das Recht eines Dritten, worüber man keine Botmäßigkeit oder
Verfügungsgewalt hat. 2 Jedoch darf man ſich zu einer thätigen
Verwendung (Intercessio im weitern Sinne) bei einer dritten Per-
ſon verpflichten, daß dieſelbe in ein gewiſſes Rechtsverhältniß ein-
trete, und zwar entweder durch Anwendung freundlicher Dienſte
(bona officia), indem man den Dritten im Wege der Unterhand-
lung für den beabſichtigten Zweck zu gewinnen und zu entſprechen-
den Gewährungen zu veranlaſſen ſucht, oder durch eigentliche In-
terceſſion
mit Anwendung aller den Umſtänden entſprechender er-
laubter Mittel, jedoch mit Ausſchluß der Waffengewalt, wofern
man nicht auch hierzu ein Recht hat, und eine ſ. g. bewaffnete
Interceſſion ausdrücklich übernommen iſt. Für die wirkliche Er-
reichung des Zweckes haftet man jedoch nur dann bis zum Be-
trage des Intereſſe, wenn man auch in dieſer Ausdehnung ſich
verbindlich gemacht hat. 3 — Man kann außerdem ſich darüber ver-
ſtändigen, welche Maaßregeln einem Dritten gegenüber ergriffen
werden ſollen. Sonſt aber kann ein Vertrag nur ein Rechts-
verhältniß unter den Contrahenten zum Gegenſtand haben und her-
vorbringen, nicht auch einem Dritten ein Recht oder Verbindlichkeit
erzeugen; 4 ausgenommen

1 Vgl. Moſer Verſ. VI, 420 f. Vattel §. 165—167. Klüber dr. d. g.
§. 144. Pufendorf III, 7. 11. Mably, droit des gens I, p. 27.
2 Vgl. l. 83. pr. D. de V. O. de Neumann §. 187.
3 Pufendorf a. a. O. §. 10. de Neumann §. 146 s. 187 s.
4 Vgl. Frid. Lang, de nonnullis fundamentis obligationum ex pacto ter-
tii quaesitarum. Goetting.
1798.
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[148/0172] Erſtes Buch. §. 83. alſo Einführung oder Aufrechthaltung von Sclaverei niemals gil- tig verſprochen werden kann, ſo wenig als eine Verſchließung des Verkehrs der Nationen für ihre gegenſeitigen ſittlichen oder phyſi- ſchen Bedürfniſſe. Niemals kann auch ein Treubruch wider noch beſtehende Verbindlichkeiten gegen Dritte zur Pflicht gemacht wer- den, wiewohl derjenige Theil, welcher eine ſolche Pflicht gegen ei- nen Andern von dem Widerſpruch nicht Unterrichteten übernimmt, für das Intereſſe des nicht in Ausführung zu ſetzenden Vertrages haftet. Niemals kann ferner eine Handlung oder Unterlaſſung wi- der unbeſtreitbare Rechte eines Dritten, oder dasjenige, was man bereits einem Dritten ausſchließlich bewilligt hat, 1 Gegenſtand ei- ner Vertragsverbindlichkeit ſein, ſo wenig als eine Handlung oder das Recht eines Dritten, worüber man keine Botmäßigkeit oder Verfügungsgewalt hat. 2 Jedoch darf man ſich zu einer thätigen Verwendung (Intercessio im weitern Sinne) bei einer dritten Per- ſon verpflichten, daß dieſelbe in ein gewiſſes Rechtsverhältniß ein- trete, und zwar entweder durch Anwendung freundlicher Dienſte (bona officia), indem man den Dritten im Wege der Unterhand- lung für den beabſichtigten Zweck zu gewinnen und zu entſprechen- den Gewährungen zu veranlaſſen ſucht, oder durch eigentliche In- terceſſion mit Anwendung aller den Umſtänden entſprechender er- laubter Mittel, jedoch mit Ausſchluß der Waffengewalt, wofern man nicht auch hierzu ein Recht hat, und eine ſ. g. bewaffnete Interceſſion ausdrücklich übernommen iſt. Für die wirkliche Er- reichung des Zweckes haftet man jedoch nur dann bis zum Be- trage des Intereſſe, wenn man auch in dieſer Ausdehnung ſich verbindlich gemacht hat. 3 — Man kann außerdem ſich darüber ver- ſtändigen, welche Maaßregeln einem Dritten gegenüber ergriffen werden ſollen. Sonſt aber kann ein Vertrag nur ein Rechts- verhältniß unter den Contrahenten zum Gegenſtand haben und her- vorbringen, nicht auch einem Dritten ein Recht oder Verbindlichkeit erzeugen; 4 ausgenommen 1 Vgl. Moſer Verſ. VI, 420 f. Vattel §. 165—167. Klüber dr. d. g. §. 144. Pufendorf III, 7. 11. Mably, droit des gens I, p. 27. 2 Vgl. l. 83. pr. D. de V. O. de Neumann §. 187. 3 Pufendorf a. a. O. §. 10. de Neumann §. 146 s. 187 s. 4 Vgl. Frid. Lang, de nonnullis fundamentis obligationum ex pacto ter- tii quaesitarum. Goetting. 1798.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/172>, abgerufen am 09.05.2024.